Ende der sozialliberalen Ära (1980 bis 1983)
Mit einem Kanzlersturz endet die Regierungszeit der Sozialdemokraten nach 13 Jahren. Knapp zwei Jahre nach der Bundestagswahl von 1980 bricht das Bündnis von SPD und FDP wegen Differenzen in wichtigen politischen Fragen auseinander. Dr. Helmut Kohl bringt mit einem konstruktiven Misstrauensvotum Helmut Schmidt zu Fall und wird neuer Bundeskanzler. Nach nur 142 Plenarsitzungen endet die neunte und damit kürzeste Legislaturperiode in der deutschen Parlamentsgeschichte.
Beginn eines bewegten Jahrzehnts
Während die siebziger Jahre von Ölkrise und Rezession geprägt waren, steht in den achtziger Jahren die Arbeitslosigkeit im Zentrum der Diskussionen. Das Arbeitsleben wandelt sich, erstmals gibt es mehr Angestellte als Arbeiter, die geburtenstarken Jahrgänge und Frauen drängen ins Berufsleben. Branchen wie Kohle und Schiffsbau werden abgehängt, dafür treten Dienstleistungen in den Vordergrund. Computer und Faxgeräte ziehen in die Büros ein.
Politisch ist das neue Jahrzehnt bewegt. Ein neues Umwelt- und Naturbewusstsein greift um sich, das politisch schließlich unter anderem zur Entstehung der neuen Partei Die Grünen führt. Anfang der achtziger Jahre spitzen sich die Konflikte um die neue Startbahn West auf dem Flughafen in Frankfurt am Main zu. Die sich formierende Friedensbewegung kämpft unter anderem gegen den Nato-Doppelbeschluss, den viele als Bedrohung für den Frieden in Europa ansehen. Die Grünen, die sich Anfang 1980 als Bundespartei gegründet haben, erstarken und werden zur neuen politischen Kraft. In Landesparlamenten bereits vertreten, werden sie bald auch in den Bundestag einziehen.
Drei-Fraktionen-Parlament
Zu Beginn des Jahrzehnts sind jedoch im Parlament nur drei Fraktionen vertreten. Bei den Wahlen zum neunten Bundestag am 5. Oktober 1980 erhalten CDU/CSU 44,5 Prozent der Stimmen, die SPD 42,9 und die FDP 10,6 Prozent. Sozial- und Freidemokraten setzen ihre Koalition unter Helmut Schmidt fort.
Im November 1981 verabschiedet der Bundestag Spargesetze zur Sanierung des Haushaltes, unter anderem kürzt er das Kindergeld, beteiligt Patienten an den Kosten von Krankenhausaufenthalten und Kuren und beschließt höhere Beiträge in der Renten- und Arbeitslosenversicherung.
„Kleine Schritte“
Die Regierungspolitik der „kleinen Schritte“ im deutsch-deutschen Verhältnis wird teilweise von der Opposition mitgetragen. Doch sie ist auch immer wieder Anlass für erregte Auseinandersetzungen im Parlament. Im Oktober 1981, vor einer Massendemonstration, kommt es zu einer leidenschaftlichen Debatte über die Rüstungs- und Friedenspolitik.
Untersuchungen im Bundestag
Der Bundestag nimmt sich in die Pflicht, aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen zu begleiten und ihnen auf den Grund zu gehen. Er setzt Enquete-Kommissionen zu den „Neuen Informations- und Kommunikationstechniken“ und zu „Jugendprotest im demokratischen Staat“ ein.
Parlamentarier widmen sich im Untersuchungsausschuss zum „Fall Rauschenbach“ dem Übertritt eines Oberstleutnants der Nationalen Volksarmee in die Bundesrepublik und wieder zurück in die DDR.
Schmidts Minderheitsregierung
Die Gemeinsamkeiten von SPD und FDP schwinden immer mehr. Im Februar 1982 stellt Helmut Schmidt die Vertrauensfrage, um Klarheit über den weiteren politischen Kurs zu schaffen. Alle SPD- und FDP-Abgeordneten sprechen dem Bundeskanzler das Vertrauen aus. Dennoch bröckelt das Regierungsbündnis.
Im Sommer werden die Meinungsverschiedenheiten in der Wirtschafts- und Finanzpolitik unüberwindbar. Helmut Schmidt kündigt am 17. September 1982 die Koalition auf. Nach dem Rücktritt der liberalen Minister führt er eine Minderheitsregierung.
Kohl stürzt Schmidt
CDU/CSU und FDP verhandeln zu dieser Zeit schon über eine gemeinsame Regierung. Sie einigen sich darauf, Helmut Schmidt am 1. Oktober 1982 durch ein konstruktives Misstrauensvotum zu stürzen, Helmut Kohl zum Kanzler zu wählen und Neuwahlen für den 6. März 1983 anzustreben.
Zum zweiten Mal in der Geschichte entscheidet der Bundestag über ein Konstruktives Misstrauensvotum - Kanzlersturz und Kanzlerwahl in einem. Zehn Jahre zuvor wollte die CDU/CSU schon einmal einen SPD-Kanzler stürzen und scheiterte. 1982 reichen die Stimmen.
Helmut Kohl ist Kanzler und wird nach 16 Amtsjahren der Regierungschef mit der längsten Regierungszeit sein. (sq/31.07.2017)