Internationales

Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages

Europäisches Parlament in Brüssel.

Der Deutsche Bundestag arbeitet mit dem Europäischen Parlament zusammen. (© DBT/Unger)

Der Bundestag wirkt gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes an der politischen Meinungsbildung des Bundes zu Angelegenheiten der Europäischen Union mit. Die in diesem Zusammenhang bestehenden parlamentarischen Rechte sind in den Begleitgesetzen zum Vertrag von Lissabon ausgestaltet. Dabei handelt es sich um das im Jahr 2013 neu gefasste Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union, das sogenannte Zusammenarbeitsgesetz (EUZBBG), und das Gesetz über die Wahrnehmung der Integrationsverantwortung des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union, kurz Integrationsverantwortungsgesetz (IntVG). Diese sehen umfassende Unterrichtungs- und Mitwirkungsrechte des Bundestages vor.

Im EUZBBG sind die Unterrichtungspflichten der Bundesregierung in EU-Angelegenheiten und Fragen der Mitwirkung des Bundestages durch Stellungnahmen gegenüber der Bundesregierung ausgestaltet. Im IntVG ist die Beteiligung des Bundestages bei Änderungen des europäischen Primärrechts, die nicht den üblichen Ratifikationsverfahren unterliegen, und in den Fällen geregelt, in denen der Vertrag von Lissabon eine Kompetenzausweitung für die Europäische Union vorsieht.

Unterrichtungsrechte des Bundestages

Damit der Bundestag seine Mitwirkungsrechte ausüben kann, benötigen die zuständigen Gremien umfassende Informationen über den Inhalt und den Verhandlungsstand der jeweiligen EU-Vorhaben. Die Bundesregierung hat den Bundestag deshalb in Angelegenheiten der EU umfassend, zum frühestmöglichen Zeitpunkt, fortlaufend und in der Regel schriftlich zu unterrichten.

Die Unterrichtung erstreckt sich insbesondere auf die Willensbildung der Bundesregierung sowie auf die Vorbereitung und den Verlauf der Beratungen innerhalb der EU-Organe. Die Unterrichtung erfolgt vor allem durch Übermittlung der entsprechenden Dokumente und Berichte der Bundesregierung.

Dies wird in der Praxis näher im EUZBBG ausgestaltet. So leitet die Bundesregierung dem Bundestag unter anderem Kommissionsvorschläge für Gesetzgebungsakte der EU, Berichte, Mitteilungen, Grün- und Weißbücher, Verhandlungsmandate für völkerrechtliche Verträge sowie Vorschläge für Beschlüsse des Rates zu. Zu Beginn hat die Bundesregierung dem Bundestag eine eigene Bewertung eines jeden EU-Vorhabens über den wesentlichen Inhalt, dessen politischer Bedeutung, das deutsche Interesse an dem Vorhaben und gegebenenfalls die Einhaltung des Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu übermitteln. Zudem hat die Bundesregierung den Bundestag im weiteren Verlauf kontinuierlich über die weiteren Planungen und Beratungen auf europäischer Ebene zu unterrichten.

Schließlich unterrichtet die Bundesregierung den Bundestag auch über völkerrechtliche Verträge, wenn sie in einem Ergänzungs- oder sonstigen Näheverhältnis zum Recht der EU stehen. Hiervon sind zum Beispiel der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) oder der Fiskalvertrag umfasst.

Stellungnahmerecht

Das Grundgesetz sieht als zentrales Instrument der Mitwirkung das Recht zur Stellungnahme des Bundestages in EU-Angelegenheiten vor (Art. 23 Abs. 2 und 3 GG). Gibt der Bundestag eine Stellungnahme ab, so muss die Bundesregierung diese ihren Verhandlungen auf europäischer Ebene zugrunde legen. Handelt es sich um eine Stellungnahme zu einem Rechtsetzungsakt gemäß Art. 23 Abs. 3 GG, muss die Bundesregierung einen Parlamentsvorbehalt einlegen, wenn einer der wesentlichen Belange der Stellungnahme des Bundestages nicht durchsetzbar ist. Hierüber muss sie den Bundestag unverzüglich in einem Bericht informieren und sich vor der abschließenden Entscheidung im Rat mit dem Bundestag um Einvernehmen bemühen. Die Bundesregierung kann aus wichtigen außen- oder integrationspolitischen Gründen von der Stellungnahme des Bundestages abweichen. Nach der abschließenden Beschlussfassung unterrichtet die Bundesregierung den Bundestag unverzüglich schriftlich über die Durchsetzung beziehungsweise Nichtdurchsetzung seiner Stellungnahme.

Integrationsverantwortungsgesetz

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni 2009 zur Ratifizierung des Vertrags von Lissabon hat der Bundestag durch das im September 2009 verabschiedete Integrationsverantwortungsgesetz (IntVG) zusätzliche Mitwirkungs- und Entscheidungsrechte in EU-Angelegenheiten erhalten. Es regelt die Beteiligung des Bundestages beispielsweise bei Änderungen der vertraglichen Grundlagen der EU, die nicht dem üblichen Ratifikationsverfahren unterliegen, bei der Anwendung von primärrechtlichen Grundlagen, mit denen die Kompetenzen der Europäischen Union ausgedehnt werden können oder bei dem Übergang der Abstimmungsmodalitäten von Einstimmigkeit zu qualifizierter Mehrheit im Rat beziehungsweise vom besonderen zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren.

Der Grund der gesonderten Beteiligung des Bundestages ist in der herausgehobenen Integrationsverantwortung zu sehen, die der Deutsche Bundestag in diesen EU-Angelegenheiten wahrzunehmen hat.

Grundsatz der Subsidiarität

Nach dem Grundsatz der Subsidiarität darf die EU nur tätig werden, soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht und daher wegen ihres Umfangs und ihrer Wirkungen besser auf Unionsebene erreicht werden können. Nach dem Protokoll Nr. 2 des Vertrags von Lissabon über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit können die nationalen Parlamente innerhalb von acht Wochen, nachdem ein Gesetzgebungsvorschlag in allen Amtssprachen der EU übermittelt wurde, in einer begründeten Stellungnahme darlegen, weshalb dieser Entwurf ihres Erachtens nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist (Subsidiaritätsrüge).

Kommt die Mehrheit der nationalen Parlamente in ihren Stellungnahmen zu dem Ergebnis, dass der Entwurf unvereinbar mit dem Subsidiaritätsgrundsatz ist, kann der Entwurf vom Unionsgesetzgeber (Rat und Europäisches Parlament) verworfen werden. Dem Bundestag stellt sich nach Inkrafttreten eines Gesetzgebungsaktes ferner die Möglichkeit einer Subsidiaritätsklage vor dem Europäischen Gerichtshof.

Zur Kommunikation zwischen den nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parlament über EU-Vorhaben, insbesondere über die Abgabe von Stellungnahmen und Subsidiaritätsrügen, wurde die Datenbank IPEX eingerichtet.

Mitwirkung hinsichtlich der Gewährung von Finanzhilfen

Weitere Mitwirkungs- und Kontrollrechte nimmt der Deutsche Bundestag auf Grundlage des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (StabMechG) sowie des Gesetzes zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESMFinG) wahr. Hintergrund dieser Regelungswerke ist zum einen die 2010 gegründete Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und der 2012 entstandene Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM), zwei Finanzinstitutionen, die während der europäischen Finanzkrise gegründet worden sind und die durch Finanzhilfen an Euro-Mitgliedstaaten die Finanzstabilität der Euro-Zone insgesamt schützen.

Mitte 2013 beendete die EFSF ihre Arbeit, ihre Programme laufen aber im Rahmen des ESM, zum Beispiel zu Griechenland, fort. Der ESM ist mit einem Kapitalvolumen von über 700 Milliarden Euro der nunmehr ständige Krisenmechanismus. Da die Gewährung von Darlehen und Garantien seitens Deutschlands im Rahmen von EFSF und ESM die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages betrifft, bedürfen zustimmende Entscheidungen zu solchen Maßnahmen innerhalb der Entscheidungsgremien des ESM der Zustimmung entweder des Plenums oder des Haushaltsausschusses.