Bundestag betont zentralen Anteil Ostdeutscher an Mauerfall und Einheit
35 Jahre nach dem Umbruch in der DDR hat der Bundestag am Freitag, 8. November 2024, den zentralen Anteil der ostdeutschen Bevölkerung am Fall der Mauer und der darauf folgenden Herstellung der deutschen Einheit hervorgehoben. Es sei „von zentraler Bedeutung, dass die Menschen selbst in der DDR in der Friedlichen Revolution die Diktatur überwunden und sich eigenständig demokratisiert haben“, heißt es in einem gemeinsamen Antrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (20/13628), den das Parlament mit der Mehrheit der drei bisherigen Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der CDU/CSU- und der AfD-Fraktion sowie der Gruppen Die Linke und BSW verabschiedete.
Ein Antrag der Unionsfraktion mit dem Titel „35 Jahre Mauerfall – 35 Jahre Freiheit in ganz Deutschland – Verantwortung und Auftrag“ (20/13614) fand dagegen keine Mehrheit, während zwei AfD-Anträge zur „Erinnerung an die kommunistische Gewaltherrschaft in Deutschland“ (20/13622) und zu „staatlich organisiertem Kindesraub“ in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR (20/13621) zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen wurden. Beim ersten Antrag ist der Rechtsausschuss federführend, beim zweiten der Ausschuss für Kultur und Medien.
Angenommener Antrag von SPD, Grünen und FDP
In dem Bundestagbeschluss zu „35 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ wird konstatiert, dass „im geeinten Deutschland noch keine gemeinsame Erzählung zu diesen für unser Land so wichtigen Ereignissen und Geschehnissen gefunden“ worden sei.
Es bleibe aber festzuhalten und „für das Selbstverständnis der ehemaligen DDR-Bürger von großer Bedeutung zu verstehen, dass Friedliche Revolution und Deutsche Einheit nicht ein Schicksal waren, das sie ereilte, sondern sie selbst Subjekt und Handelnde in diesem für das vereinte Deutschland und Europa so wichtigen Prozess waren“.
SPD betont „Selbstdemokratisierung der Ostdeutschen“
In der Debatte hob Katrin Budde (SPD) hervor, dass der Weg zur Einheit über die „Selbstdemokratisierung der Ostdeutschen“ geführt habe. Sie verwahrte sich zugleich dagegen, dass die Hoffnungen und Arbeit der Demonstranten von 1989 heute von „rechtsnationalen Kräften“ missbraucht würden.
Union gegen Gleichsetzung mit heutigen Protesten
Dr. Christiane Schenderlein (CDU/CSU) wandte sich gegen Vergleiche zwischen der Freiheitsbewegung von 1989/90 und „heutigen Protestbewegungen in unserem Land“. Nicht umsonst wehrten sich DDR-Bürgerrechtler gegen eine Gleichsetzung der Friedlichen Revolution mit rechten Protestbewegungen.
Grüne warnen vor „Erinnerungs-Bullerbü“
Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) wies Versuche zurück, „die DDR-Diktatur im Rückblick in ein Erinnerungs-Bullerbü zu verwandeln“. Wer etwa behaupte, die DDR sei „friedlicher“ gewesen, verrate das Erbe der Friedlichen Revolution, betonte sie.
FDP moniert „geschichtsvergessene Vergleiche“
Linda Teuteberg (FDP) mahnte, nicht „geschichtsvergessene Vergleiche“ zu ziehen. So würden echte Diktaturen mit Begriffen wie etwa „Corona-Diktatur“ verharmlost.
AfD nennt „Brandmauer“ respektlos
Dr. Götz Frömming (AfD) kritisierte demgegenüber, wenn heute gegenüber seiner Partei eine „Brandmauer“ gezogen werde, sei dies respektlos gegenüber ihren ostdeutschen Wählern. Auch diese Mauer müsse fallen, fügte er hinzu.
Abgelehnter Antrag der Union
Die CDU/CSU-Fraktion würdigt in ihrem abgelehnten Antrag (20/13614) den „Sturz der Berliner Mauer am 9. November 1989 durch die Menschen im Osten Deutschlands“ als eines der „glücklichsten Ereignissen der deutschen Geschichte“. Die Friedliche Revolution von 1989/1990 bleibe beispiellos, heißt es weiter. Jegliche vereinnahmenden Vergleiche mit heutigen Protestbewegungen seien geschichtsvergessen „und verbieten sich“.
Den Menschen, die in der SED-Diktatur aus Überzeugung und unter Einsatz ihres Lebens oder Inkaufnahme von Repressionen Widerstand geleistet haben, gebühre Hochachtung und Wertschätzung. Noch immer litten viele Opfer unter den Folgen von politischer Verfolgung, Zersetzung und Repression. Und noch immer gebe es gesetzgeberischen Handlungsbedarf zur Verbesserung der Anerkennung und persönlichen Situation der Opfer. Zugleich mahnte die Fraktion, dass die Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Erhalt einer dezentralen Erinnerungslandschaft ein „Schwerpunkt unserer Erinnerungskultur bleiben“ müsse.
Erster Antrag der AfD
Im ersten überwiesenen Antrag (20/13621) fordert die AfD-Fraktion die Bundesregierung unter anderem auf, ein Forschungsförderungsprogramm in Höhe von fünf Millionen Euro aufzulegen, um die personellen Kontinuitäten in den Jugendämtern, Familiengerichten und allen an den Adoptionen in der DDR und davor in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) beteiligten Institutionen und Organisationen zu untersuchen.
Die Zusammenarbeit mit der SED-Opferbeauftragten und Vereinen wie der Interessengemeinschaft gestohlene Kinder der DDR und dem Verein zur Aufklärung des DDR-Unrecht & ungeklärtem Säuglingstod zu stärken, um Opfer von Kindesraub in der DDR und SBZ zu unterstützen.
Zweiter Antrag der AfD
Im zweiten überwiesenen Antrag (20/13622) fordert die AfD die Bundesregierung unter anderem auf, den Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953 zu einem Feiertag zu erheben und zu prüfen, welcher Feiertag im Zuge der Einführung des 17. Juni als Feiertag zum Gedenktag umgewandelt werden kann. Am Tag des Mauerbaus, den 13. August 1961, solle der Opfer der politischen Verfolgung besonders gedacht werden. In Zusammenarbeit mit den Ländern solle vor allem Zeitzeugen und Opfern politischer Verfolgung an Schulen, Universitäten und Kultureinrichtungen Gehör gegeben werden.
Die bisherige Umsetzung der Gedenkstättenkonzeption des Bundes solle in Bezug auf ihre Wirksamkeit und die gesteckten Ziele bei der Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur in Deutschland überprüft werden, heißt es weiter. Auch solle die Regierung darauf hinwirken, dass der Bau des Mahnmals für die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft in Deutschland am Standort Spreebogenpark begonnen und abgeschlossen wird. Im Gestaltungswettbewerb sollte laut AfD sichergestellt werden, dass die verschiedenen Opfergruppen in der Gestaltung des Mahnmals besonders gewürdigt und im Dokumentationszentrum mit Zahlen, Daten und Fakten benannt werden. (sto/mtt/vom/08.11.2024)