Parlament

Festakt zum 60. Jubiläum der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages

Bei einem Festakt aus Anlass des 60. Jubiläums der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages am Sonntag, 22. Januar 2023, haben die Präsidentin der Assemblée nationale, Yaël Braun-Pivet, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, Bundeskanzler Olaf Scholz sowie der französische Staatspräsident Emmanuel Macron die große Bedeutung der deutsch-französischen Zusammenarbeit zur Bewältigung der großen Aufgaben unserer Zeit betont. „Unsere Freundschaft steht für eine Friedensordnung, die auf den Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen beruht“, sagte Bundeskanzler Scholz während der Veranstaltung im Amphitheater der Pariser Universität Sorbonne. Präsident Macron nannte die deutsch-französische Freundschaft „ein tägliches Plebiszit“. Diese Freundschaft dürfe nie aufhören, machte er deutlich. Gleichzeitig sicherten die beiden Staatschefs sowie die Parlamentspräsidentinnen der Ukraine zu, Europa stehe fest und unverbrüchlich zu dem Land. „Wir werden der Ukraine beim Wiederaufbau und beim Weg in die Europäische Union helfen“, betonte Bundestagspräsidentin Bas.

Bas: Beispiellose Aussöhnung zwischen zwei Nationen

Bärbel Bas steht hinter einem Redenpult mit den Fahnen Deutschlands, Frankreichs und der EU im Hintergrund

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas während ihrer Rede beim Festakt in der Sorbonne (© DBT/Marco Urban)

Bas hatte zuvor Charles de Gaulle und Konrad Adenauer, Alfred Grosser und Carlo Schmid dafür gedankt, nach dem Zweiten Weltkrieg die Verständigung zwischen Deutschen und Franzosen vorangetrieben zu haben. „Ich verneige mich mit tiefer Dankbarkeit und Respekt vor allen Menschen, die sich für die Überwindung der Feindschaft und den Aufbau dieser Freundschaft unserer Länder engagiert haben“, sagte Bas. Vor 60 Jahren sei die Grundlage für eine tiefe Freundschaft gelegt worden. „Eine Freundschaft, die zum Motor der europäischen Einigung wurde“, sagte die Bundestagspräsidentin. Zwar komme der Begriff „Versöhnung“ im Élysée-Vertrag nicht vor. Gleichwohl stehe er aber für eine beispiellose Aussöhnung zwischen zwei Nationen und für einen neuen Geist der Verständigung.

Die Bundestagspräsidentin erinnerte daran, dass 1963 der Zweite Weltkrieg, „und damit das Leid, das Deutschland über Europa brachte“, erst 18 Jahre zurückgelegen habe. Die Aussöhnung habe „Mut, Menschlichkeit und Großherzigkeit“ verlangt.

Bundestagspräsidentin sieht Parlamente in Verantwortung

Europa brauche das deutsch-französische Tandem, sagte Bas. „Unsere Parlamente stehen hier in einer besonderen Verantwortung“, betonte sie. Erst recht in einer Zeit, in der Demokratien unter Druck stünden und das Vertrauen vieler Bürger in die Politik in besorgniserregender Weise schwinde. „Die Demokratie ist so stark wie ihre Parlamente“, sagte die Bundestagspräsidentin. Deshalb sei es ihr so wichtig, dass die deutsch-französische parlamentarische Zusammenarbeit weiter vertieft wird und so gemeinsame Positionen erarbeitet werden. Mit Präsidentin Braun-Pivet habe sie eine gemeinsame Erklärung zum Jubiläum erarbeitet. „Wir wollen unsere parlamentarische Zusammenarbeit weiter stärken und deutsch-französische Lösungen suchen, die den europäischen Integrationsprozess fördern“, sagte Bas.

Braun-Pivet: Enge Freundschaft als Gegengift gegen Nationalismus

Mit der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages hätten Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer und der französische Staatspräsident Charles de Gaulle „für sechs Jahrzehnte Eintracht und Frieden gesorgt“, sagte die Präsidentin der Assemblée nationale, Yaël Braun-Pivet. Im aktuellen Kontext sei die deutsch-französischer Freundschaft ein wertvolles Gut.

Immer öfter gebe es populistische und fremdenfeindliche Reden, „die weh tun“ und die ihre Folgen auch im Krieg in der Ukraine zeigten. „Unsere Verantwortung ist es nun, diese destruktiven Kräfte zu vertreiben“, sagte Braun-Pivet. Die deutsch-französische Freundschaft sei das Gegengift gegen Nationalismus und Expansionismus.

Scholz: Franzosen haben Hand zur Versöhnung gereicht

Die Deutschen, so Bundeskanzler Scholz, blickten bewegt auf die Größe des französischen Volkes, das „alle berechtigten Zweifel zum Trotz“, nach dem Zweiten Weltkrieg „die Hand zur Versöhnung gereicht hat“. Diese historische Versöhnungsgeste habe am Beginn der europäischen Einigung gestanden. „Wir Deutsche empfinden dafür tiefen Dankbarkeit“, sagte Scholz.

Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine betonte der Bundeskanzler: „Putins Imperialismus wird nicht siegen.“ Eng abgestimmt „mit unseren amerikanischen Freunden“ würden die Europäer die Ukraine weiterhin so umfassend wie nötig unterstützen, „zur Verteidigung unsere europäischen Friedensprojektes“. Scholz attestierte der Ukraine, zur europäischen Familie zu gehören – ebenso wie die sechs West-Balkan-Staaten. Sie alle hätten einen Platz in einer erweiterten Europäischen Union. Bis dahin, so Scholz, sei es aber noch ein weiter Weg. Die Handlungsfähigkeit einer erweiterten Europäischen Union müsse auch durch institutionelle Reformen abgesichert werden. 

Macron: Unterzeichnung des Élysée-Vertrages „große Geste des Mutes“

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron nannte die Unterzeichnung des Élysée-Vertrages vor 60 Jahren eine „große Geste des Mutes“. Erbittertste Feinde seien so engste Verbündete geworden. Damit seien die Türen für eine neue Zukunft Deutschlands, Frankreichs, Europas und damit auch der Welt geöffnet worden. „Wir sind die Erben dieses Mutes und schulden es diesen Gründern, der nächsten Generation den Weg zu lehren und den Sieg der Freundschaft zu erklären,“ sagte Macron. Auch der französische Staatspräsident machte deutlich, dass die „unerschütterliche Unterstützung“ für die Ukraine fortgesetzt werde. Es sei die Verantwortung Deutschlands und Frankreichs, den Zusammenhalt der gesamten europäischen Familie zu stärken.

An die zum dem Festakt geladenen Jugendlichen gerichtet, sagte Macron. „Sie können auf uns zählen. Wir werden die deutsch-französische Freundschaft weiterhin zu einem der Lebensbäume der europäischen Souveränität machen, damit auch Sie später dieses geschichtliche Erbe feiern können.“ Der französische Staatspräsident schloss mit den Worten: „Es lebe die deutsch-französische Freundschaft. Es lebe Europa!“ (hau/22.01.2023)