Petitionen

Fraktionen ziehen unter­schiedliche Schlüsse aus dem Petitionsbericht 2023

Der Bundestag hat am Donnerstag, 27. Juni 2024, den Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses für das Jahr 2023 (20/11600) beraten. Der Bericht war einen Tag zuvor am Mittwoch, 26. Juni, an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas übergeben worden. Die Unterstützung der Bundestagspräsidentin für die Arbeit des Petitionsausschusses war allen Abgeordneten bei der Aussprache einen Dank wert. 

Damit endeten aber die Übereinstimmungen zwischen Opposition und Koalition auch schon. Insbesondere die von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP am Vortag verabschiedete Reform des Petitionswesens wurden unterschiedlich bewertet. Auf Betreiben der Koalitionsfraktionen wird das für eine öffentliche Beratung einer Petition erforderliche Quorum von bislang 50.000 Unterstützerinnen und Unterstützer auf 30.000 abgesenkt. Die Frist zur Mitzeichnung von Petitionen wird von vier auf sechs Wochen verlängert.

Stamm-Fibich: Ampel hat Reformprozess angestoßen

Die Vorsitzende des Petitionsausschusses, Martina Stamm-Fibich (SPD), erinnerte bei der Vorstellung des Tätigkeitsberichtes, demzufolge 2023 11.410 Petitionen 1.832  weniger als im Vorjahr den Ausschuss erreicht haben, an die letzte Reform des Petitionswesens vor 20 Jahren. Damals seien unter Rot-Grün die E-Petitionen eingeführt worden „und damit unsere öffentlichen Sitzungen“. 

In den folgenden 16 Jahren mit einer unionsgeführten Bundesregierung sei hingegen nichts passiert. „Mehr als das Verwalten des Status quo war mit Ihnen leider nicht zu machen“, sagte die SPD-Abgeordnete an die Union gewandt. Erst die neue Koalition habe über einen Wandel nachgedacht und einen Reformprozess angestoßen, „der Petitionen schneller, besser und bürgerfreundlicher machen soll“. 

Grüne: Schneller, transparenter, öffentlicher und wirksamer

Corinna Rüffer (Bündnis 90/Die Grünen) lobte die Reform ebenfalls. Schneller, transparenter, öffentlicher und wirksamer sollten die Petitionsverfahren dadurch werden, sagte sie. „Wir haben es nach 20 Jahren geschafft, endlich wieder Marken zu setzen, die den Weg in Richtung Bürgerfreundlichkeit weisen.“ Wie andere Abgeordnete auch, lobte Rüffer die Bundestagspräsidentin. Bas sei eine derjenigen, „die die harte Arbeit im Ausschuss wirklich zu schätzen weiß“. 

Die Grünen-Abgeordnete rief zu einem Zusammenrücken der Gesellschaft auf, um den aktuellen Herausforderungen begegnen zu können. „Wir alle sind Teil einer Gemeinschaft und haben den Auftrag, bestmöglich dafür zu sorgen, dass wir gemeinsam in eine gute Zukunft kommen“, sagte sie. Der Petitionsausschuss werde seinen Beitrag dazu leisten. 

Union fordert wirkliche Reform des Petitionsrechtes

Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) sprach mit Blick auf die von der Ampel vorgenommenen Änderungen der Verfahrensgrundsätze von einem Placebo. Benötigt werde eine wirkliche Reform des Petitionsrechtes, „die den Namen verdient und die die Petenten stärkt“. Das Absenken des Quorums für öffentliche Sitzungen helfe aber den Petenten „überhaupt nicht“, sagte Mattfeldt. Die Union schlage vor, den Berücksichtigungsvoten des Ausschusses zu mehr Durchsetzung zu verhelfen. 

Es sei aktuell leider so, dass die Regierung selbst höchste Voten nicht umsetze – „mit lapidaren Begründungen, weil sie es schlichtweg nicht will“. Eine Regierung habe aber dem Parlament zu folgen „und nicht umgekehrt“, betonte der Unionsabgeordnete und forderte einen Automatismus, dass sich das jeweilige Ministerium gegenüber dem Ausschuss erklären muss, weshalb es die Voten nicht umsetzt. Das, so Mattfeldt, wäre tatsächlich ein Paradigmenwechsel.

SPD: Ideen und Meinungen der Menschen sind wichtig

2.000 Petitionen weniger als im Vorjahr müssten zu denken geben, sagte Axel Echeverria (SPD). Die Ampelparteien hätten schon im Koalitionsvertrag vereinbart, das Petitionswesen zu modernisieren. „Immer wenn die progressiven Kräfte hier im Haus die Mehrheit hatten, haben wir das Petitionsrecht erneuert“, sagte der SPD-Abgeordnete. 

Die Union habe hingegen auch dieses Mal die Möglichkeit verpasst, die historischen Veränderungen zu unterstützen. Mit der Quorumabsenkung werde das klare Signal an die Menschen in der Republik gesendet: „Ja, die Ideen und Meinungen der Menschen sind uns wichtig. Wir wollen mit Ihnen diese diskutieren.“ 

Wenn die Union hier von einem Placebo rede, liege sie ganz weit daneben. Echeverria kündigte zugleich an, sich künftig eine Ablehnung eines einstimmigen Votums des Ausschusses ganz genau anzusehen. Es dürfe nicht sein, dass die Bundesregierung einstimmige Beschlüsse des Parlaments „mit einigen kurzen Zeilen zur Seite wischt“. 

AfD:  Interesse an der Politik ist vorhanden

Dirk Brandes (AfD) machte darauf aufmerksam, dass die Zahl der Petitionen zwar gesunken, die Mitzeichnungen jedoch angestiegen seien. „Glücklicherweise ist also noch Interesse an der Politik vorhanden“, resümierte er. Der Petitionsausschuss, so Brandes weiter, erfahre, was die Bürger bewegt. Zahlreiche Eingaben hätten sich kritisch mit den Abgeordnetenvergütungen, der „GEZ-Abzocke“ und einer Aufarbeitung des „Corona-Wahnsinns“ auseinandergesetzt.

Ein weiteres Thema in den Petitionen sei der Zerfall der inneren Sicherheit in Deutschland. Beleg dafür seien auch Aussagen vieler angereister Fußballfans, die Deutschland von der WM 2006 kennen und nun zu der Erkenntnis gekommen seien, „dass der Zustand in Deutschland 2024 nichts mehr mit dem Sommermärchen 2006 zu tun hat“. Das sei traurig, „aber eine Realität“, sagte Brandes. 

FDP: Petitionsausschuss ist letzter Strohhalm

Bürgerinnen und Bürger könnten sich sowohl mit Anregungen für Gesetze, aber auch mit Beschwerden über konkretes Verwaltungshandeln an den Petitionsausschuss wenden, sagte Manfred Todtenhausen (FDP), der die Reform begrüßte. Allen Petentinnen und Petenten sei Respekt für ihr Engagement zu zollen, befand er. Das gelte für ihn unabhängig davon, ob die jeweilige Petition von seiner Fraktion unterstützt wird. 

Ganz besonders wichtig seien ihm die persönlichen Anliegen von Menschen, „für die der Petitionsausschuss der letzte Strohhalm ist“, sagte Todtenhausen. Das gelte, wenn den Menschen Unrecht widerfahren ist, aber auch, wenn sie nur das Gefühl hätten, ungerecht behandelt worden zu sein. 

Gleichwohl könne nicht jedem geholfen werden, machte der FDP-Abgeordnete deutlich. „Wir können aber unser Bestes tun, um diesen Menschen zumindest zuzuhören und jedes Anliegen mit gleicher Ernsthaftigkeit zu würdigen.“ 

11.410 Petitionen erreichten den Ausschuss 2023

Im Jahr 2023 sind 11.410 Petitionen beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages eingereicht worden. Die Gesamtzahl der Petitionen ist damit im Vergleich zu 2022 gesunken (minus 1.832). Die meisten Eingaben bezogen sich auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (1.516). 2022 lag die Zahl bei 1.390 Petitionen. 1.506 Zuschriften richteten sich an den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums des Innern und für Heimat 215 mehr als 2022. Den Bereich des Bundesgesundheitsministeriums betrafen 1.195 Petitionen 898 weniger als im Vorjahr. 

Laut dem Bericht ergibt sich bei 251 Werktagen ein täglicher Durchschnitt von etwa 46 Zuschriften. 4.756 und damit mehr als ein Drittel davon seien auf elektronischem Wege, also als Web-Formular über www.bundestag.de, eingegangen. „Mit derzeit etwa fünf Millionen Nutzerinnen und Nutzer zählt das Petitionsportal weiterhin zu den beliebtesten Internetangeboten des Deutschen Bundestages“, schreibt der Petitionsausschuss. Es könne nicht nur für die Eingabe von Petitionen genutzt werden, sondern ermögliche es auch, veröffentlichte Petitionen elektronisch mitzuzeichnen und gemeinsam mit anderen zu diskutieren.

Im Berichtszeitraum haben sich der Vorlage zufolge 491.639 Nutzerinnen und Nutzer auf dem Portal des Petitionsausschusses neu registriert (2022: 600.000), um eine Petition einzureichen, im Petitionsforum zu diskutieren oder bestimmte Petitionen durch eine Mitzeichnung zu unterstützen. Zu den im Jahr 2023 eingegangenen Petitionen seien insgesamt 1,59 Millionen Unterstützungen sowohl schriftlich als auch elektronisch über die Petitionsplattform - verzeichnet worden (2022: 937.513). 

Bundestag hebt Immunität von Petr Bystron auf

Der Bundestag hatte die Debatte zum Tätigkeitsbericht unterbrochen und die Genehmigung zum Vollzug gerichtlicher Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse gegen den Bundestagsabgeordneten Petr Bystron (AfD) erteilt.

Mit der breiten Mehrheit des Plenums bei Enthaltung der AfD-Fraktion wurde eine entsprechende Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (20/11925) angenommen, in der auf zwei Schreiben des Bundesministeriums der Justiz vom 19. Juni 2024 und vom 24. Juni 2024 verwiesen wird. (hau/eis/27.06.2024)

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