Wächterin der Wahl und „Zulassungsstelle“
Sie ist die oberste Wächterin über die Bundestagswahl, aber ihre Arbeit findet nur selten im Licht der Öffentlichkeit statt: die Bundeswahlleiterin. Wenn die Wählerinnen und Wähler nächstes Jahr Ende September ihre Kreuze gemacht haben, die Wahllokale geschlossen und die Stimmen ausgezählt sind, kommt ihre große Stunde: In der Wahlnacht wird sie vor die Fernsehkameras treten und das vorläufige amtliche Endergebnis bekanntgeben.
Doch ihre Aufgaben sind wesentlich umfassender: Die Bundeswahlleiterin ist nicht nur für den reibungslosen Ablauf der Bundestagswahl verantwortlich, sie klärt auch alle rechtlichen und organisatorischen Fragen im Vorfeld der Wahl.
Klar festgelegte Verfahren
Wenn der Deutsche Bundestag gewählt wird, dann passiert das nach einem ganz klar festgelegten Verfahren: Die Abläufe sind, von der Wahlvorbereitung zum Wahlakt, über die Feststellung des Ergebnisses bis hin zur Mandatsannahme durch die Gewählten, im Bundeswahlgesetz und in der Bundeswahlordnung geregelt. Die Leitung und die Aufsicht über die Abläufe haben die unabhängigen Wahlorgane.
Ein solches Wahlorgan ist die Bundeswahlleiterin. Sie ist gemeinsam mit dem Bundeswahlausschuss für die Organisation der Bundestags- und Europawahlen zuständig, hinzu kommen die Landeswahlleiter und Landeswahlausschüsse sowie die Kreiswahlleiter mit ihren Wahlausschüssen, die im Übrigen auch für Landtags- und für Kommunalwahlen die Verantwortung tragen.
Bundeswahlleiterin seit 2023: Dr. Ruth Brand
Der Bundeswahlleiter oder die Bundeswahlleiterin ist aber nicht nur ein Wahlorgan, sondern auch eine Person: Sie heißt Dr. Ruth Brand und hat am 1. Januar 2023 das Amt von ihrem Vorgänger Dr. Georg Thiel übernommen. Wie schon ihre Vorgänger wurde die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin von der Bundesinnenministerin auf unbestimmte Zeit ernannt. Und wie alle zwölf Bundeswahlleiter (elf Männer und eine Frau) vor ihr ist auch Brand Präsidentin des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden.
Seit der Gründung der Bundesrepublik 1949 werden diese beiden Ämter stets miteinander gekoppelt. Eine Tradition, die aber noch älter ist: Schon bei den Reichstagswahlen in der Weimarer Republik war der Präsident des Statistischen Reichsamtes auch Reichswahlleiter. Die Ähnlichkeit der Aufgaben und vor allem die technischen Möglichkeiten, über die der oberste Statistiker verfügte, hatten sich schon damals als vorteilhaft erwiesen.
Service für die Bürger
Seine Aufgabe sei im Grunde „ein Service“ für die Wähler, so umriss Johann Hahlen – der Bundeswahlleiter von 1995 bis 2007 – einmal seine Arbeit. In der Tat ist der Bundeswahlleiter oder die Bundeswahlleiterin nicht Teil einer staatlichen Behörde, sondern eine Einrichtung der gesellschaftlichen Selbstorganisation und überwacht somit im Namen der Allgemeinheit den ordnungsgemäßen Ablauf der Wahl.
So ist die Bundeswahlleiterin auch diejenige, die Beschwerden gegen Entscheidungen von Landeswahlausschüssen annimmt und die Entscheidung des Bundeswahlausschusses vorbereitet. Gemeinsam mit ihrem Team und in Absprache mit den Landes- und Kreiswahlleitern organisiert sie die Bundestagswahl.
Koordinatorin der Wahl
Brand bildet zunächst den Bundeswahlausschuss, der neben ihr als Vorsitzender aus acht Wahlberechtigten als Beisitzern und zwei Richtern oder Richterinnen des Bundesverwaltungsgerichts besteht. Den Löwenanteil der Vorbereitungen übernehmen jedoch die Landeswahlleiter und die Gemeinden: Sie erstellen die Wählerverzeichnisse, versenden Wahlbenachrichtigungen und richten Wahllokale ein.
Der Bundeswahlleiterin kommt hier eine wichtige Koordinierungs- und Kontrollfunktion zu: Sie klärt organisatorische Fragen oder löst rechtliche Probleme, die nahezu vor jeder Wahl auftreten.
„Zulassungsstelle“ für Parteien
Darüber hinaus ist die Bundeswahlleiterin nicht nur Ansprechpartnerin für die Landes- und Kreiswahlleiter, sondern auch für die Bürger, die selbst politisch aktiv werden wollen. Wer plant, eine Partei zu gründen und bei der Wahl teilzunehmen, wird mit der Bundeswahlleiterin Kontakt aufnehmen. Sie ist nämlich diejenige, die die offizielle Anzeige über die Beteiligung zur Wahl prüft und entscheidet, ob eine Partei zugelassen wird.
Dafür gibt es vor allem zwei Voraussetzungen: Die Partei hat sich zum einen wirklich an der Willensbildung in einem Parlament beteiligen zu wollen, zum anderen muss sie Mitglieder nachweisen können und in der Öffentlichkeit präsent sein.
Eine inhaltliche Kontrolle über die innere Ordnung der Parteien übt die Bundeswahlleiterin jedoch nicht aus. Sie prüft nur die Mindestanforderungen, die das Parteiengesetz stellt, denn schließlich ist die Gründung von Parteien nach Artikel 21 Absatz 1 des Grundgesetzes frei.
Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses
Nach dem Schließen der Wahllokale kommt die große Stunde der Bundeswahlleiterin: Sie gibt öffentlich das vorläufige amtliche Endergebnis bekannt. Doch beendet ist ihre Aufgabe damit noch nicht. Während sich Politik und Öffentlichkeit schon mit den Konsequenzen der Wahl beschäftigen, geht hinter den Kulissen die Arbeit weiter. So müssen vor allem die Ergebnisse der Landeslistenwahl ermittelt werden, damit klar ist, wer über sie in den Bundestag einziehen kann.
Etwa zwei Wochen später steht schließlich das amtliche Endergebnis fest und kann veröffentlicht werden. Dann ist auch für die Bundeswahlleiterin die Wahl vorbei und sie kann sich ihrer eigentlichen Tätigkeit widmen: Der Leitung des Statistischen Bundesamts. Bis zur nächsten Wahl. (sas/irs/25.09.2024)