Geschichte

Zeitenwende und Haushaltsprobleme (2021 bis 2025)

Alterspräsident Wolfgang Schäuble während seiner Rede zur Eröffnung der konstituierenden Sitzung des 20. Deutschen Bundestages am 26. Oktober 2021
Bärbel Bas mit einem Blumenstrauß in der Hand, neben ihr Olaf Scholz.
Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Regierungserklärung, am Sonntag, 27 Februar 2022, hinter dem Rednerpult im Plenum des Deutschen Bundestages
Der britische Königs Charles III. während seiner Ansprache am Rednerpult im Plenarsaal des Bundestages.
Wolodymyr Selenskyj steht hinter dem Rednerpult und spricht
Die Abgeordnete Sahra Wagenknecht (BSW) in einem blauen Kostüm steht am Rednerpult im Plenarsaal des Bundestages und spricht ins Mikrofon.
Blick in den Plenarsaal: Abgeordnete mit hochgestreckten, winkenden Händen. Am Rednerpult steht die SPD-Abgeordnete Heike Heubach.

Bild 1 von 7

Alterspräsident Wolfgang Schäuble (CDU/CSU) warb in seiner Eröffnungsrede der konstituierenden Sitzung des 20. Deutschen Bundestages am 26. Oktober 2021 für ein „selbstbewusstes Parlament“. (© DBT/Henning Schacht)

Bild 2 von 7

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz gratuliert Bärbel Bas zur Wahl als Bundestagspräsidentin; links der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich, dahinter die SPD-Abgeordneten Katja Mast, Matthias Miersch, Gabriele Katzmarek und Carsten Schneider während der konstituierenden Sitzung des 20. Deutschen Bundestages am 26. Oktober 2021. (© DBT/Henning Schacht)

Bild 3 von 7

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) während seiner Regierungserklärung zur aktuellen Lage in der Sondersitzung des Bundestages am Sonntag, 27. Februar 2022. (© DBT/Xander Heinl/photothek)

Bild 4 von 7

Der britische König Charles III. erneuerte in einer Ansprache vor dem Deutschen Bundestag am 30. März 2023 „das Bekenntnis zur Freundschaft unserer Länder“. (© DBT/Thomas Imo/photothek)

Bild 5 von 7

Wolodymyr Selenskyj während seiner Rede vor dem Plenum des Bundestages (© DBT/Marc Beckmann)

Bild 6 von 7

Sahra Wagenknecht, Abgeordnete des von ihr gegründeten Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW), während der Aussprache zur Vertrauensfrage des Bundeskanzlers am 16. Dezember 2024 im Bundestag (© DBT/Thomas Köhler/photothek)

Bild 7 von 7

Stiller Applaus während der ersten Rede der gehörlosen SPD-Abgeordneten Heike Heubach in Gebärdensprache am 10. Oktober 2024. (© DBT/Ute Grabowsky/photothek)

Die 20. Wahlperiode des Deutschen Bundestages war die dritte, die keine vier Jahre dauerte. Zuvor waren nur die sechste (1969 bis 1972) und die 15. Wahlperiode (2002 bis 2005) durch vorgezogene Neuwahlen beendet worden. Am 6. November 2024 war es zum Bruch der sogenannten Ampelkoalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gekommen, mit der anschließenden Bundestagswahl am 23. Februar 2025 änderten sich die Machtverhältnisse so, dass erneut die Bildung einer Koalition aus CDU/CSU und SPD nahelag, wie sie schon von 2013 bis 2021 unter Führung von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) bestanden hatte.

SPD stellt Bundestagspräsidentin und Kanzler

Die vorangegangene 19. Wahlperiode war in ihrer zweiten Hälfte geprägt von der Bewältigung der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021. Als der 20. Deutsche Bundestag am 26. September 2021 gewählt wurde, hatte die Kanzlerin nach 16 Jahren im Amt ihren Rückzug aus der aktiven Politik bereits angekündigt. Die Pandemie war noch nicht überwunden, aber im Abklingen begriffen. 

Bei der Wahl setzte sich die SPD mit 25,7 Prozent knapp vor den beiden Unionsparteien mit zusammen 24,1 Prozent an die Spitze und stellte mit dem vormaligen Finanzminister Olaf Scholz auch den neuen Bundeskanzler. An der Spitze des Parlaments räumte Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU), Bundestagspräsident der 19. Wahlperiode, seinen Platz für die Duisburger SPD-Abgeordnete Bärbel Bas, die nach Annemarie Renger und Rita Süssmuth die dritte Frau im zweithöchsten Staatsamt wurde. Schäuble, Abgeordneter seit 1972, starb während der Wahlperiode am 26. Dezember 2023 im Alter von 81 Jahren und wurde am 22. Januar 2024 mit einem Staatsakt im Bundestag geehrt. 

Erstmals seit 1961 war mit Stefan Seidler wieder ein Abgeordneter des Südschleswigschen Wählerverbandes, der Partei der dänischen und friesischen Minderheit, im Bundestag vertreten. Eine echte Premiere folgte am 10. Oktober 2024: Die gehörlose SPD-Abgeordnete Heike Heubach hielt ihre erste Rede im Plenum in Gebärdensprache. Sie wurde von einer Simultandolmetscherin für die Abgeordneten in gesprochene Sprache übersetzt.

Linksfraktion spaltet sich in zwei Gruppen 

Die Ampelregierung wurde am 8. Dezember 2021 vereidigt. Im Plenarsaal mussten die Unionsabgeordneten die Plätze mit den FDP-Abgeordneten tauschen und saßen nun direkt neben der ganz rechts platzierten AfD. Die Linke als dritte Oppositionsfraktion überstand die Wahlperiode nicht, sondern löste sich aufgrund interner Differenzen am Nikolaustag 2023 auf. Ihre fraktionslos gewordenen Abgeordneten formierten sich am 2. Februar 2024 zur Gruppe Die Linke einerseits und zur Gruppe Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) andererseits (20/10219, 20/10220). Zehn Abgeordnete hatten Die Linke verlassen und sich der am 8. Januar 2024 neu gegründeten BSW-Partei angeschlossen. 

Viel Zeit zur Einarbeitung blieb der neuen Regierung nicht: In den  Morgenstunden des 24. Februar 2022 ließ der russische Präsident Wladimir Putin Truppen ins Nachbarland Ukraine einmarschieren. 77 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sah sich Europa wieder mit einem Angriffskrieg konfrontiert. 

Kanzler verkündet die Zeitenwende

Der Kanzler reagierte schnell: Vor dem kurzfristig zu einer Sondersitzung am Sonntag, 27. Februar 2022, einberufenen Bundestag gab Olaf Scholz eine Regierungserklärung „zur aktuellen Lage“ ab. Darin sagte der Kanzler: „Wir erleben eine Zeitenwende. Und das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor.“ Bundestagspräsidentin Bas bekräftigte: „Der Deutsche Bundestag und die Menschen in unserem Land stehen fest an der Seite der freien und demokratischen Ukraine.“ 

Am 28. April 2022 billigte der Bundestag mit 586 Ja-Stimmen bei 100 Gegenstimmen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine (20/1550). Das vom Kanzler in seiner Regierungserklärung angekündigte 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr verabschiedete er am 3. Juni 2022 mit 593 Ja-Stimmen bei 80 Gegenstimmen und sieben Enthaltungen (20/1409, 20/2090).

Unterstützung für die Ukraine

Zuvor hatte sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am 17. März 2022 aus der umkämpften Hauptstadt Kyjiw direkt in den Plenarsaal des Bundestages zuschalten lassen, im olivgrünen Hemd neben der ukrainischen Flagge: „Helfen Sie uns, diesen Krieg zu stoppen“, appellierte er an den Kanzler. Die Abgeordneten, die sich bei seinem Erscheinen auf der Leinwand von den Plätzen erhoben hatten, rief er zu mehr Unterstützung auf. 

Gut zwei Jahre später, am 11. Juni 2024, sprach Selenskyj persönlich im Bundestag, um Deutschland für die Unterstützung seines Landes und die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge zu danken. Wieder gab es langanhaltenden Beifall von den Abgeordneten, allerdings nicht von allen: Die BSW-Gruppe und die meisten AfD-Abgeordneten blieben der Sitzung fern. Ein Verhalten, das bei den übrigen Fraktionen scharfe Kritik nach sich zog.

Selenskyj war nicht das einzige ausländische Staatsoberhaupt, das in der 20. Wahlperiode im Bundestag sprach. Der neue britische König Charles III. erneuerte in einer Ansprache vor dem Deutschen Bundestag am 30. März 2023 „das Bekenntnis zur Freundschaft unserer Länder“.

Kindergrundsicherung, Wahlrecht, Bürgergeld

Dominierte der Ukraine-Krieg also die Außen- und Sicherheitspolitik der 20. Wahlperiode, so tat sich die Ampelkoalition mit einigen innenpolitischen Projekten schwer. Die im Koalitionsvertrag geplante Kindergrundsicherung scheiterte an der fehlenden Einigung über die Finanzierung. Zustande kam hingegen eine Reform des Wahlrechts, die von einer eigens eingesetzten Wahlrechtskommission aus Abgeordneten und Sachverständigen vorbereitet wurde. Der 20. Deutsche Bundestag war mit anfangs 736 Abgeordneten aufgebläht wie nie. Die am 17. März 2023 mit Koalitionsmehrheit beschlossene Änderung des Bundeswahlgesetzes (20/5370, 20/6015) begrenzte die Zahl der Abgeordneten auf 630, verzichtete auf Überhang- und Ausgleichsmandate und nahm in Kauf, dass Wahlkreissieger bei fehlender Zweitstimmendeckung nicht ins Parlament einziehen. 

Die Einführung des Bürgergeldes beschloss der Bundestag am 10. November 2022. Die fehlende Zustimmung des Bundesrates machte allerdings ein Vermittlungsverfahren erforderlich, das am 23. November erfolgreich abgeschlossen wurde (20/3873, 20/4360, 20/4466, 20/44467). Die am 1. Januar 2005 in Kraft getretene soziale Absicherung („Hartz IV“), wie sie die rot-grüne Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder als Herzstück der „Agenda 2010“-Reformen konzipiert hatte, gehörte damit der Vergangenheit an.

Energiepreisbremsen und Heizungsgesetz

Das Energiepreisniveau für Unternehmen und Verbraucher bezahlbar zu halten, stellte eine weitere Herausforderung dar. Aufgrund des Krieges stiegen die Kosten für Strom und Gas 2022 rasant an, was dazu führte, dass im Oktober die Inflation die Zehn-Prozent-Marke überstieg und damit den höchsten Stand seit 70 Jahren erreichte. Am 21. Oktober 2022 beschloss der Bundestag mit Koalitionsmehrheit einen „Abwehrschirm“ in Höhe von 200 Milliarden Euro, um die Folgen der verschärften Energielage abzufedern. „Doppelwumms“ nannte der Kanzler das kreditfinanzierte Hilfsprogramm (20/3937, 20/4094). Die Einführung einer Gas- und Strompreisbremse folgte mit Beschlüssen vom 15. Dezember 2022 (20/4683, 20/4911; 20/4685, 20/4915).

Dauerbrenner in der Mitte der Wahlperiode war jedoch der Streit um das sogenannte Heizungsgesetz, hinter dem sich eine von der Ampelkoalition gewollte Änderung des Gebäudeenergiegesetzes (20/6875) verbarg. Das Gesetz wurde schließlich in veränderter Fassung (20/7619) mit 397 gegen 275 Stimmen bei fünf Enthaltungen am 8. September 2023 verabschiedet. Für ab 2024 eingebaute Heizungen muss sichergestellt werden, dass ab 2029 mindestens 15 Prozent, ab 2035 mindestens 30 Prozent und ab 2040 mindestens 60 Prozent der Wärme aus Biomasse oder grünem oder blauem Wasserstoff einschließlich daraus hergestellter Derivate erzeugt wird. In das Gesetz aufgenommen wurde zudem eine Verzahnung mit der kommunalen Wärmeplanung.

Haushaltsurteil und Vertrauensfrage

Erschüttert wurde die Ampelkoalition ein knappes Jahr vor ihrem Auseinanderbrechen durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023. 197 Abgeordnete der Unionsfraktion hatten gegen die rückwirkende Änderung des Haushaltsgesetzes 2021 und des Bundeshaushaltsplans 2021 durch das am 27. Januar 2022 vom Bundestag verabschiedete Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 geklagt (20/300, 20/351, 20/400, 20/530, 20/401). 

Karlsruhe entschied, dass das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 mit der Schuldenregel des Grundgesetzes (Artikel 109 Absatz 3) sowie mit den Artikeln 110 Absatz 2 und 115 Absatz 2 des Grundgesetzes unvereinbar und damit nichtig ist (Aktenzeichen: 2 BvF 1 / 22). Die Entscheidung hatte zur Folge, dass sich der Umfang des Klima- und Transformationsfonds (KTF), eines Sondervermögens des Bundes, um 60 Milliarden Euro reduziert. Die Ampel hatte geplant, zur Corona-Bekämpfung nicht mehr benötigte Kreditermächtigungen in diesem Umfang in den KTF umzuleiten, um damit Maßnahmen der Energiewende zu finanzieren. Dem schob das Gericht einen Riegel vor.

Letztlich scheiterte die Koalition am Streit über den Haushalt 2025, der dann in der 20. Wahlperiode auch nicht mehr verabschiedet wurde. Am 11. Dezember 2024 stellte der Kanzler im Bundestag die Vertrauensfrage nach Artikel 68 des Grundgesetzes, die er bei der Abstimmung am 16. Dezember erwartungsgemäß mit 394 gegen 207 Stimmen bei 116 Enthaltungen verlor. Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier konnte somit am 27. Dezember den Bundestag auflösen und Neuwahlen festsetzen.

Grundgesetzänderung für großes Finanzpaket

Die Wahl zum 21. Deutschen Bundestag hatte ergeben, dass CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen zusammen nicht in der Lage wären, eine für Grundgesetzänderungen erforderliche Zweidrittelmehrheit zustande zu bringen, sondern dass man auf die Unterstützung entweder der AfD-Fraktion oder der Fraktion Die Linke angewiesen wäre. Noch vor der für den 25. März terminierten konstituierenden Sitzung einigten sich die drei Fraktionen darauf, eine Grundgesetzänderung zur Lockerung der Schuldenbremse mit den alten Mehrheiten des 20.  Deutschen Bundestages durchzusetzen. 

Der von den potenziellen Koalitionären Union und SPD eingebrachte Gesetzentwurf (20/15096) wurde in Verhandlungen mit der potenziellen Oppositionspartei Bündnis 90/Die Grünen so geändert (20/15117), dass er mit den Stimmen der drei Fraktionen mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet werden konnte. Auf die erste Lesung am 13. März folgte am selben Tag eine Anhörung des federführenden Haushaltsausschusses. 

Am 14. März tagten die mitberatenden Ausschüsse, am 17. fand die abschließende Beratung im Haushaltsausschuss statt, und am 18. März wurde die Grundgesetzänderung mit 512 Ja-Stimmen bei 206 Nein-Stimmen im Plenum beschlossen. Eilanträge aus der AfD und aus den Gruppen Die Linke und BSW, in denen das Verfahren angezweifelt wurde, lehnte das Bundesverfassungsgericht ab. Am 21. März stimmte auch der Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit zu.

Die Grundgesetzänderung bewirkte, dass Ausgaben für Verteidigung und bestimmte sicherheitspolitische Ausgaben ab einer bestimmten Höhe nicht mehr auf die Schuldenregel des Grundgesetzes angerechnet werden. Darüber hinaus wurde im Grundgesetz die Einrichtung eines Sondervermögens in Höhe von 500 Milliarden Euro „für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045“ ermöglicht. Die in diesem Rahmen aufgenommenen Kredite wurden ebenfalls von der Schuldenregel ausgenommen. Zudem wurde den Ländern ein Verschuldungsspielraum bei der Aufstellung ihrer Haushalte eingeräumt. Turbulentes Ende einer verkürzten Wahlperiode. (vom/26.03.2025)