Zeit:
Montag, 11. November 2024,
14.30
bis 16.30 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.400 - Raumänderung -
Die führenden Verbände der deutschen Immobilienwirtschaft haben die geplante Novelle des Baugesetzbuches, mit der der Wohnungsbau wieder in Schwung gebracht werden soll, als unzureichend und teilweise verfehlt kritisiert. „Ein deutlicher Ruck für den Wohnungsbau ist mit dem Entwurf nicht verbunden“, kritisierte Axel Gedaschko (Bundesverband Deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen) am Montag, 11. November 2024, in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen, die von der Vorsitzenden Sandra Weeser (FDP) geleitet wurde. Mehrere Sachverständige appellierten, den Gesetzentwurf vor einer eventuellen Auflösung des Deutschen Bundestages noch zu verabschieden.
Flexibilisierungen für den Wohnungsbau
Der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung (20/13091, 20/13638) sieht weitere Flexibilisierungen für den Wohnungsbau vor. Zu den Maßnahmen zählen unter anderem, dass in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten Erweiterungen von Gebäuden, insbesondere Aufstockungen, möglich sein sollen, ohne dass ein Bebauungsplan geändert werden muss.
Außerdem soll leichter verdichtet gebaut werden können, zum Beispiel in zweiter Reihe in Höfen oder Gärten. In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt sollen die Kommunen in neuen Baugebieten Flächen für den sozialen Wohnungsbau erhalten können. Bebauungspläne sollen schneller aufgestellt werden. Die kommunalen Vorkaufsrechte werden verbessert, was allerdings der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände noch nicht weit genug ging. Das Vorkaufsrecht müsse zu einem aktiven Instrument zur Flächenmobilisierung ausgebaut werden.
Auch Dr. Melanie Weber-Moritz (Deutscher Mieterbund) forderte Änderungen wie eine Ausweitung des Vorkaufsrechts, damit die Ausübung in Milieuschutzgebieten wieder möglich werde. Der Schutz vor Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen müsse dauerhaft entfristet werden.
„Alle Register für bezahlbaren Wohnungsbau ziehen“
Gedaschko erklärte, 70 Prozent der Mitgliedsunternehmen würden derzeit keine Wohnungen bauen. In seiner Stellungnahme hieß es, die Schaffung von Wohnraum bei Knappheit sollte wichtiger sein als der Bau eines Windrades. Die Schaffung von Wohnraum sei auch wichtiger als der Bau von Ladesäulen. Eine Wende auf dem Bausektor werde nur gelingen, wenn alle Register für bezahlbaren Wohnungsbau gezogen würden.
Auf überambitionierte Standards müsse verzichtet werden. Ebenso verzichtet werden könne auf Keller, Tiefgaragen und vielfach auf Aufzugsanlagen. Die Kosten für Makler und Notare müssten flexibilisiert, die Grunderwerbsteuer müsse gesenkt werden.
„Bau- und Immobilienwirtschaft stabilisieren“
Tine Fuchs vom Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) bezeichnete die Baugesetzbuch-Novelle als dringend notwendig, auch wenn der Entwurf der Bundesregierung nicht ausreichend sei. Die Bau- und Immobilienwirtschaft müsse wirtschaftlich stabilisiert werden. Der ZIA forderte zudem stärkere Unterstützung für serielle und modulare Bauweisen und eine verbindliche Fristverkürzung. Die geplanten Regelungen sollten stärker auf die Bedürfnisse der Kommunen abgestimmt und bürokratische Hürden abgebaut werden.
„Die Hürden für bezahlbares Bauen und Wohnen werden tendenziell eher erhöht als abgebaut“, kritisierte Dirk Salewski (Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen). Von einem „Bau-Turbo“ für die Branche könne man nicht sprechen. Umwandlungsverbote seien Eingriffe in den freien Markt, die Eigentumsbildung verhindern würden, ohne dass neue Wohnungen gebaut würden.
„Ausgeprägte inhaltliche Mängel“
Erhebliche Kritik kam auch von Judith Nurmann (Architects for Future). Der Entwurf verliere nicht nur die Ziele der integrierten Stadtentwicklung aus den Augen, sondern habe auch ausgeprägte inhaltliche Mängel. Das Baugesetzbuch werde an zentralen Stellen erheblich liberalisiert, und dadurch würden städtebauliche Fehlentwicklungen, ein Abbau der demokratischen Planungskultur und Bodenspekulationen gefördert. „Lieber keine Novelle als diese“, sagte Nurmann.
„Der Entwurf wird in großen Teilen den Anforderungen gerecht, die Bauleitplanverfahren zu beschleunigen und zu vereinfachen“, erklärte Bernd Düsterdiek (Deutscher Städte- und Gemeindebund). Wichtig sei es, das Gesetzgebungsverfahren jetzt auch zu Ende zu führen.
„Qualität auf den Weg gebracht“
Professor Hilmar von Lojewski (Deutscher Städtetag) appellierte: „Bringen Sie dieses Gesetz auf den Weg.“ Der Entwurf habe eine Qualität auf den Weg gebracht, die man lange zuvor nicht mehr gesehen habe. Viele Änderungen würden begrüßt, sagte Nadine Schartz (Deutscher Landkreistag), die aber auch Änderungsbedarf sah, zum Beispiel beim Ausbau der Windenergie.
Dr. Thomas Lüttgau (Deutscher Anwaltverein) sagte, der Entwurf sei weitgehend geeignet, den aktuellen Anforderungen an das Städtebaurecht gerecht zu werden. Auch Dr. Friederike Mechel (Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen Hamburg) begrüßte viele Elemente des Entwurfs, besonders die Einführung einer befristeten Sonderregelung, die die Zulassung von Wohnungsbauvorhaben unter weitreichender Abweichung vom Bauplanungsrecht ermögliche.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Diese sogenannte Baugesetzbuch-Novelle sieht vor, die mit dem Baulandmobilisierungsgesetz im Jahr 2021 eingeführten Instrumente weiterzuentwickeln, zu entfristen oder zu verlängern, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, schneller planen und bauen zu können sowie mehr Klimaschutz und Klimaanpassung zu erreichen.
Damit sollen weitere Flexibilisierungen für den Wohnungsbau eingeführt werden, und zwar sowohl im Geltungsbereich von Bebauungsplänen als auch im unbeplanten Innenbereich. Aufgenommen werden sollen in das Gesetz die Grundsätze der „Neuen Leipzig-Charta“ mit den drei Dimensionen der nachhaltigen Stadtentwicklung – die gerechte, grüne und produktive Stadt. Auch die Empfehlung des Bündnisses bezahlbarer Wohnraum wird aufgenommen, wonach die Innenentwicklung neben der baulichen Entwicklung auch die Entwicklung der Grün- und Freiflächen sowie die Mobilität umfasst.
Verbesserung kommunaler Vorkaufsrechte
Nach Angaben der Bundesregierung ist vorgesehen, dass in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten Erweiterungen von Gebäuden, insbesondere Aufstockungen, möglich sein sollen, ohne dass ein Bebauungsplan geändert werden muss. Außerdem soll leichter verdichtet gebaut werden können, zum Beispiel in zweiter Reihe in Höfen oder Gärten. In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt sollen die Kommunen in neuen Baugebieten Flächen für den sozialen Wohnungsbau erhalten können.
Die kommunalen Vorkaufsrechte werden verbessert. So wird das Unterlaufen kommunaler Vorkaufsrechte durch die Nutzung sogenannten Share Deals erschwert, indem die Einbringung eines Grundstücks in eine Gesellschaft einem Kaufvertrag gleichgestellt wird.
Bebauungspläne und Klimaschutz
Die bisher mehrere Jahre dauernde Aufstellung von Bebauungsplänen soll schneller vonstattengehen. In Zukunft sollen die Gemeinden die Pläne im Regelfall innerhalb von zwölf Monaten nach dem Ende der Beteiligungsverfahren veröffentlichen. Umweltberichte sollen in Zukunft nicht mehr so umfangreich sein. Veraltete Bebauungspläne sollen künftig schneller aktualisiert werden können.
Um den Klimaschutz zu verbessern, sollen Kommunen im Zuge der Erteilung des Baurechts zum Beispiel die Anlage von dezentralen Versickerungssystemen auf einem Grundstück oder auch die Anlage eines Gründaches anordnen können.
Stellungnahme des Bundesrates
Der Bundesrat kritisiert mehrere Punkte am Gesetzentwurf der Regierung. In seiner Stellungnahme (20/13638) heißt es unter anderem, der Gesetzentwurf berücksichtige nicht ausreichend, dass Innenstädte insbesondere auch durch Wirtschaft und Einzelhandel geprägt werden. Gerade Einzelhandel, Gastronomie und Hotellerie sowie das Handwerk würden in erheblichem Umfang zur Attraktivität der Innenstädte beitragen.
Der Einzelhandel sei nach wie vor der Hauptgrund für den Besuch der Innenstädte. Dementsprechend müssten bei der Stadtentwicklung auch die Interessen der Wirtschaft berücksichtigt werden. Dazu sei eine aktive Rolle der Kommunen zur Wiederbelegung der Innenstädte erforderlich.
Die Länder begrüßen zwar, dass eine Durchmischung von Gewerbegebieten (insbesondere Musikclubs, Flüchtlingsunterkünfte, Schulen/Kitas, Wohnen in Kerngebieten) erleichtert werde. Es gebe aber keine Ansätze, um Produktion und Gewerbe in die Stadt zu reintegrieren. Gewerbe und Produktion in der Stadt würden nicht geschützt.
In ihrer Gegenäußerung stimmt die Bundesregierung einigen Vorschlägen zu, andere lehnt sie ab. (hle/11.11.2024)