Özdemir will für mehr Fördermittel in ländlichen Räumen kämpfen
Nahezu alle Redner haben die geplanten Kürzungen für Projekte zur Stärkung ländlicher Räume im Etatentwurf des Bundeslandwirtschaftsministeriums kritisiert und Nachbesserungen gefordert. Bundesagrarminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) nannte die vorgesehenen Einsparungen in der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) „sehr schmerzhaft“ und sagte zu, bei den anstehenden Haushaltsverhandlungen „diese Fördermittel noch aufzustocken“.
Die GAK-Mittel gelten als ein wichtiges Förderinstrument für den ländlichen Raum, sollen aber um 293 Millionen Euro auf 840 Millionen Euro gekürzt werden. Das sieht der Haushaltsentwurf (20/7800) für 2024 vor, den das Bundeskabinett bereits beschlossen hat und der am Donnerstag, 7. September 2023, erstmalig im Deutschen Bundestag debattiert wurde. Insgesamt entfallen auf den Einzelplan 10 des Bundeslandwirtschaftsministers 6,83 Milliarden Euro (2023: 7,25 Milliarden Euro).
Landwirtschaftliche Sozialpolitik
Aufgrund gesetzlicher Vorgaben bilden Ausgaben für die landwirtschaftliche Sozialpolitik auch in diesem Jahr den größten Posten. Für 2024 sind dafür Ausgaben in Höhe von insgesamt 4,10 Milliarden Euro (2023: 4,08 Milliarden Euro) vorgesehen. Davon sollen 2,44 Milliarden Euro auf die Zuschüsse zur Alterssicherung der Landwirte (2023: 2,46 Milliarden Euro) entfallen. Ein weiterer Ausgabeblock stellt die landwirtschaftliche Krankenversicherung mit rund 1,5 Milliarden Euro (2023: 1,48 Milliarden Euro) dar. Zudem sind Zuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung in Höhe von 100 Millionen (2023: 100 Millionen) eingeplant.
Im Haushalt 2024 verringert sich damit der Spielraum für die von der Bundesregierung im Koalitionsvertrag vorgesehenen Maßnahmen für mehr Tierwohl und für die Stärkung des ländlichen Raums. Trotzdem verteidigte Minister Özdemir seinen Kurs zum Umbau der Tierhaltung. Mit der Einführung des Tierhaltungskennzeichens für frisches Schweinefleisch habe die Regierung gezeigt, dass „wir es ernst meinen mit dem Umbau“, sagte der Minister. In den Jahren 2024 und 2025 sollen weitere Tierarten und Haltungsformen folgen. Die Mittel für den Stallumbau für Schweinehalter in Höhe von einer Milliarde für die nächsten Jahre sei mehr, als die Vorgängerregierungen auf den Weg gebracht hätten. Die Zahlen der Borchert-Kommission von 2020 sahen Mittel bis zu vier Milliarden Euro für den gesamten Umbau der Tierhaltung vor. „Da waren alle Tierarten, Haltungsformen und Vertriebswege zusammengefasst“, sagte Özdemir.
Union: Minister lässt Landwirte alleine
„Sie verunsichern die Landwirte und die Menschen im ländlichen Raum“, warf Steffen Bilger (CDU/CSU) dem Minister vor. Anstatt mehr Versorgungssicherheit zu gewährleisten, lasse der Minister die Landwirte alleine. Die von Özdemir genannten Mittel zum Umbau der Ställe seien „zu niedrig“ und würden nur halbherzig umgesetzt.
Auch auf EU-Ebene setze sich der Minister nicht genügend für die Landwirte ein. Wie könne es sonst sein, dass 30 Prozent der Weinanbaubetriebe in Deutschland das Aus drohe. Bei Verhandlungen in Brüssel sei das BMEL oftmals anderer Meinung als die Kollegen oder die Sitzungen fänden ohne Beteiligung der deutschen Vertreter statt. „Für die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft ist das zu wenig“, sagte Bilger.
AfD: Geld wird falsch ausgegeben
Stephan Protschka (AfD) monierte, das Geld werde „falsch ausgegeben“. Ein Großteil der Schweinehalter habe bereits aufgegeben. Alleine im Jahr 2021 seien es 36.000 Betriebe gewesen.
Die 150 Millionen Euro, die zum Umbau der Schweineställe zur Verfügung stehen, „bekommt der Großteil der Betriebe erst gar nicht, weil kaum einer die hohen Anforderungen erfüllt“, so Protschka. Zudem sei die Summe „ein Tropfen auf den heißen Stein“.
Linke: Haushalt ist ein Kahlschlag
Auch Ina Latendorf (Die Linke) ließ kein gutes Haar an dem Etatentwurf. „Dieser Haushalt ist ein Kahlschlag“, sagte die Linke. Nach Abzug der Ausgaben für die landwirtschaftliche Sozialpolitik in Höhe von 4,10 Milliarden Euro und weiteren Festposten verblieben nur noch 2,6 Milliarden Euro für die Gestaltung.
Die GAK-Mittel würden vor allem von ostdeutschen Bundesländern nicht abgerufen, weil kein Geld für die Co-Finanzierung vorhanden sei. Sie hoffe, dass es bei den Haushaltsberatungen zu Änderungen kommt.
SPD, FDP und Grüne weisen Kritik zurück
Die Haushälter Esther Dilcher (SPD), Frank Schäffler (FDP) und Dr. Sebastian Schäfer (Bündnis 90/Die Grünen) wehrten sich gegen die Kritik, durch die geplanten Einsparungen der GAK-Mittel komme es zu Kürzungen bei Projekten im Ländlichen Raum. Das Gegenteil sei der Fall. Schäffler rechnete vor, dass die Haushalte der Jahre 2022 und 2023 „krisenbedingt“ höher ausgefallen seien als der für 2024. Im Jahr 2019 hätten die GAK-Mittel bei 766 Millionen Euro gelegen, für das nächste Jahr seien 840 Millionen Euro vorgesehen. Berücksichtige man, dass etliche Länder wie beispielsweise Hessen oder Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren Mittel in Höhe von fast 250 Millionen Euro gar nicht abgerufen hätten, dann komme die Aufregung von der falschen Seite.
Esther Dilcher fügte hinzu, dass der Haushaltsentwurf vorsehe, die Rahmenbedingungen zur Auszahlung von GAK-Mitteln zu verändern, so dass mehr Projekte gefördert werden könnten. Sebastian Schäfer erinnerte daran, dass der Haushalt „unter außerordentlichen Bedingungen aufgestellt wurde“. Der Krieg in der Ukraine, steigende Preise und eine Klimakrise führten zu Herausforderungen. Der Bundeshaushalt müsse konsolidiert werden, und das gehe nicht ohne „Einschnitte“. Trotzdem werde der Einzelplan 10 dazu führen, dass „entscheidende Weichen in der Landwirtschaftspolitik gestellt werden“. Es brauche eine zukunfts- und krisensichere, nachhaltige Landwirtschaft, und diesen Weg wolle man beschreiten. (nki/07.09.2023)