Bundestag streitet über Justizetat
Heftiger Kritik am Etatentwurf des Bundesministeriums der Justiz sah sich Ressortchef Dr. Marco Buschmann (FDP) am Donnerstag, 7. September 2023, in der ersten Lesung des Einzelplans 07 des Bundeshaushalts 2024 (20/7800) im Bundestag ausgesetzt. Während die Unionsfraktion und die AfD den Zustand der Gesetzgebung bemängelten, wertete die Linksfraktion geplante Kürzungen bei zivilgesellschaftlichen Organisationen als Skandal.
Bundesjustizminister Buschmann sagte in seiner Rede, jeder Euro, der im Etat seines Hauses angelegt ist – traditionell das mit dem geringsten Ausgabevolumen –, sei „ein gut angelegter Euro“. Niemand gebe so wenig Geld aus, wie das Justizministerium es tue, und niemand spiele so viel von dem wenigen Geld, das ausgegeben werde, auch wieder ein. Unter den schwierigen Bedingungen der Haushaltskonsolidierung und einer Personalkostenquote von 70 Prozent sei es geschafft worden, einen Schwerpunkt von zehn Prozent Ausgaben und Investitionen im Digitalbereich setzen zu können. Der Einzelplan 07 des Bundeshaushalts 2024 umfasst Ausgaben von 1,03 Milliarden Euro (2023: 1,01 Milliarden Euro) und steigt damit leicht.
Ministerium stellt sich den Herausforderungen der Zeit
Buschmann gab einen Überblick über die Reformvorhaben seines Hauses und erwähnte die Modernisierung des Namensrechts und das Selbstbestimmungsgesetz, zwei Vorhaben, die die Wünsche von großen und kleinen Menschengruppen beträfen. „Jeder einzelne Mensch hat es verdient, dass seine Grundrechte respektiert werden“, sagte Buschmann.
Das Ministerium stelle sich aber auch den großen Herausforderungen der Zeit und kämpfe unter anderem für die Bürgerrechte im digitalen Raum. „Wir digitalisieren das Recht in Deutschland,“ fügte der Minister hinzu. Sein Ministerium stelle sich auch einer Herkulesaufgabe und werde die „überbordende Bürokratie“ angehen.
FDP für Digitalisierung der Justiz
Buschmanns Fraktionskollege Dr. Thorsten Lieb (FDP) verwies darauf, dass das Justizministerium nur bei einem der von Union kritisierten Gesetzesvorhaben federführend sei. Der Etat des Justizministeriums erfülle, was notwendig ist in dieser Zeit, sagte Lieb, nämlich eine klare Priorisierung und Fokussierung bei den Kernaufgaben des Staates.
Die Kernaufgaben müssten ausfinanziert werden, und deshalb sei es notwendig, an allen Stellen, auch im Justizetat sehr genau zu schauen, was man sich noch leisten könne und wo man die Prioritäten setze. An einigen Stellen, wie zum Beispiel bei HateAid – einer Organisation zur Unterstützung von Menschen, die von Online-Hassrede betroffen sind – werden man natürlich noch intensiv beraten. Großer Wert werde auch auf die Digitalisierung der Justiz gelegt. Es dürfe nicht sein, „dass das letzte Faxgerät auf diesem Planeten in einem deutschen Gericht zuhause ist“.
SPD: Schlechtreden ist nicht hilfreich
Esther Dilcher (SPD) ging ebenfalls auf die Kürzungen im Haushalt ein, insbesondere bei den Zuschüssen. Dies betreffe unter anderem das Anne-Frank-Zentrum und die HateAid gGmbH. In diesen beiden Fällen lohne sich ihrer Auffassung nach die Überlegung, ob nicht eine Gegenfinanzierung innerhalb des Einzelplans doch noch gelingen kann.
Dilcher betonte die Wichtigkeit des gesellschaftlichen Zusammenhalts, daher sei es, wie in der Haushaltswoche schon oft geschehen, wenig hilfreich, alles schlechtzureden und eine negative Stimmung zu verbreiten, um dann davon zu profitieren.
Grüne: Haushalt ist solide, konstant, verlässlich
Bruno Hönel (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, der Haushalt sei solide, konstant und verlässlich. Das sei für Haushälter erfreulich, auch dass die Deckungsquote auf rekordverdächtige 65 Prozent steige. Wie der Etat sei auch der Rechtsstaat und die Demokratie solide, konstant und verlässlich. Den Rechtsstaat zu schützen und zu stärken sei die gemeinsame Verantwortung, der Entwurf des Justizministeriums werde dieser Verantwortung trotz angespannter Haushaltslage, trotz multipler Krisen gerecht.
Es sei nicht einfach, in diesem Haushalt zu kürzen, dies beim Kampf gegen Hass und Hetze zu tun, sei jedoch ein Fehler, sagte Hönel. Auch aus seiner Sicht kommt die Digitalisierung der Justiz voran. Bürger und Bürgerinnen sollten einfacher zu ihrem Recht kommen. Der Haushaltsentwurf liefere eine gute Grundlage dafür, die Justiz auf die Höhe der Zeit zu bringen.
Union zieht „zappendustere“ Bilanz
Für die Unionsfraktion beklagte Dr. Günter Krings (CDU/CSU) einen „traurigen Zustand beim Instrument Gesetzgebung“. Die Bilanz zur Ampel-Halbzeit sehe „zappenduster aus“. Gesetze wie das Heizungsgesetz, das Cannabisgesetz oder das Selbstbestimmungsgesetz schafften statt Rechtssicherheit „maximale Verunsicherung“.
In einer sich rapide verschlechternden Wirtschaftslage sei die Rechtspolitik der Ampel Teil des Problems, die Unionsfraktion dagegen Teil der Lösung. Die Fraktion habe zuletzt im April eine Blaupause zum Bürokratieabbau vorgelegt. Die Koalition komme dagegen mit wohlfeilen Ankündigungen. Die Menschen in Deutschland wollten endlich Taten sehen. Die Ampel wolle die Rechtspolitik auch zum Umbau der Gesellschaft nutzen, sagte Krings, gehe die zentralen Probleme aber nicht an. Zu den vernachlässigten Themen gehöre insbesondere die Sicherheit der Menschen.
Linke kritisiert Kürzungen bei Demokratieprojekten
Clara Bünger (Die Linke) sagte, angesichts der Spaltung des Landes und in Zeiten, in denen die Demokratie gefährdet sei, komme Buschmann mit Kürzungen im Justizhaushalt bei Demokratieprojekten. Diese Kürzungen seien „ein Skandal“. Betroffen seien unter anderem Organisationen wie HateAid, die Amadeo-Antonio-Stiftung und das Anne-Frank-Zentrum.
Es seien vor allem Projekte, die bisher erfolgreich gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Hetze und Hass im Internet und gegen Desinformation gekämpft hätten. Damit werde ein falsches Zeichen gesetzt. Entgegen Beteuerungen im Koalitionsvertrag werde die Finanzierung einfach gestrichen. Insgesamt seien die Kürzungen „ein Schock“ und befeuerten die Erosion des Sozialstaats und der Zivilgesellschaft.
AfD kritisiert „Bürokratieaufbauprogramm“
Dr. Michael Espendiller (AfD) warf der FDP vor, bei Vorhaben wie dem Heizungsgesetz ein „willfähriger Mehrheitsbeschaffer“ zu sein. Mit Blick auf den von Buschmann angekündigten Bürokratieabbau sei noch gar nichts getan worden. Im Gegenteil, der Minister habe Beihilfe geleistet beim größten Bürokratieaufbauprogramm, das dieses Land seit langem gesehen habe.
Die vorher schon gigantisch gewesene bürokratische Last habe sich in den vergangenen zwei Jahren fast verdoppelt, sagte Espendiller. Das liege daran, dass die Regierung ein Gesetz nach dem anderen erlasse, das mehr und mehr wegführe von der freien Marktwirtschaft, hin zu einem dirigistischen Verwaltungsstaat. So sei das in dieser Woche zur Abstimmung stehende Heizungsgesetz „ein wahres bürokratisches Monster“.
Einnahmen steigen, Zuschüsse sinken
Die Einnahmen des Justizministeriums, die überwiegend auf das zum Geschäftsbereich des Ministeriums gehörende Deutsche Patent- und Markenamt entfallen, sollen bei 666,08 Millionen Euro liegen und damit um 25,8 Millionen Euro höher ausfallen als in diesem Jahr. Als Verpflichtungsermächtigungen für die kommenden Haushaltsjahre sollen Mittel in Höhe von 5,9 Millionen Euro ausgebracht werden.
Gekürzt wird bei den im Kapitel „Sonstige Bewilligungen“ (0610) etatisierten Zuschüssen und Zuwendungen. Sie sollen mit 26,13 Millionen Euro um 4,4 Millionen Euro geringer ausfallen als in diesem Jahr. Mit 264.000 Euro sind 2,21 Millionen Euro weniger für „Zuschüsse für überregionale Förderungsmaßnahmen“ eingeplant. Mit 1,12 Millionen Euro (2023: 3,22 Millionen Euro) sollen auch die „Zuschüsse zur Förderung justizspezifischer und rechtspolitischer Vorhaben“ deutlich geringer ausfallen. Wie im laufenden Jahr sind 50 Millionen Euro für „Maßnahmen der Digitalisierungsinitiativen für die Justiz“ im Haushalt gesperrt eingestellt. Für die Aufhebung der Sperre ist eine Einwilligung des Haushaltsausschusses notwendig.
Zahlungsverpflichtungen aus Verstößen gegen EU-Recht
35 Millionen Euro sind im Kapitel 0710 (Zentral veranschlagte Verwaltungseinnahmen und -ausgaben) für „Zahlungsverpflichtungen aus Verstößen gegen das EU-Recht“ eingeplant. Laut Erläuterungen im Entwurf ist die Nichtumsetzung der Whistleblower-Richtlinie der Grund dafür. Die Ausgaben des Ministeriums selbst sollen mit 113,46 Millionen Euro um 10,47 Millionen Euro geringer ausfallen als in diesem Jahr.
Für das Bundesamt für Justiz (Kapitel 0718) sind im kommenden Jahr Ausgaben in Höhe von 99,39 Millionen Euro vorgesehen, 417.000 Euro weniger als im laufenden Jahr. Die Einnahmen sollen bei 154,21 Millionen Euro liegen und damit 15 Millionen Euro höher liegen als 2023.
Die Ausgaben für das Deutsche Patent- und Markenamt (Kapitel 0719) sollen 2014 bei 252,82 Millionen Euro liegen und damit geringfügig über dem Ansatz für 2023. Die Einnahmen sollen mit 472,39 Millionen Euro um 15 Millionen Euro über dem Soll-Ansatz für das laufende Jahr liegen.
Ausgaben für Behörden und Oberste Gerichte
Deutlich geringer fällt laut Regierungsentwurf der Ausgabeansatz des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof (Kapitel 0714) aus. Nach 65,38 Millionen Euro in 2023 sind im kommenden Jahr 58,24 Millionen Euro veranschlagt. Grund hierfür sind nach dem Entwurf unter anderem deutlich geringer ausfallende Verwaltungskostenerstattungen an die Länder.
Kaum Veränderungen gibt es bei den Ausgaben des Bundesgerichtshofes (Kapitel 0713), die 2024 54,86 Millionen Euro betragen sollen (+ 100.000 Euro), und beim Bundesverwaltungsgericht (Kapitel 0715) mit geplanten Ausgaben in Höhe von 25,04 Millionen Euro (+ 300.000 Euro). Der Ausgabeansatz für den Bundesfinanzhof (Kapitel 0716) soll aufgrund steigender Personalausgaben um 1,2 Millionen Euro auf 19,92 Millionen Euro steigen. Ebenfalls steigende Personalausgaben begründen im Wesentlichen den Anstieg der Ausgaben des Bundespatentgerichtes, für das 2024 15,98 Millionen Euro (+ 700.000 Euro) etatisiert sind. (scr/vom/mwo/07.09.2023)