Lindner wirbt für Haushalt „mit weniger Schulden und mehr Chancen“
Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat zum Auftakt der viertägigen Etatberatungen im Bundestag erneut für einen „notwendigen haushaltspolitischen Kurswechsel“ geworben. Es brauche eine Rückkehr zu „langfristig tragfähigen Staatsfinanzen“, sagte er am Dienstag, 5. September 2023. Wer den Ausstieg aus der Krisenpolitik nicht finde, gefährde dauerhaft die Stabilität des Gemeinwesens, so der Minister. „Es geht jetzt um die Anerkennung finanzieller Realitäten nach Jahren, in denen Geld scheinbar keine Rolle spielte.“
Lindner hatte den Entwurf eines Haushaltsgesetzes 2024 (20/7800) sowie des Finanzplans des Bundes für die Jahre 2023 bis 2027 (20/7801) am Morgen im Parlament vorgestellt. Demnach sind im kommenden Jahr Ausgaben in Höhe von rund 445 Milliarden Euro vorgesehen, rund 30 Milliarden Euro weniger als 2023. Die Neuverschuldung wird mit 16,6 Milliarden Euro ausgewiesen – ebenfalls rund 30 Milliarden Euro weniger als in diesem Jahr. Eine Ausnahme von der Schuldenobergrenze des Grundgesetzes, die von 2020 bis 2022 jeweils in Anspruch genommen wurde, ist nicht vorgesehen.
Minister: Müssen „fiskalische Resilienz“ gewinnen
In seiner Einbringungsrede zu Beginn der ersten Lesung im Parlament sagte der Finanzminister: In Zeiten akuter Krisen sei es richtig gewesen, finanzpolitisch gegenzusteuern. Jetzt gehe es allerdings darum, wieder „fiskalische Resilienz“ zu gewinnen. „Wir können uns uferlos neue Schulden schlicht nicht erlauben.“
Mit dem Haushaltsplan 2024 werde die Neuverschuldung „massiv“ zurückgefahren. Lindner zeigte sich optimistisch, dass mit der jetzigen Haushaltsstrategie das Vorkrisenniveau bei der Staatsverschuldung „viel schneller“ erreicht würde, „als heute manche glauben“. Gleichwohl betonte er, die Gesamtausgaben 2024 lägen nominal rund 25 Prozent oberhalb des Vorkrisenniveaus von 2019. Von einem „Kahlschlag“ könne somit nicht die Rede sein, sagte Lindner.
„Schuldenbremse ist keine Investitionsbremse“
Kritik, die Schuldenbremse verhindere notwendige Investitionen, wies der Minister zurück: Die Schuldenbremse sei keine Investitionsbremse, sie zwinge aber zur Prioritätensetzung. „Unsere Herausforderung ist nicht mangelndes Kapital, unsere Herausforderung ist das Tempo von Planungs- und Genehmigungsverfahren, um aus dem Geld überhaupt Gutes zu machen.“
Ein entscheidendes Instrument, um Deutschland fit für die Zukunft zu machen, sei der Klima- und Transformationsfonds, mit dem in den kommenden Jahren 211 Milliarden Euro für Maßnahmen zur Erneuerung am Wirtschaftsstandort Deutschland zur Verfügung ständen. Damit schaffe die Regierung die Grundlagen für Dekarbonisierung und Digitalisierung, so der Minister. Auf Kritik an solchen Sondervermögen entgegnete er: Diese seien zwar nicht per se falsch, trotzdem werde die Bundesregierung ihre Zahl in den kommenden Jahren reduzieren.
Inflation, schwächelnde Wirtschaft, Ukraine-Krieg
Angesichts der hohen Inflation und der schwächelnden Wirtschaft sprach Lindner von einem „herausfordernden ökonomischen Umfeld“. Die erste Priorität habe die Bekämpfung der Inflation. „So schnell wie möglich müssen wir zurückkehren zur geldwerten Stabilität“, so der Minister. Dazu kämen neue sicherheitspolitische Aspekte aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Neben der Priorisierung von Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum trage dieser Haushaltsentwurf deshalb auch den „geopolitischen und geoökonomischen Realitäten“ Rechnung.
Der Ukraine zu helfen sei „in unserem ureigensten staatspolitischen Interessen“. In der Ukraine werde für die Friedens- und Freiheitsordnung in Europa insgesamt gekämpft. „Deshalb werden wir die Ukraine weiter unterstützen.“ Bei dieser „Schicksalsfrage“ werde die Bundesrepublik Deutschland „einen langen Atem“ haben. Gleichzeitig müsse auch die Fähigkeit Deutschlands zur Landes- und Bündnisverteidigung verbessert werden, so Lindner: „Die Zeiten haben sich gewendet: von der Zeit der Friedensdividende hin zur Zeit der Investition in Sicherheit, Freiheit und Frieden.“
„Kritik“ und „Anregungen“ am Entwurf
Der Haushalt 2024 sei ein Haushalt mit „weniger Schulden und mehr Chancen“, so Lindner. Zu Kritik etwa aus der Opposition, aber auch zu „Anregungen“ aus den Koalitionsfraktionen sagte der Minister: Es werde „nicht alles so finanziert, wie man es sich wünscht“. Entscheidend werde am Ende sein, dass ein Ergebnis erreicht werden, das „von allen Seiten als fair betrachtet“ werde.
Die Vorlagen werden am Freitag, 8. September, zur weiteren Beratung an den federführenden Haushaltsausschuss überwiesen. Die Fachausschüsse können zum Haushalt gutachtliche Stellungnahmen abgeben. Der Etat soll am Freitag, 1. Dezember 2023, vom Bundestag verabschiedet werden. Letzte Änderungen sollen in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses am Donnerstag, 16. November, vorgenommen werden.
Ausgaben von 445,69 Milliarden Euro
Der am 5. Juli 2023 vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf sieht im kommenden Jahr Ausgaben in Höhe von 445,69 Milliarden Euro vor. Das sind rund 30,6 Milliarden Euro oder 6,4 Prozent weniger als in diesem Jahr. Die Neuverschuldung für 2024 wird in dem Entwurf mit 16,56 Milliarden Euro ausgewiesen, in diesem Jahr sind es im Soll 45,61 Milliarden Euro. Eine Ausnahme von der Schuldenobergrenze des Grundgesetzes, die von 2020 bis 2022 jeweils in Anspruch genommen wurde, ist in dem Entwurf nicht vorgesehen.
Die Steuereinnahmen sind mit 375,3 Milliarden Euro veranschlagt und fallen um 4,8 Prozent höher aus als das Soll in diesem Jahr (358,1 Milliarden Euro). Als Investitionen sind 55,2 Milliarden Euro ausgewiesen (2023: 71,5 Milliarden Euro). Für die kommenden Haushaltsjahre sind laut Entwurf Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von insgesamt 126,82 Milliarden Euro (2023: 126,59 Milliarden Euro) vorgesehen.
Einzelpläne und Sondervermögen
Der größte der 25 Einzeletats ist wie in den Vorjahren der Einzelplan des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Für 2024 sind darin Ausgaben in Höhe von 171,67 Milliarden Euro eingeplant, das sind 5,44 Milliarden Euro mehr als in diesem Jahr. Der zweitgrößte Einzelplan des Bundesministeriums der Verteidigung soll mit 51,8 Milliarden Euro um rund 1,68 Milliarden Euro wachsen. Die relativ größten Einsparungen sind im Einzelplan des Bundesgesundheitsministeriums vorgesehen: Statt 24,48 Milliarden Euro wie in diesem Jahr sind nur noch Ausgaben von 16,22 Milliarden Euro eingeplant, ein Rückgang um 33,7 Prozent.
Der Entwurf des Haushaltsgesetzes stellt im Wirtschaftsplan des Sondervermögens „Bundeswehr“ für 2024 Einnahmen und Ausgaben von 19,73 Milliarden Euro fest. Im Wirtschaftsplan des Sondervermögens „Aufbauhilfe 2021“ zum Wiederaufbau nach den Flutzerstörungen im Ahrtal 2021 sind Einnahmen und Ausgaben von 11,06 Milliarden Euro vorgesehen. Der Wirtschaftsplan für den dritten Teil des Sondervermögens „Wirtschaftsstabilisierungsfonds“ zur Abfederung der Folgen der Energiekrise sieht für 2024 Einnahmen und Ausgaben von 46,82 Milliarden Euro vor.
Finanzplan des Bundes
Laut Finanzplan des Bundes 2023 bis 2027 (20/7801) sind in diesem Jahr Ausgaben in Höhe von 476,3 Milliarden Euro bei einer Nettokreditaufnahme von 45,6 Milliarden Euro vorgesehen. Der Haushaltsentwurf für 2024 plant mit Ausgaben von rund 445,7 Milliarden Euro bei einer Nettokreditaufnahme von rund 16,6 Milliarden Euro.
Im weiteren Finanzplanungszeitraum sollen Ausgaben und Nettokreditaufnahme von niedrigerem Niveau aus steigen. So wird für 2025 aktuell mit Ausgaben in Höhe von 451,8 Milliarden Euro gerechnet (Nettokreditaufnahme: 16 Milliarden Euro). 2026 sollen die Ausgaben dann bei 460,3 Milliarden Euro liegen (Nettokreditaufnahme: 15,4 Milliarden Euro). Die Steuereinnahmen sollen von 394,6 Milliarden Euro 2025 auf 421,3 Milliarden Euro 2027 steigen. Für Investitionen sind 2025 60,2, 2026 59,1 und 2027 57,2 Milliarden Euro eingeplant. (irs/vom/05.09.2023)