Kürzungen im Entwicklungsetat stoßen auf Ablehnung
Der Etatansatz des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ist geschrumpft. Waren im Einzelplan 23 für das Jahr 2023 noch 12,16 Milliarden Euro eingeplant, sind es dem Entwurf des Bundeshaushalts (20/7800) zufolge im Jahr 2024 nur noch 11,52 Milliarden Euro. Weitere Kürzungen sind in den Folgejahren geplant. Kritik daran gab es nicht nur von Seiten der Oppositionsfraktionen CDU/CSU und Die Linke, sondern auch bei der SPD-Fraktion und den Grünen. Aus Sicht der AfD-Fraktion indes sind die Ausgaben stark überdimensioniert.
Ministerin: Handlungsspielraum deutlich eingeschränkt
Die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Svenja Schulze (SPD), sprach zu Beginn der Debatte von schmerzhaften Kürzungen im Etat 2024. „Besonders problematisch sind die drastischen Kürzungen des Budgets in den darauffolgenden Jahren“, sagte Schulze. Dadurch werde Deutschlands Handlungsspielraum deutlich eingeschränkt.
Sie werde alles tun, so die Ministerin weiter, die Mittel der Entwicklungspolitik „so effizient wie möglich und so strategisch wie möglich einzusetzen“. Sie müssten mit politischen Initiativen flankiert werden. Zudem gelte es, mit Partnern noch stärker zusammenzuarbeiten. Es gehe schließlich um den Etat, den Deutschland für Frieden und Sicherheit einsetze.
CDU/CSU: Kontrast zu den Ankündigungen der Ampel
„Peinlich“ nannte Volkmar Klein (CDU/CSU) den BMZ-Haushalt. Er sinke nun zum dritten Mal in Folge. Weitere Kürzungen seien angekündigt und absehbar. Das, so Klein, sei ein riesengroßer Kontrast zu früheren Zeiten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem damaligen BMZ-Minister Gerd Müller (CSU). „Für sie ist die internationale Verantwortung ein Herzensanliegen und ein Vernunftgebot gewesen“, sagte der Unionsabgeordnete.
Der Etatansatz sei aber auch ein Kontrast zu den eigenen Ankündigungen der Ampel. „Zeitenwende bedeutet: Wir brauchen eine andere Reaktion auf die außenpolitische Realität“, sagte Klein. Dieser Haushalt sei das Gegenteil einer Zeitenwende.
Grüne für nachhaltige Reform der Weltbank
Zur Lösung der globalen Probleme müssten Strukturen verändert und gerechter gestaltet werden, sagte Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen). Dabei gehe es nicht nur um Geld. Daher habe sich die Bundesregierung zu einer feministischen Entwicklungszusammenarbeit verpflichtet und engagiere sich stark für eine nachhaltige Reform der Weltbank.
Doch auch aus Sicht von Brugger ist es nicht egal, „ob wir mehr oder weniger Geld für Entwicklungszusammenarbeit ausgeben“. Sie verwies auf die Eins zu Eins-Regelung im Koalitionsvertrag der Ampel. Für jeden Euro, der für Verteidigung ausgegeben wird, sollte ein Euro mehr für Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe oder Diplomatie investiert werden. „Davon sind wir im Regierungsentwurf zum Haushalt leider weit entfernt“, sagte die Grünenabgeordnete.
AfD: Entwicklungshilfe größtenteils wirkungslos
Für Michael Espendiller (AfD) ist das einzig Positive an dem Etat, „dass er 2024 schrumpft“. Doch auch die vorgesehenen 11,5 Milliarden Euro seien „viel zu viel Geld“. Sämtliche Parteien im Bundestag, mit Ausnahme der AfD, überböten sich dabei in der Einschätzung, wie schlimm und schrecklich die Welt sei und dass es die Deutschen seien, die dagegen unbedingt etwas tun müssten, sagte Espendiller.
„Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass Entwicklungshilfe größtenteils wirkungsloser Nonsens ist“, so der AfD-Abgeordnete. Beim Kampf gegen Hunger, beim Kampf gegen übertragbare Krankheiten, für das Bereitstellen von sauberem Trinkwasser könne die Bundesregierung auch mit der Unterstützung seiner Fraktion rechnen. „Ansonsten setzen wir den Rotstift an.“ Die AfD-Fraktion werde Kürzungen um mindesten 50 Prozent beantragen, kündigte Espendiller an.
FDP verteidigt den Konsolidierungskurs
Claudia Raffelhüschen (FDP) verteidigte den Konsolidierungskurs. „Um Probleme nachhaltig zu lösen, ist das Aussetzen der Schuldenbremse genauso falsch, wie es die jahrelange Geldflutungspolitik der EZB war“, sagte sie. Auf die Entwicklungszusammenarbeit bezogen bedeutet das: „Wir müssen lernen, weltweit mehr Brände zu löschen, ohne auf Kosten nachfolgender Generationen einfach nur die Wassermenge zu erhöhen.“
Ministerin Schulze nehme mit dem vorliegenden Regierungsentwurf die Herausforderung an, auch in Zeiten knapper Haushaltsmittel „den Kampf gegen die vielfältigen Herausforderungen weltweit nicht aufzugeben, sondern das Bestmögliche aus den vorhandenen Mitteln zu machen“.
Linke: Etat sendet ein fatales Signal
Cornelia Möhring (Die Linke) warf der Ministerin vor, Vertrauen zu zerstören. Immer wieder habe Schulze von globaler Verantwortung gesprochen und von der Verlässlichkeit Deutschlands für die Länder des Globalen Südens. „Mit diesem Haushalt machen Sie Vertrauen kaputt, was ein fatales Signal ist“, sagte Möhring an die Ministerin gewandt.
Die Regierung des viertreichsten Landes der Welt kürze bei der Entwicklungszusammenarbeit anteilig so stark wie beim Auswärtigen Amt und im Gesundheitsbereich. Bis 2025 wolle die „Fortschrittskoalition“ die Entwicklungsgelder um ein Viertel zusammenstreichen, bei der humanitären Hilfe sogar um die Hälfte, so Möhring. Und dass, obwohl sich die Krisen weiter zuspitzten.
SPD räumt schwierige Situation ein
Sanae Abdi (SPD) räumte zu Beginn ihrer Rede ein, in einer schwierigen Situation zu stehen. Zwar habe sie Verständnis, dass die aktuellen herausfordernden Zeiten „eine Anpassung unserer finanzpolitischen Prioritäten erfordert“. Als Entwicklungspolitikerin könne sie aber mit der Ausstattung des Etat vor allem auf lange Sicht nicht zufrieden sein.
Gerade bei der internationalen Zusammenarbeit, wo es um langfristige Prozesse gehe, sei eine angemessene Ausstattung nötig, sagte die SPD-Abgeordnete. Gleichwohl rücke sie als entwicklungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion nicht davon ab, „die Armut, den Hunger, die Folgen von Krieg und Vertreibung und auch des Klimawandels zu bekämpfen“.
Bilaterale Entwicklungszusammenarbeit
Für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit stehen dem Regierungsentwurf zufolge 5,29 Milliarden Euro zur Verfügung, in diesem Jahr sind es 5,76 Milliarden Euro. Der darin enthaltene Ansatz für die bilaterale Finanzielle Zusammenarbeit mit den Partnerstaaten beläuft sich auf 2,26 Milliarden Euro (2023: 2,34 Milliarden Euro), von denen 1,96 Milliarden Euro auf Zuschüsse (2023: 2 Milliarden Euro) und 298 Millionen Euro auf Darlehen (2023: 344 Millionen Euro) entfallen.
Die bilaterale Technische Zusammenarbeit umfasst laut Entwurf 1,81 Milliarden Euro nach 1,91 Milliarden Euro in diesem Jahr. Die Mittel für Krisenbewältigung und Wiederaufbau von Infrastruktur sollen von 1,24 Milliarden Euro 2023 auf 962 Millionen Euro sinken.
Mehr Geld für zivilgesellschaftliches Engagement
Geringfügig gekürzt werden sollen die Ausgaben für zivilgesellschaftliches, kommunales und wirtschaftliches Engagement, und zwar von 1,36 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 1,34 Milliarden Euro. Entwicklungswichtige Vorhaben der politischen Stiftungen sollen unverändert mit 340 Millionen Euro, entwicklungswichtige Vorhaben der Kirchen ebenso unverändert mit 301 Millionen Euro gefördert werden. Private deutsche Träger sollen hingegen für ihre Projekte 233,5 Millionen Euro statt nur 177,5 Millionen Euro wie in diesem Jahr erhalten. Die Entwicklungspartnerschaft mit der Wirtschaft wird mit 174 Millionen Euro statt 189 Millionen Euro (2023) bedacht. Mit mehr Geld soll auch das bürgerschaftliche und kommunale Engagement gefördert werden. Dafür sollen 425,5 Millionen Euro bereitstehen (2023: 432 Millionen Euro).
Für die multilaterale Entwicklungszusammenarbeit sollen 2,32 Milliarden Euro (2023: 2,39 Milliarden Euro) ausgegeben werden können. Die Beiträge an die Vereinten Nationen, ihre Sonderorganisationen sowie andere internationale Einrichtungen und Nichtregierungsorganisationen summieren sich im Entwurf auf 582,01 Millionen Euro (2023: 573,18 Millionen Euro). Der Beitrag zu den „Europäischen Entwicklungsfonds“ der EU sinkt von 432,18 Millionen Euro (2023) auf 329,28 Millionen Euro. Der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria soll wie im Vorjahr mit 415 Millionen Euro bedacht werden.
Hilfe beim weltweiten Umweltschutz aufgestockt
Mehr Geld soll es für entwicklungswichtige multilaterale Hilfen zum weltweiten Umweltschutz, zur Erhaltung der Biodiversität und zum Klimaschutz geben. 858,1 Millionen Euro sind dafür vorgesehen (2023: 835,31 Millionen Euro). Die Beiträge zu den multilateralen Entwicklungsbanken sinken von 1,22 Milliarden Euro 2023 auf 1,18 Milliarden Euro. Davon gehen 986,52 Millionen Euro an die Weltbankgruppe (2023: 913,03 Millionen Euro). Forschung, Evaluierung und Qualifizierung in der Entwicklungszusammenarbeit summieren sich auf 56,46 Millionen Euro (2023: 53,25 Millionen Euro).
Die vier Sonderinitiativen „Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme“, „Geflüchtete und Aufnahmeländer“, „Stabilisierung und Entwicklung Nordafrika-Nahost“ und „Gute Beschäftigung für sozial-gerechten Wandel“ sollen insgesamt 1,03 Milliarden Euro erhalten (2023: 1,12 Milliarden Euro). Auf die erstgenannte Initiative entfallen 440 Millionen Euro (2023: 519,1 Millionen Euro), auf die zweite 450 Millionen Euro (2023: 420 Millionen Euro), auf die Nordafrika-Nahost-Initiative 17 Millionen Euro (2023: 27 Millionen Euro) und auf die vierte Initiative 127 Millionen Euro (2023: 155 Millionen Euro). (hau/05.09.2023)