Visa-Probleme behindern Austausch in der Wissenschaft
Berlin: (hib/HLE) Lange Bearbeitungsdauern bei der Erteilung von Einreisevisa für ausländische Wissenschaftler und Studierende behindern massiv die wichtige Internationalisierung von Wissenschaft und Hochschulbildung. Darauf machten mehrere Sachverständige in einer Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwoch aufmerksam.
Enno Aufderheide (Alexander von Humboldt-Stiftung Bonn), wies auf die wachsende Bedeutung der internationalen Forschungskooperation hin. Dabei gehe es auch um die Gewinnung von internationalen Fachkräften. „Große Sorgen“ bereite derzeit die schleppende Erteilung von Visa an Akademiker aus Drittstaaten. Ein weiteres Problem sei, dass in den regelmäßig vorgenommenen Umfragen bei Wissenschaftlern nach einem Aufenthalt in Deutschland ein Rückgang der Willkommenskultur festgestellt werde. „Dagegen müssen wir dringend etwas tun“, appellierte Aufderheide.
Zur schleppenden Visa-Erteilung sagte Marc-Philippe Weller (Universität Heidelberg): „Hier klemmt es im Moment. Das ist kein gutes Zeugnis für die Bundesrepublik im Ausland.“ Wenn internationale Studierende nicht rechtzeitig einreisen könnten, verpassten sie den Beginn des Studiums und hätten auch mehr Probleme bei der Wohnungssuche. Der Wohnheimbau für internationale Studierende müsse intensiviert werden, verlangte Weller.
Angela Ittel-Polatschek (Hochschulrektorenkonferenz) sagte, für die Internationalisierung seien weitere Anstrengungen notwendig. So müsse mehr für die Sprachkompetenz ausländischer Studierender getan werden. Das sei ein wichtiger Aspekt für ein erfolgreiches Studium. Zu den weiteren Maßnahmen zählte Ittel-Polatschek unter anderem die Schaffung von rechtlichen Grundlagen für die Flexibilisierungen des Hochschulzugangs in allen Bundesländern. Wie schon Aufderheide sprach sie von „erheblichen Hürden und Engpässen“ im Bereich der Visa-Vergabe. Die in der Rektorenkonferenz zusammengeschlossenen Hochschulen würden schon seit langem mit ihrer Initiative weltoffene Hochschulen gegen Fremdenfeindlichkeit, für Aufgeschlossenheit und Weltoffenheit eintreten „und reagieren damit auf rassistisch motivierte verbale und physische Gewalt, die auch internationale Studierende, Forschende und Mitarbeitende an Hochschulen betraf und betrifft“.
Beate Kampmann (Charite Centre for Global Health, Charité - Universitätsmedizin Berlin) erklärte, stabile Kooperationen seien von beiderseitigem Interesse: „Sie führen nicht nur zum Aufbau von wissenschaftlicher Expertise und hochwertigen Forschungsplattformen in den Partnerländern, sondern sie ermöglichen den deutschen Forschungseinrichtungen auch Zugänge zu zusätzlichen Forschungspartnern und Ressourcen.“ Allen Beteiligten würden dadurch neue Perspektiven und Problemlösungen eröffnet. Dabei müsse das Prinzip der Partnerschaft auf Augenhöhe gelten. Notwendig seien langfristige Finanzierungsperspektiven, um das Risiko eines Zerfalls von Strukturen zu verhindern.
Von den 40.000 Studierenden an ihrer Universität komme jeder fünfte aus dem Ausland, sagte Katrin Kinzelbach (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg). Auch sie bestätigte die Probleme mit der Visa-Erteilung. In einem freien und weltoffenen Wissenschaftsstandort sei nicht nur die Wissenschaft als Prozess, sondern auch die Universität als Institution ohne Internationalisierung überhaupt nicht denkbar, sagte sie. Doch sei die Lage komplexer geworden. Wissenschaftsfreiheit sei insbesondere in autokratischen Ländern bedroht. „Vor dem Hintergrund einer laufenden Autokratisierungswelle und rückläufiger Wissenschaftsfreiheit ist es richtig, dass Deutschland Schutzprogramme für verfolgte Forschende finanziert“, lobte Kinzelbach. Gerade die Lage in China bedeute eine große Herausforderung, „denn der Grundsatz von autonomen Universitäten gilt dort nicht“.
Auf entsprechende Fragen aus der AfD-Fraktion erklärte Kai Sicks (Deutscher Akademischer Austauschdienst e. V. Bonn), er sehe keine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit in Deutschland. Zuvor hatte er darauf hingewiesen, dass die internationale Hochschulbildung dabei helfe, „die Fachkräfte von morgen auszubilden, die wir alle suchen“.
Vorlagen für die Anhörung waren drei Anträge von Fraktionen sowie zwei Unterrichtungen der Bundesregierung. In einem Antrag der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (20/9312) wird verlangt, die Internationalisierung von Hochschulbildung und Forschung strategisch weiterzuentwickeln, da sie der Förderung und Pflege von außenpolitischen Beziehungen und der Bewältigung globaler Herausforderungen dienten. Die CDU/CSU-Fraktion fordert in einem Antrag (20/9308), geeignete Rahmenbedingungen zur Fortführung des Bundeskanzler-Stipendiums für Nachwuchsführungskräfte der Alexander von Humboldt-Stiftung zu schaffen. Die Bundesregierung soll auf Kürzungen verzichten. Die AfD-Fraktion (20/6991) fordert, der Abwanderung hochqualifizierter deutscher Wissenschaftler entgegenzuwirken. Außerdem ging es in der Anhörung um zwei als Unterrichtung vorgelegte Berichte der Bundesregierung (20/45, 20/9880) über die Entwicklungen der europäischen und internationalen Kooperationen im Bereich Bildung, Wissenschaft und Forschung.