Nachhaltigkeit in Bildung stärker verankern
Berlin: (hib/HARI) In allen Stufen des Bildungssystems ist Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) nachhaltiger zu verankern. Darin waren sich in einem Expertengespräch des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung am Mittwoch sowohl die Vertreter und Vertreterinnen der Wissenschaft als auch der Zivilgesellschaft und der Politik einig. Konsens bestand auch darin, dass Nachhaltigkeit weit mehr umfasst als Umweltbildung, sondern soziale, ökologische und ökonomische Dimensionen miteinbezieht - in der schulischen wie in der außerschulischen Bildung, im formellen wie informellen Sektor sowie ein lebensbegleitendes Lernen einschließt. Die Bedeutung, die der BNE für eine nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft zukommt, betonten alle Fachleute.
Auf Basis der Arbeiten des Nationalen Monitorings zu BNE schilderte Professor Gerhard de Haan, wissenschaftlicher Berater der Nationalen Plattform BNE, den aktuellen Stand in Deutschland und wies auf Lücken und Bedarfe hin. Als politisches Ziel sei BNE im Nationalen Aktionsplan (NAP) formuliert.Viele Bundesländer hätten das Konzept in den Bildungsplänen zu frühkindlicher Bildung aufgegriffen. Jedoch sei es in Curricula, Fächern und Ländern weiterhin sehr unterschiedlich verankert. Lernorte außerschulischer Bildung, etwa Volkshochschulen, griffen zwar das Thema häufiger als früher auf, würden aber tendenziell weniger finanziell gefördert.
Gravierende Defizite gebe es aber in der Lehrerausbildung ebenso wie in der Aus-und Weiterbildung des Kita-Personals. De Haan empfahl, BNE als Teil der Bildungsprogramme des Bundes aufzunehmen, etwa in der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ oder in der„Exzellenzinitiative Berufliche Bildung“ BNE mit Blick auf die Vermittlung von Zukunftskompetenzen. In der „Nationalen Weiterbildungsstrategie“ fehle bisher ein deutlicher Bezug auf BNE, bemängelte de Haan. Der Wissenschaftler schlug daher den Aufbau einer Förderlinie zur Unterstützung des NAP vor, da mehr finanzielle Ressourcen nötig seien.
Walter Hirche von der Deutschen UNESCO-Kommission betonte, dass die Weltgemeinschaft mit dem Bildungsziel der globalen Nachhaltigkeitsagenda eine Priorität auf BNE setze. Das bedeute, sicherzustellen, dass bis 2030 alle Lernenden die für nachhaltige Entwicklung notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben. Angesichts der globalen gesellschaftlichen Herausforderungen mache dies einen „grundlegenden Wandel der Aufgaben der Bildung“ erforderlich. BNE werde gebraucht für individuelle und gesellschaftliche Transformation genauso wie dafür, neue technologische Chancen zu nutzen. Alle UNESCO-Mitgliedstaaten, darauf wies Hirche hin, seien sich darin einig, dass dringend gehandelt werden müsse, wie es die gemeinsame „Berliner Erklärung“ der UN-Organisation auch unterstrichen habe. Daraus folge ein nationaler Handlungsbedarf, der bis 2034 garantiere, dass BNE in allen Bildungsplänen verankert wird.
Dies bedeute einen kulturellen wie strukturellen Wandel der Bildungsangebote, der alle klassischen formellen und informellen Lernorte umfassen müsse. „ Ein schwieriges Unterfangen“, so Hirche. Er machte auch darauf aufmerksam, dass UNESCO-Stätten hervorragende Ausbildungsorte für BNE seien. Zugleich hob Hirche auch die Bedeutung der 300 deutschen UNESCO-Projektschulen hervor wie auch die Vergabe des nationalen Preises für BNE gemeinsam mit dem Bundesbildungsministerium.
Lea Potrafke von „youpaN“ - dem Jugendforum der Nationalen Plattform BNE, an dem 30 junge Menschen mitwirken, sprach von den Zukunftsängsten Jugendlicher auf der ganzen Welt angesichts von Klimakrise oder Artensterben. Von daher solle jede und jeder in der Lage versetzt werden, mehr Nachhaltigkeit in der Gesellschaft anzustoßen. Dafür müssten auch die Möglichkeiten der Partizipation Jugendlicher auf allen politischen Ebenen verbessert werden. Dafür bräuchten junge Leute aber auch eine qualifizierte pädagogische Begleitung. Freiräume und Freistellungen von schulischen und beruflichen Verpflichtungen seien für jugendliches Engagement unerlässlich.
BNE als Schlüssel für Nachhaltigkeit müsse zudem allen gleichermaßen zugänglich gemacht werden. Um Junge und Alte mit nachhaltigkeitsorientierten Kompetenzen auszustatten, fordert youpaN, BNE ganzheitlich ins formelle und non-formelle Bildungssystem zu integrieren. BNE solle „gelebt werden können“. Doch bedürfe es, um all das zu realisieren, eines deutlichen Anstiegs öffentlicher Bildungsausgaben. Im internationalen Vergleich liege Deutschland immer noch im Mittelfeld. Das Versprechen des Dresdner Bildungsgipfels von 2008, bis 2015 zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in Bildung und Forschung zu investieren, sei bis heute nicht eingelöst.
Auf ein anderes, dennoch nicht weniger gravierendes Problem im Zusammenhang mit BNE wies Natascha Wegelin, Geschäftsführerin von „Madame Moneypenny, GmbH“ hin. Dies sei ein Thema, das bisher noch nicht im Blickfeld der BNE lag: Finanzen und Frauen. Wegelins Unternehmen, das Coaching, aber auch Aufklärung über das bisher wenig beachtete Sujet anbietet, will das Thema endlich „ins Rollen bringen“. Wegelin unterstrich die Relevanz finanzieller Bildung gerade für Frauen, um deren finanzielle Situation deutlich zu verbessern, und nannte dazu Zahlen: Jede dritte Frau müsse mit einer Rente von unter 1.000 Euro rechnen. Männer hätten 50 Prozent mehr Vermögen als Frauen. In Deutschland herrsche ein „Gender-Pension-Gap“ von 60 Prozent.
Seit 2005 empfehle die OECD, finanzielle Bildung in den schulischen Lehrplan aufzunehmen. Doch bis heute fehle ein bundesweites Schulfach für die ökonomische Bildung. Das wirke sich bisher vor allem zum Nachteil für Frauen aus. Wie eine Lösung aussehen könnte: Aufklären über das Problem.