Experten: Islamismus-Finanzierung verstärkt aufdecken
Berlin: (hib/FLA) Die Geldquellen des politischen Islamismus in Deutschland müssen verstärkt aufgedeckt werden. Darin waren sich die meisten Sachverständigen am Montag bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat einig. Bei einer Reihe kritischer Anmerkungen bedeutete dies überwiegend grundsätzliche Zustimmung zu einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/10129), in dem gefordert wird, eben diese Finanzierung des politischen Islamismus in Deutschland offenzulegen und zu unterbinden.
Asiem El Difraoui (Senior Associate - Candid Foundation, Paris, Berlin) vertrat die Auffassung, dass politischer Islam langfristige gesellschaftliche Gefahren berge, weil er den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden könne. Die in dem Antrag erhobenen Forderungen ließen jedoch wichtige Probleme in Bezug auf den Islam und die Muslime außer Acht. Er setzte sich dafür ein, Moscheegemeinden und Vereine aus deutschen Mitteln zu finanzieren. Dafür brauche es eine Institution, die deutsche Muslime, die dies wünschten, repräsentiere und als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt werde.
Nissar Gardi (Projekt empower - Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt; Arbeit und Leben Hamburg) führte aus, die Bedeutung von antimuslimischem Rassismus sei als Bestandteil der Rekrutierungsstrategien in den Narrativen islamistischer Akteure und Gruppierungen nicht zu unterschätzen. Im Gegensatz zu einem sicherheitspolitischen Verständnis von Prävention setzten zivilgesellschaftliche Initiativen sowie Träger der politischen Bildung, der Jugend- und Sozialarbeit und Beratungsstellen auf umfassendere pädagogische und politische Ansätze, um religiös begründeten, politischen Islamismus entgegenzuwirken. Muslime seien ein wichtiger Teil von Deutschland.
Heiko Heinisch (Wien) befand, anders als im Rechtsextremismus fehle es den politischen Entscheidungsträgern an Kenntnis über das Phänomen des politischen Islam und dessen verschiedene Akteure. Er regte an, analog zu Österreich eine wissenschaftliche Dokumentationsstelle für politischen Islam einzurichten, die Grundlagenwissen über Ideologie und Akteure vermittele. Nur so könne verhindert werden, dass ausgerechnet jene Gruppierungen und Aktivisten gefördert werden, die unter Ausnutzung der Demokratie daran arbeiteten, diese abzuschaffen und durch eine normativ islamische Ordnung zu ersetzen.
Mouhanad Khorchide (Westfälische-Wilhelms-Universität Münster) strich heraus, dass es über die Finanzierungsnetzwerke des Politischen Islamismus in Deutschland und Europa kaum wissenschaftliche Analysen und verlässliche Forschung gebe. Mithin sei die Schaffung von entsprechenden Lehrstühlen, Forschungsinstitutionen und Expertenkreisen notwendig. Dies setze nicht nur eine interdisziplinäre fachliche Zusammenarbeit von Islamwissenschaft, islamischer Theologie, Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft oder Sozialwissenschaften voraus, sondern auch eine enge Vernetzung mit Sicherheitsorganen im In- und Ausland, die über den Zugang zu den entsprechenden Netzwerken des Politischen Islamismus verfügten.
Jamuna Oehlmann (Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus, Berlin) sagte, dass der Fokus auf legalistischen Islamismus gelegt werde, dürfe nicht dazu führen, dass politische Beteiligung von muslimischen Akteuren grundsätzlich unter Generalverdacht gestellt werde. Selbstverständlich sei es, dass die Finanzierungs-Einflussnahme aus Ländern wie Iran oder Saudi-Arabien gestoppt werde. Sie sprach sich für weitere Forschung und Ausweitung des Transparenzregisters aus.
Mathias Rohe (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) ging auf zwei Kernaspekte ein: Der Rechtsstaat müsse effizient erhalten und verteidigt werden. Dafür müsse er wachsam sein, aber auch rechtsstaatliche Maßstäbe wahren und Kollateralschäden vermeiden, die ihrerseits rechtsstaatsgefährdend sein könnten. Nach seiner Ansicht ist der Antrag deutlich zu unpräzise und in der Beschreibung möglicherweise problematischer Akteurinnen und Akteure weit überschießend. Eine wichtige Feststellung im Antrag sei, dass grundsätzlich finanzielle Zuwendungen aus dem Ausland nicht zu beanstanden seien. Auslandsfinanzierung per se sei noch kein Verdachtsfall. Uneingeschränkte Zustimmung verdiene die Forderung, dass sich das muslimische Gemeinwesen in Deutschland möglichst vom Ausland unabhängig finanzieren solle.
Hans-Jakob Schindler (Senior Director - „Counter Extremism Project“) beklagte, dass es bei der Aufklärung der Finanzierungsaktivitäten extremistischer Organisationen in Deutschland eine deutliche Erkenntnislücke auch bei den Sicherheitsbehörden gebe. Dies führe unweigerlich zu Herausforderungen bei der Bekämpfung solcher Finanzströme - nicht nur mit Blick auf den politischen Islamismus, sondern - wie es auch im Antrag angesprochen werde - auf den Extremismus insgesamt. Erkenntnislücken und Herausforderungen bestünden aufgrund rechtlicher Hürden und Lücken, Begrenzungen bei den Befugnissen der Sicherheitsbehörden sowie fehlenden Transparenzforderungen an Körperschaften. Wesentliche Verbesserungen dieser Situation könnten durch gezielte Reformen in diesen Bereichen erzielt werden.
Für Rebecca Schönenbach (Veto! Für den Rechtsstaat, Berlin) ist die Schaffung von Transparenz eine Lösung für das Vorgehen gegen den von ihr so bezeichneten „legalen Extremismus“. Denn die Akteure lebten davon, dass ihre Verbindungen untereinander und zu bekannten gewalttätigen Extremisten schwer nachgewiesen werden könnten. Sie verwies auf Frankreich, wo alle gemeinnützigen und religiösen Organisationen sämtliche Spenden einer Quelle, die pro Jahr 10.000 Euro überschritten, offenlegen müssten - zudem Jahresabschlüsse, wenn der finanzielle Gesamtumfang 253.000 Euro pro Jahr überschreite. Eine ähnliche Regelung würde nach ihrem Befund auch in Deutschland Transparenz schaffen und eventuell die Möglichkeit von weitergehenden drakonischen Maßnahmen verhindern.
Sinan Selen (Vizepräsident beim Bundesamt für Verfassungsschutz) erläuterte, bei der Bekämpfung krimineller, extremistischer und terroristischer Organisationen seien Finanzermittlungen für den Verfassungsschutz von besonderer Bedeutung. Im Spektrum des legalistischen Islamismus verfügten Finanzierungs-Aktivitäten in Umfang und Reichweite über ein beträchtliches Volumen. Bei umfangreichen Spendeninitiativen würden Moscheevereine schon wegen der Größe der Anhängerschaft hohe Geldsummen erwirtschaften. Hinzu kämen Finanzflüsse aus dem Ausland. Sie aufzudecken sei in der Praxis oft ein kräftezehrender Hürdenlauf. Die vorhandenen rechtlichen Rahmenbedingungen seien dabei nur bedingt geeignet.
Guido Steinberg (Stiftung Wissenschaft und Politik, Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, Berlin) machte klar, dass das Islamismusproblem an Bedeutung zunehme, da viele der im letzten Jahrzehnt eingereisten Flüchtlinge aus Gegenden stammten, in denen Islamismus weit verbreitet sei. Der Rekrutierungspool der Islamisten habe sich deshalb stark vergrößert. Die deutsche Politik reagiere bisher nur mit vereinzelten und teils wenig wirksamen Maßnahmen. Ein Grund könnte nach seiner Einschätzung die oft strikte Trennung in Innen- und Außenpolitik der Regierung, Bürokratie und Politikberatung sein. Übergeordnetes Ziel einer Strategie des Umgangs mit religiösen Extremisten müsse es sein, ihnen die Verbreitung ihres Gedankenguts so schwer wie möglich zu machen. Das Verbot der Hisbollah sei ein erster richtiger und längst überfälliger Schritt gewesen.