Änderung des Naturschutzgesetzes angenommen
Berlin: (hib/SAS) Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz hat in einer Sondersitzung am Dienstagabend den im Rahmen des „Osterpakets“ von den Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vorgelegten Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (20/2354) in geänderter Fassung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU, AfD und Die Linke angenommen.
Gescheitert bei der Abstimmung im Ausschuss ist hingegen die AfD-Fraktion mit einem Antrag (20/1344), in dem sie angesichts des verstärkten Ausbaus der erneuerbaren Energien auf den Schutz von Umwelt und Natur dringt. Windkraftanlagen dürften „auf keinen Fall eine Bevorzugung oder Begünstigung bei der Betriebsgenehmigung erhalten“, heißt es in der Vorlage der Fraktion. Für den Antrag stimmte nur die antragstellende AfD, alle anderen Fraktionen votierten dagegen.
Die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes zielt auf einen zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien und vor allem der Windenergie an Land bis 2045 - dafür sollen künftig auch Landschaftsschutzgebiete in die Suche nach Flächen für den Windenergieausbau einbezogen werden können. Um Genehmigungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, sieht der Gesetzentwurf weiterhin bundeseinheitliche Standards für die in diesem Zusammenhang durchzuführende artenschutzrechtliche Prüfung vor. Zusätzliche artenschutzbezogene Erleichterungen sind vorgesehen für den Fall des Repowerings von Windanlagen - dem Ersetzen älterer durch leistungsfähigere Windräder. Nationale Artenhilfsprogramme sollen zugleich für dauerhaften Schutz der durch den Ausbau besonders betroffenen Arten wie bestimmte Brutvögel und Fledermäuse sorgen.
Zuvor hatte der Ausschuss einem Änderungsantrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zugestimmt. Die Fraktionen hatten darin in Reaktion auf Expertenkritik in einer Anhörung zur geplanten Novelle am Montag Anpassungen vorgenommen: So wurden unter anderem unbestimmte Rechtsbegriffe näher definiert sowie eine von einzelnen Sachverständigen bemängelte Regelung zu Anzeigepflichten von Eigentümern und Nutzungsberechtigten von landwirtschaftlich genutzten Flächen gestrichen.
Eine Vertreterin der SPD-Fraktion betonte die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes als wichtige Voraussetzung für den zügigen Ausbau von Windkraftanlagen und damit zur Gewährleistung der Energiesicherheit. Wichtige artenschutzrechtliche Vorgaben wie die Mindestabstände zu gefährdeten Arten sowie Schutzmaßnahmen würden beibehalten und Windkraftanlagen weiterhin vorrangig in dafür ausgewiesenen Gebieten gebaut. Eine FDP-Vertreterin lobte, mit dem Entwurf finde ein Ausgleich zwischen Interessen des Natur- und des Klimaschutzes statt. Man komme beim Ausbau voran, gleichzeitig bleibe der Artenschutz gewahrt. Erstmalig werde eine bundeseinheitliche Vorgehensweise zur Überprüfung des Tötungsrisikos für Brutvögel durch Windräder etabliert.
Die Bedeutung der geplanten Standardisierungen beim Artenschutz hob auch ein Mitglied der Grünen-Fraktion hervor: Diese führten zu mehr Rechtssicherheit bei den entscheidenden Behörden. Für echte Beschleunigung allerdings brauche es, wie von Experten angemahnt, dort auch mehr Personal.
Vertreter der Oppositionen übten deutliche Kritik: So verwies ein Vertreter der CDU/CSU-Fraktion auf die erheblichen Bedenken, die von Sachverständigenseite gegenüber der geplanten Neureglungen erhoben worden seien. Die Experten hätten unter anderem Widersprüche zum EU-Recht bemängelt sowie zunehmende Planungsunsicherheiten prognostiziert, wenn beim Entwurf nicht nachgebessert würde. Angesichts dieser Kritik sei es nicht zu verantworten, das Gesetz übereilt zu beschließen.
Ein Mitglied der AfD-Fraktion monierte zudem, dass Natur- und Artenschutz den Interessen der Windkraftanlagenbetreiber untergeordnet worden seien. Die Mindestabstandregeln beispielsweise orientierten sich nicht an artenschutzrechtlichen und fachlichen Vorgaben, die Liste der kollisionsgefährdeten Vogelarten sei nicht vollständig.
Die Linke signalisierte zwar Unterstützung für das Ziel der Gesetzesänderung, den schnellen Ausbau der Windkraft, monierte aber falsche Grundannahmen, auf denen die Novellierung beruhe. So seien lange Planungszeiten nicht auf den Natur- und Artenschutz zurückzuführen, sondern auf mangelnde Behördenkapazitäten, kommunalen Widerstand und ungenügenden Datenaustausch. Solange sich da nichts ändere, drohe die Wirkung der Gesetzesänderungen zu verpuffen.
Der Bundestag berät am Donnerstag abschließend im Plenum über die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes zusammen mit weiteren Gesetzentwürfen des „Osterpakets“.
Die Gesetzesänderung im Dokumentations- und Informationssystem für Parlamentsmaterialien (DIP): https://dip.bundestag.de/vorgang/viertes-gesetz-zur-%C3%A4nderung-des-bundesnaturschutzgesetzes/288778
Das Video zur Anhörung und die Stellungnahmen der Sachverständigen auf bundestag.de: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw27-pa-umwelt-bundesnaturschutz-901234