Habeck berichtet über Entwicklungen in der Energiepolitik
Berlin: (hib/MIS) Kurz bevor das Kabinett am Mittwoch das sogenannte „Osterpaket“ beschlossen hat, stand Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck den Abgeordneten im Klimaschutz- und Energie-Ausschuss Rede und Antwort. In seinem „Bericht zu den aktuellen Entwicklungen in der Energiepolitik im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine“, ging der Grünen-Politiker insbesondere auf Auswirkungen eines möglichen Energielieferstopps und mögliche präventive Gegenmaßnahmen ein, auf den nationalen Notfallplan Gas (Abschaltreihenfolge Industrie) und auf Überlegungen auf europäischer Ebene in Bezug auf Energie und Versorgungssicherheit.
Schon in der vergangenen Woche hatte Habeck wegen des Streits mit Russland über die Bezahlung von Gaslieferungen nach Europa die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Dies diene der Vorsorge, sagte der Minister im Ausschuss. „Wichtig ist zu betonen, dass die Versorgungssicherheit gewährleistet ist.“ Nach dem Notfallplan gibt es drei Krisenstufen: Frühwarnstufe, Alarmstufe und Notfallstufe. Erst in der Notfallstufe greift der Staat in den Gasmarkt ein. Haushaltskunden wären dann besonders geschützt. Die Frühwarnstufe bedeutet, dass „konkrete, ernstzunehmende und zuverlässige Hinweise“ darauf vorliegen, dass ein Ereignis eintreten kann, welches zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führen könnte. Bei der Notfallstufe läge eine „erhebliche Störung“ der Gasversorgung vor. Der Staat müsste einschreiten, um insbesondere die Gasversorgung der „geschützten Kunden“ sicherzustellen - das sind etwa private Haushalte, aber auch Krankenhäuser, Feuerwehr und Polizei.
Über das Wochenende übernahm die Bundesregierung in einem bisher einmaligen Schritt zumindest temporär die Kontrolle bei Gazprom Germania. Die Bundesnetzagentur wurde als Treuhänder der Gazprom Germania eingesetzt. Der Schritt sei „zwingend notwendig“ geworden, so Habeck. „Wir werden Energie-Infrastrukturen nicht willkürlichen Entscheidungen des Kremls aussetzen“, sagte der Vizekanzler. Er verwies auf unklare Rechtsverhältnisse nach einem plötzliche Eigentümerwechsel bei Gazprom Germania und einen „Verstoß gegen Meldepflichten der Außenwirtschaftsverordnung“. Die Treuhandverwaltung sei eine Übergangslösung, die vorerst bis zum 30. September 2022 gelte.
Unterdessen bereite die EU-Kommission Einschränkungen von Kohleimporten aus Russland vor. Sie seien Teil des fünften Sanktionspaketes gegen Russland, das auch am Mittwoch weiter beraten wurde, berichtete Habeck im Ausschuss und fügte hinzu, er halte angesichts der mutmaßlich von der russischen Armee an Zivilisten im ukrainischen Butscha begangenen Verbrechen eine scharfe Reaktion für des Westens angemessen.
Die Frage der SPD-Fraktion nach den Folgen eines Kohleimportstopps für die deutsche Stahlindustrie beantwortete Habeck dahingehend, dass ihm die Stahlindustrieunternehmen signalisiert hätten, nicht ganz so abhängig von russischer Kohle zu sein und sich vermutlich auf dem Weltmarkt Ersatz beschaffen zu können.
Bis Mitte des Jahres wolle er auch die Ölimporte aus Russland halbieren, sagte Habeck auf eine entsprechende Frage aus der Unionsfraktion. Ein sofortiges Embargo allerdings würde zwar deutschlandweit nicht verheerend wirken, könne aber in Ost- und Mitteldeutschland zu Engpässen führen.
Die Grünen-Fraktion begrüßte die Maßnahmen der vergangenen Tage und äußerte Verständnis dafür, dass manche Entscheidung schnell, ohne vorherige Konsultation des Parlaments getroffen wurde.
Aus der FDP-Fraktion hingegen wurde bei aller Einigkeit in dem Ziel, führende Nation beim Ausbau erneuerbarer Energien zu werden, Gesprächsbedarf mit dem Ministerium bei der konkreten Umsetzung mancher Einzelmaßnahme des Osterpakets angemeldet.
Die AfD-Fraktion stellte die Frage in den Raum , ob sich Russland angesichts der Überlegungen in Deutschland für mehr Energieunabhängigkeit seinerseits provoziert sehen könnte, von sich aus einen totalen Lieferstop zu beschließen. Laut Habeck müsse man mit einer solchen Gegenreaktion man rechnen, dürfe sich davon aber nicht lähmen lassen.
Die vergangenen Monate hätten gezeigt, wohin die Deregulierung der Daseinsvorsorge führe, stellte die Linksfraktion fest und regte an, noch einmal darüber nachzudenken, ob der Rückzug des Staates so klug war. Immerhin werde durch die Gesetzgebung der Ampelkoalition jetzt gegengesteuert.
Im Anschluss an den Ministerbericht stimmte der Ausschuss über drei AfD-Anträge (20/1021, 20/1026, 20/1028) ab, alle wurden von den übrigen Fraktionen abgelehnt. Die AfD hatte sich darin gegen die Abschaltung von Atomkraftwerken gewandt sowie Maßnahmen zur Versorgungs- und Ernährungssicherheit in Deutschland gefordert.