Merkel half Kramp-Karrenbauer bei der Frage der Ortskräfte
Berlin: (hib/CRS) Die ehemalige Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat am Donnerstag vor dem 1. Untersuchungsausschuss angegeben, dass sie 2021 beim Abzug aus Afghanistan beschlossen habe, die Entscheidungen voranzutreiben. Ihr Hauptziel sei gewesen, „unsere Soldatinnen und Soldaten sicher nach Hause zu bringen.“ Aber auch das Thema Ortskräfte habe sie und die Bundeswehr sehr beschäftigt.
Kramp-Karrenbauer wurde vom 1. Untersuchungsausschuss Afghanistan als Zeugin vernommen. Der Ausschuss untersucht die Ereignisse zwischen der Unterzeichnung des Doha-Abkommens Ende Februar 2020 durch die USA und die Taliban, mit dem der Abzug internationaler Truppen aus Afghanistan geregelt wurde, und der chaotischen militärischen Evakuierungsmission Mitte August 2021. Die Ex-Ministerin äußerte sich kritisch über das Doha-Abkommen wegen des festen Abzugsdatums und der „relativ schwach formulierten Bedingungen“ für die Taliban und bezeichnete das Ortskräfteverfahren (OKV) als „zu komplex und zu langsam.“
Die Abzugsdebatte habe zum Jahreswechsel begonnen, erläuterte sie, und sei hochkompliziert gewesen, weil es nicht nur die Bundeswehr betroffen habe, sondern auch mit der Nato koordiniert werden musste.
Erschwert worden sei die Evakuierung durch die knappe Zeit, die dafür zur Verfügung gestanden habe, so Kramp-Karrenbauer. „Ich kann heute feststellen, dass die Bundeswehr diesen komplexen Auftrag gemeistert hat“, sagte sie. Die gute Nachricht sei, „bei allem, was wir über die Bundeswehr diskutieren, dass die Soldatinnen und Soldaten ihren Auftrag mit einer guten, richtigen Einstellung erfüllen“.
Die ehemalige Ministerin schilderte sehr ausführlich, wie sich die Lage in den letzten Tagen vor der militärischen Evakuierungsoperation in Berlin entwickelte. Am 12. August habe sie erfahren, dass US-Truppen zum Flughafen Kabul verlegt worden seien. Diese Nachricht habe sie alarmiert, und sie habe darauf gedrängt, eine bereits geplante Krisenstabsitzung vorzuziehen, um eine „robuste Evakuierungsmission“ zu planen. Außerdem habe sie mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und später auch mit den betroffenen Ressorts telefoniert. „Durch diese Gespräche gab es keinerlei Verzögerungen“, beteuerte die ehemalige Spitzenpolitikerin. Am 15. August hätten sich die Ereignisse in Kabul weiter beschleunigt, und die Evakuierungsmission sei ausgelöst worden. Die Soldatinnen und Soldaten seien abgeflogen.
Es sei keine normale Evakuierungsmission gewesen, bei der nur das Botschaftspersonal sowie eine bestimmte Anzahl von deutschen Staatsangehörigen ausgeflogen worden seien. Vielmehr habe sie sich zu einer improvisierten Mission, einer internationalen Luftbrücke unter der Führung der USA, entwickelt. Es seien Tausende Menschen evakuiert worden, deren Land gerade zusammengebrochen war.
Das Thema Ortskräfte sei für sie ein emotionales gewesen, sagte Kramp-Karrenbauer. „Es gibt kein anderes Ressort, wo die emotionale Bindung mit den Ortskräften so hoch ist wie beim Bundesministerium der Verteidigung. Für die Soldatinnen und Soldaten ist es wichtig, keine Kameraden zurückzulassen. Es gab eine emotionale Reaktion aller, die in den 20 Jahren in Afghanistan gedient haben.“
Sie habe verfügt, dass sie engmaschig über die Evakuierung der Ortskräfte informiert werde, berichtete die Ex-Ministerin. Das OKV sei ein gut aufgesetztes und überlegtes, aber auch „unglaublich kompliziertes“ Verfahren gewesen. 2021 habe es eine latente Bedrohung für die Ortskräfte gegeben. Im April 2021 habe sie öffentlich gesagt, dass sie der Auffassung sei, dass „wir eine andere Fürsorgepflicht, eine moralische Verpflichtung gegenüber den Ortskräften“ hätten. Das sei „entgegen den Gepflogenheiten gewesen“, gestand sie während der Anhörung, aber es habe funktioniert. Dadurch sei das OKV für die Ortskräfte der Bundeswehr gelockert worden.
Viel schwieriger sei es gewesen, den Kreis der Aufnahmeberechtigten zu erweitern, wofür sie sich ebenfalls persönlich eingesetzt habe. „Das geschah durch Kabinettsbeschluss“, erzählte sie. „Der Druck der Bundeskanzlerin und ihr Wort bei anderen Kollegen“ habe das ermöglicht. Im Spätsommer 2021 sei Wahlkampf gewesen, und die öffentliche Debatte über Migration habe in der Diskussion eine große Rolle gespielt.
Die Charterflüge, die sie gefordert und mit Merkels Unterstützung durchgesetzt habe, hätten jedoch letztendlich nicht stattgefunden - aus Sicherheitsbedenken, aber auch deshalb, weil man befürchtet habe, ein falsches Signal zu senden, so Kramp-Karrenbauer. „Gestern habe ich erfahren“, sagte sie vor dem Ausschuss, „dass ein sehr hoher Prozentsatz unserer Ortskräfte Afghanistan verlassen konnte.“ Trotzdem bleibe die Frage, ob nicht weniger hätten zurückgelassen werden müssen, wäre der Kreis der Aufnahmeberechtigten früher erweitert und Charterflüge ermöglicht worden.