11.11.2024 Inneres und Heimat — Anhörung — hib 775/2024

Sachverständige zu geplantem Schutz von Mandatsträgern

 

Berlin: (hib/HAU) Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Novellierung des Bundesmeldegesetzes (20/12349) wurde bei einer Sachverständigenanhörung des Innenausschusses am Montag überwiegend als Schritt in die richtige Richtung bewertet. Einigen Expertinnen und Experten gingen die geplanten Regelungen gleichwohl nicht weit genug - andere verwiesen auf mögliche Probleme, die sich aus der Novelle ergeben könnten.

 

Ziel der Bundesregierung ist es, den Schutz gefährdeter Personen vor Anfeindungen oder sonstigen Angriffen, die nach Bekanntwerden ihrer Wohnanschrift durch Melderegisterauskünfte erfolgen können, zu verstärken. Neu geregelt werden soll laut Vorlage, dass bei einfachen und automatisierten Melderegisterauskünften der Antragsteller seine Identität nachzuweisen hat. Durch die Anhebung der Schwelle für die Erteilung einer Melderegisterauskunft an private Dritte soll den Angaben zufolge bewirkt werden, dass „grundsätzlich nur zu Personen, zu denen zuvor ein Kontakt bestand, die Wohnanschrift mitgeteilt wird“.

 

Daneben soll laut Bundesregierung eine Regelung zu Auskunftssperren für Mandatsträger aufgenommen „und diese Personengruppe somit besser geschützt werden“. Mit Blick auf Personen, die durch ihr berufliches oder ehrenamtliches Engagement etwa im kommunalpolitischen Bereich in den Fokus gewaltbereiter Personen oder Gruppen geraten sind, soll darüber hinaus „insbesondere das Instrument der Auskunftssperre durch Verlängerung der gesetzlichen Befristung von zwei auf vier Jahre effektiver ausgestaltet“ werden.

 

Josephine Ballon, Geschäftsführerin der gemeinnützigen Organisation HateAid, verwies auf die „ernste Gefährdung“, welche die Verbreitung der Privatanschrift für Betroffene digitaler Gewalt und für Menschen, die sich gesellschaftlich engagieren, darstelle. Für die meisten sei dies das schlimmstmögliche Szenario und der Punkt, an dem niemand mehr ihre Sicherheit und die ihrer Familien garantieren könne.

 

Ballon begrüßte die geplanten höheren Anforderungen an die Identifizierung der Antragsteller ebenso wie vorläufige Sperrungen. Gleichwohl bleibe der Schutz unzureichend. Sie forderte, die Erteilung einer Melderegisterauskunft an noch strengere Voraussetzungen zu knüpfen. Es müsse eine Pflicht zur Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses der Abfrage eingeführt werden, sagte Ballon.

 

Insbesondere die Regelung zu Auskunftssperren für Mandatsträgerinnen und Mandatsträger sowie die Verlängerung der gesetzlichen Befristung von zwei auf vier Jahre sind aus Sicht von Kai Dittmann, Leiter Politik bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte, richtige Schritte. Nachbesserungsbedarf sieht er bei den Anforderungen an eine einfache Melderegisterauskunft. Die Angaben, die laut Entwurf von Antragstellern über die Identität der Person, über die eine Auskunft begehrt wird, verlangt werden, umfassten zu viele einfach recherchierbare Daten, wie Künstlername, Geburtsdatum oder Geburtsort, sowie Daten wie Geschlecht oder Familienstand, die einfach durch mehrmalige Abfragen erraten werden oder im Falle des Geschlechts aus dem Vornamen in den meisten Fällen abgeleitet werden könnten, befand er.

 

Den Mandatsbezug nannte Dittmann richtig. Ebenso wie Ballon bemängelte er, dass hingegen Menschen, die sich erstmals auf ein Mandat bewerben, nicht geschützt würden.

 

Andreas Hartl, Leitender Beamter bei der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, vertrat die Auffassung, dass betroffenen Personen ein Widerspruchsrecht gegen die Auskunftserteilung eingeräumt werden sollte. Die Übermittlung müsse dann unterbleiben, „sofern kein rechtliches Interesse geltend gemacht werden kann“. Dass der Antragsteller seine Identität nachweisen müssen soll, begrüßte Hartl. Fraglich sei aber, „ob die Speicherfrist bis zum Ende des Folgejahres der Auskunftserteilung angemessen ist“.

 

Dorothea Hecht vom Verein Frauenhauskoordinierung sieht Nachbesserungsbedarf. Der Gesetzentwurf sehe weiterhin keine gesetzliche Regelung zur Auskunftssperre vor, kritisierte sie. Der Aufenthalt in Einrichtungen zum Schutze von Opfern häuslicher Gewalt, Menschenhandel und Zwangsverheiratung müsse als Begründung für eine Auskunftssperre ausreichen, sagte sie. Dies gelte es im Gesetz eindeutig zu regeln. Hecht sprach sich zudem für eine Beseitigung der „Klaradresse“ des Frauenhauses auf den Ausweis- oder Identitätsdokumenten aus.

 

Die ausdrückliche Regelung zu Auskunftssperren für Mandatsträger trifft auf Zustimmung der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände. Deren Vertreter Simon Japs wies zugleich darauf hin, dass dies insbesondere in den Meldeämtern größerer Städte eine deutliche Mehrbelastung bedeuten werde.

 

Dass die von den Kommunen schon länger geforderte vorläufige Eintragung einer Auskunftssperre zu Prüfzwecken des Antrages nun Gesetz werden soll, sei sehr zu begrüßen, sagte er. So sei sichergestellt, dass potenziell gefährdete Personen unverzüglich geschützt werden, auch wenn zur abschließenden Beurteilung noch Begründungen oder Unterlagen fehlen. Außerdem, so Japs, entfalle die potenzielle Gefährdung erfahrungsgemäß oft in den ersten drei Monaten.

 

Aus Sicht von Claudia Schlick vom Bürgerservice der Stadt Frankfurt am Main hat sich die Systematik des Melderechts in Deutschland grundsätzlich bewährt. Mit dem Melderegister stehe ein funktionierendes und jederzeit aktuelles Auskunftssystem zur Verfügung, dessen Nutzungsvoraussetzungen klar definiert seien. Das Funktionieren des Meldewesens wirke zugleich präventiv gegen andere Datensammlungen, die schwerer zu kontrollieren wären.

 

Schlick bewertete die im Gesetzentwurf vorgesehene Konkretisierung der Identifikationsdaten der gesuchten Person als sachgerecht. Zugleich sprach sie sich dafür aus, über die klarstellende Aufnahme mandatsbezogener Tätigkeiten hinaus den Personenkreis nicht zu erweitern, bei dem eine Auskunftssperre eingetragen werden kann. Gerade das austarierte Regel-Ausnahme-System bilde einen wichtigen Garanten für das Funktionieren des meldebehördlichen Auskunftssystems, befand sie.

 

Marcus Kober von der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention begrüßte den Gesetzentwurf. Hinsichtlich der zu erwartenden Wirkungen einer Auskunftssperre für die Zielgruppe kommunaler Amts- und Mandatsträger bestünden zumindest in der Breite jedoch Zweifel, sagte er. Hier seien den Betroffenen die Täterinnen und Täter in einer Mehrzahl der Fälle persönlich bekannt.

 

Gerade für kleinere Gemeinden sei zudem davon auszugehen, dass bekannt ist, wo Amts- und Mandatsträger als öffentliche Personen wohnen. Hinsichtlich ihrer Schutzbedarfe artikulierten Betroffene in empirischen Erhebungen, wie auch in Beratungsgesprächen insbesondere den Wunsch nach einer effektiven und transparenteren Strafverfolgung, sagte Kober.

 

Bernd Roßkopf vom ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice hält den Entwurf für sachgerecht. Auskunftssperren für Mandatsträger und die Erhöhung der Befristungsdauer einer Auskunftssperre erschwerten jedoch die Durchführung des Rundfunkbeitragseinzugs, da die Eintragung einer Auskunftssperre dazu führe, „dass Änderungen im Melderegister nicht mehr übermittelt werden und die betroffene Person somit unter Umständen infolge inkorrekt vermerkter Personen- oder Adressdaten nicht mehr weiter kontaktiert werden kann“. Dies wiederum führe auf Seiten der Landesrundfunkanstalten oder des Beitragsservice zu Erschwernissen im Rahmen der Geltendmachung der Rundfunkbeiträge, gab er zu bedenken.

 

Clemens Schleupner, Bereichsleiter Vertrauensdienste & Digitale Identitäten beim IT-Branchenverband Bitkom, äußerte seine Unterstützung für den Grundgedanken des Gesetzesentwurfs, den verbesserten Schutz vulnerabler Personen. Hinzuweisen sei aber auf einen „nicht intendierten, aber fundamentalen Nebeneffekt des Gesetzes“. Mit der geplanten Streichung des Identitätsabfragemerkmals „Geschlecht“ komme es zu massiven Einschränkungen bei der Nutzbarkeit der einfachen Melderegisterauskunft, sagte Schleupner.

 

Er forderte eine Überprüfung, welche Auswirkungen diese Maßnahme auf den legitimen Teil der Melderegisterauskünfte hätte. Darüber hinaus ist aus seiner Sicht die Notwendigkeit im gewerblichen Kontext in Frage zu stellen, „da bisher keine signifikanten Fälle von missbräuchlicher Nutzung der einfachen Melderegisterauskunft durch Unternehmen aufgrund des Merkmals Geschlecht bekannt sind“.

 

Auf die starke Zunahme von Angriffen auf Bedienstete in Sicherheits- und Ordnungsbehörden wies Heiko Teggatz, stellvertretender Bundesvorsitzender der Bundespolizeigewerkschaft, hin. Es sei leider sehr einfach, an den Namen und die Privatadresse eines Bediensteten einer Sicherheitsbehörde zu kommen, sagte Teggatz. Dafür reiche das relativ einfach innerhalb kürzester Zeit auszuspähende Kennzeichen eines Privat-Kfz aus. Mit Verweis auf Ansprüche rund um ein Unfallgeschehen oder infolge nicht entrichteter Parkgebühren könne dann das Kraftfahrtbundesamt (KBA) oder die zuständigen Zulassungsstellen Auskünfte an private Stellen zur Verfolgung von Rechtsansprüchen erteilen.

 

Vor diesem Hintergrund sollten Bedienstete von Sicherheits- und Ordnungsbehörden, insbesondere aber Beschäftigte bei Polizeibehörden auf Wunsch „von Amtswegen“ und für die Dauer des Dienstverhältnisses eine Auskunftssperre im Melderegister bekommen, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft.