Bedeutung von naturnahem regionalen Tourismus nimmt zu
Berlin: (hib/NKI) Um Interessenskonflikte zwischen Tourismus und Naturschutz zu minimieren, seien nicht nur gesetzliche Rahmenbedingungen nötig, sondern auch die Sensibilisierung der Bevölkerung, so die Einschätzung von Tourismusexperten. Der Ausschuss für Tourismus hatte am Mittwochnachmittag zu einer Öffentlichen Anhörung geladen und Vorschläge zum Thema „Potenziale des naturnahen Tourismus für die Entwicklung ländlicher und strukturschwacher Regionen (z.B. Fahrradtourismus, Wassertourismus, Geoparks)“ diskutiert.
Anke Hollerbach, Sprecherin der Arbeitsgruppe Biosphärenreservate/Nationale Naturlandschaften, unterstrich, dass die 16 Nationalparke, 18 Biosphärenreservate, 104 Naturparke und drei zertifizierten Wildnisgebiete in Deutschland Gästen weitgehend zugänglich seien. Aufgrund deren Ausweisung als Schutzgebiete seien in den Nationalen Naturlandschaften die Grundlagen dafür geschaffen, „einen nachhaltigen, klima-, natur- und umweltschonenden Tourismus in ländlichen Regionen zu etablieren“, sagte Hollerbach. Dazu seien jedoch Partner aus Politik und Wirtschaft nötig. Um Interessenskonflikte zwischen Tourismus und Naturschutz zu minimieren, seien „entsprechende Rahmenbedingungen“ nötig, um eine klare Unterscheidung zu machen zwischen Bereichen, in denen Natur erlebbar sei, und solchen, in denen die Natur in ausreichendem Maße ungestört bleibe, damit die verbliebene biologische Vielfalt geschützt werde. Nachhaltiger Tourismus in ländlichen Regionen könne nur funktionieren, „wenn alle Beteiligten ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass der Schutz von Natur und Landschaft das Fundament dafür ist“, sagte Hollerbach.
Auch Karlheinz Jungbeck, Tourismuspräsident beim ADAC, betonte, dass Umwelt- und Naturschutz sowie Tourismusinteressen zu einem Ausgleich gebracht werden müssten, „um für einen nachhaltigen, dauerhaften Erfolg naturnaher Tourismusangebote in Deutschland zu sorgen“. Diese Herausforderung werde voraussichtlich größer werden. Denn viel spreche dafür, dass Deutschland als sicheres und klimatisch angenehmes Reiseziel weiter an Beliebtheit gewinne, so dass der Druck auf deutsche Urlaubsregionen weiter steigen könnte. Eine Untersuchung des ADAC aus dem Jahr 2023 habe gezeigt, dass eine intakte Natur vor Ort einer der wichtigsten Buchungsfaktoren für die Menschen sei.
Interessensausgleiche würden immer dann gut gelingen, wenn diese neutral moderiert würden, alle Akteure einbänden, Transparenz über die geplanten Vorhaben bestehe und all das regional umgesetzt werde, unterstrich Jungbeck. Ein Positivbeispiel hierfür sei der Dialog im Rahmen des Programms Blaues Band vom Bundesamt für Naturschutz (BfN).
Josef Klenner, Kommissarischer Vorsitzender des Kuratoriums Sport und Natur, der größten Interessensvereinigung des Natursports in Deutschland, sprach von der „Schlüsselstellung“, die der „Bereitstellung von Wegedaten“ zukomme. Freizeitsportler und Touristen würden sich digital über ihre Touren informieren. Dabei spielten Qualität, Vollständigkeit und Aktualität eine entscheidende Rolle. „Durch das Teilen von Touren auf Social Media anhand von spektakulären Bildern und persönlichen Emotionen entstehen oft Scheinwelten, die wenig mit den realen Verhältnissen übereinstimmen“, sagte Klenner. Ein integratives Wegemanagement sei die notwendige Reaktion darauf und biete das Potential, umfassend über die Wegesituation in den Zielgebieten zu informieren. Das Wegemanagement müsse auf mehrere Informationsquellen, also auf Datenbänke, gleichzeitig zugreifen können, weil neben den Informationen zu Schutzgebieten auch Zustandsdaten über Auslastung, Besucherfrequenz und Wartezeiten angezeigt werden könnten und damit eine Lenkung der Besucher möglich werde.
Christian Woronka, Geschäftsführer Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH, verdeutlichte anhand von Zahlen, welchen Stellenwert der Tourismus für sein Bundesland erreicht habe. „Der Tourismus steht in Brandenburg für sieben Milliarden Euro touristischen Konsum und fast vier Milliarden Euro Bruttowertschöpfung“, sagte Woronka. Rund 100.000 Menschen seien direkt und indirekt im Tourismus beschäftigt. Im Jahr 2023 seien auf die gewerblichen Beherbergungsbetriebe in Brandenburg 14,2 Millionen Übernachtungen entfallen. Tourismus biete aber nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern leiste auch einen positiven Beitrag zur Lebensqualität der einheimischen Bevölkerung. Durch touristische Infrastrukturen, wie Wander- und Radwege oder kulturelle Einrichtungen, werde das Freizeitangebot für die lokale Bevölkerung erweitert. Rad- und Wanderwege hätten in den vergangenen Jahren immer weiter an Bedeutung gewonnen. Deshalb sei die Kombination der Wegeinfrastruktur mit touristischen Angeboten entscheidend für Wertschöpfung in den Destinationen. Derzeit fehlten beim Wandern Strukturen wie beim Radverkehr, die eine verlässliche Förderung der Wanderwegeinfrastruktur sowie des Wegemanagements beinhalteten.
Sonja Schreiter, Fachreferentin bei der Deutsche Initiative Mountainbike (DIMB), riet dazu, im Naturschutz und in der Erholungsnutzung keine Gegensätze zu sehen. Vielmehr zähle die Erholungsnutzung zu den Grundsätzen des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie zu den Entwicklungszielen für Natur und Landschaft. In der Fläche sei vor allem die gemeinsame Wegenutzung unter dem Aspekt eines respektvollen und verantwortungsvollen Verhaltens gegenüber der Natur und anderen Erholungssuchenden als wichtige Voraussetzung für natur- und sozialverträgliche Naherholung und Tourismus einzustufen. Hierzu habe die DIMB bereits vor einigen Jahren die Kampagne „Gemeinsam Natur erleben“ entwickelt, die bereits erfolgreich in Tourismusregionen wie dem Thüringer Wald, in der Rhön, im Chiemgau und im Schwarzwald eingesetzt werde.
Auch Günther Zwerger, Berater des Geoparks Ries, verwies auf die wachsende Bedeutung von Rad- und Wanderangeboten im naturnahen Tourismus. Dazu sei der Ausbau und der Erhalt von Infrastrukturen im Bereich des Radtourismus wichtig und setze eine enge Zusammenarbeit von für die jeweiligen Straßenabschnitte Verantwortlichen voraus. Die Einbindung der Bevölkerung sei bei dieser Tourismusform sehr wichtig. „Es ist zwar aufwändig, aber es lohnt sich“, sagte Zwerger. Der Geopark Ries pflege Patenschaften mit Vereinen und Bürgern und „enge Kontakte zu den Naturschutzverbänden“. Außerdem gebe es eine Zusammenarbeit mit Schulen, was wichtig sei, um die nachwachsenden Generationen an Naturschutzthemen heranzuführen. Das Feedback, das aus dem Bereich komme, sei sehr positiv, „die Eltern werden von der Begeisterung ihrer Kinder angesteckt“, sagte Zwerger.