Bundesweite Qualitätsstandards in der Kita-Betreuung
Berlin: (hib/HAU) Damit der Bund den Rahmen für bundesweite Qualitätsstandards in der Kita-Betreuung setzen kann, braucht es aus Sicht des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesfamilienministerium, Sven Lehmann (Bündnis 90/Die Grünen), keine Grundgesetzänderung. „Der Bund kann über das SGB VIII den Rahmen setzen. Die Konkretisierung dieser Vorgaben obliegt dann aber den Ländern und Kommunen“, sagte Lehmann bei einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am Montag. Mit dem Kita-Qualitätsgesetz würden die weiteren Schritte zu dem benötigten Qualitätsstandardgesetz vorbereitet. Das könne über das SGB VIII geregelt werden, sagte der Staatssekretär. „Dann aber selbstverständlich in Verbindung mit den notwendigen Bundesmitteln.“
Hintergrund der Sitzung war eine öffentliche Petition, in der die Stärkung von Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern in Deutschland durch die Einführung bundesweiter Qualitätsstandards gefordert wird (ID 167142). Die Eingabe wurde auf dem Petitionsportal des Bundestages 25.203-mal mitgezeichnet.191.051 Unterstützerinnen und Unterstützer hat die Petition zudem auf dem analogen Wege mittels Unterschriftenlisten gefunden.
Die Petentin Katja Ross, als Erzieherin in Rostock tätig, erläuterte vor den Abgeordneten die vier konkreten Forderungen der Eingabe. Es gehe um bessere Mindestpersonalstandards, einen besseren Ausbau der Kita-Plätze, eine bessere Fach- und Praxisberatung und mindestens eine Profilfachkraftstelle pro Kita, sagte sie. Mittelbare pädagogische Arbeit, Krankheits-, Fortbildungs- und Urlaubstage, so betonte Ross mit Blick auf die Mindestpersonalstandards, müssten in der Personalplanung stärker berücksichtigt werden. Die hierfür zu berücksichtigende Arbeitszeit der pädagogischen Fachkräfte müsse auf wissenschaftlicher Grundlage festgesetzt werden. Zusätzlich müssten Kitas „in herausfordernden Lagen“ durch höhere Standards besonders unterstützt werden.
Rahel Dreyer, Professorin für Pädagogik und Entwicklungspsychologie der ersten Lebensjahre an der Alice Salomon-Hochschule Berlin, verwies auf wissenschaftlich empfohlene Personalschlüssel in Kitas. „Die liegen bei unter-dreijährigen Kindern bei 1:3 und bei älteren Kindern bei 1:7,5“, sagte die Expertin, die die Petentin bei der Sitzung begleitete. In einigen Bundesländern sei man von diesen Schlüsseln, die zudem die Ausfallzeiten gar nicht einplanten, „weit entfernt“. Wenn aber die Personalschlüssel teils bei 1:17 im Krippenbereich lägen, „ist das pädagogisch nicht mehr zu verantworten“, sagte Dreyer.
Zur Fachkräftesituation im Kitabereich sagte die Petentin, es werde ihrer Ansicht nach im Grunde ausreichend ausgebildet. „Die Frage ist, warum kommen diese Fachkräfte in der Praxis nicht an.“ Viele, so Ross, hätten schon während ihrer Ausbildung oder beim Studium die Erfahrung gemacht, „dass das katastrophale Bedingungen sind, unter denen sie nicht arbeiten wollen“. Es brauche also bessere Arbeitsbedingungen.
Dreyer forderte, in den Bereich Fachkräftesicherung und -bindung zu investieren. Etwa ein Viertel der ausgebildeten Erzieherinnen und Erzieher würden in den ersten Jahren schon wieder das Berufsfeld verlassen. Als Gründe dafür würden sie unter anderem anführen, dass sie ihrem eigenen Anspruch an die Bildungsarbeit aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen nicht gerecht werden könnten und es auch kaum Karrieremöglichkeiten innerhalb des Systems gebe, sagte die Erziehungswissenschaftlerin.
Die Situation rund um die Kitabetreuung stehe und falle mit den Fachkräften, bestätigte auch Familien-Staatssekretär Lehmann. Daher habe sein Ministerium im Mai auch die Gesamtstrategie zur Fachkräftegewinnung vorgestellt. Dabei gehe es um Schulgeldbefreiung und Fragen der Vergütung, um die Ausbildung attraktiver zu machen. Es gehe aber auch um verbesserte Umschulungsmöglichkeiten.
Als dritten Punkt benannte Lehmann die Anerkennungsverfahren für Menschen mit ausländischen Berufsabschlüssen, die vereinfacht und auch berufsbegleitend ermöglicht werden müssten. „Das ist eigentlich der entscheidende Punkt“, machte er deutlich. Wenn in dieser Woche das Kita-Qualitätsgesetz beschlossen wird, woraufhin in den kommenden zwei Jahren vier Milliarden Euro an die Länder gehen, und später auch noch verbindliche Mindeststandards über das SGB VIII festgelegt werden, „braucht es dafür die Fachkräfte“. Denn, so Lehmann: „Personal-Kind-Schlüssel gibt es in fast allen Bundesländern auf gesetzlicher Basis. Nur werden die nicht eingehalten, weil es zu wenig Fachkräfte gibt.“