Experten-Kritik an der Krankenhausreform
Berlin: (hib/PK) Gesundheitsexperten halten die Krankenhausreform für sinnvoll, sehen den von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorgelegten Gesetzentwurf aber teilweise kritisch. Vor allem die Finanzierungs- und Qualitätsvorgaben stoßen auf Skepsis, wie eine öffentliche Expertenanhörung des Gesundheitsausschusses zu dem Gesetzentwurf (20/11854) gezeigt hat. Die Sachverständigen äußerten sich am Mittwoch in der Anhörung sowie in schriftlichen Stellungnahmen.
Die Allianz kommunaler Großkrankenhäuser (AKG), der Deutsche Evangelische Krankenhausverband, der AOK-Bundesverband, die DAK und die Deutsche Krebsgesellschaft meldeten sich in einer gemeinsamen Stellungnahme zu Wort und forderten eine konsequente Umsetzung der Reform, um eine zukunftsfähige Krankenhausstruktur zu schaffen. Dazu bedürfe es einer fallzahlunabhängigen und bedarfsorientiert ausgestalteten Vorhaltefinanzierung. Mit der geplanten jährlichen Anpassung der Vorhaltefinanzierung auf Basis der Ist-Fallzahlen würde jedoch keine wesentliche Änderung zum bestehenden System geschaffen, gaben die Verbände zu Bedenken. Denn Mengenanreize blieben bestehen und die Ambulantisierung von Leistungen werde gebremst. Die Festlegung von Leistungsgruppen sowie von Qualitäts- und Strukturvorgaben sei eine komplexe Aufgabe, für die eine breite Konsensfindung nötig sei.
Nach Ansicht der Initiative „Krankenhaus statt Fabrik“, in der sich unter anderen die Gewerkschaft Verdi und Ärzte engagieren, ist die jetzt geplante Reform ein Etikettenschwindel. Der Gesetzentwurf löse das Versprechen einer Entökonomisierung der Krankenhausversorgung und der Überwindung des Fallpauschalensystems (DRG) nicht ein, denn auch das Vorhaltebudget errechne sich aus Anzahl und Schwere der Behandlungsfälle und nicht aus den zur Bedarfsdeckung nötigen Vorhaltekosten. Zudem liege der DRG-Anteil an der Vergütung weiter bei 40 Prozent. Damit würden Fehlanreize fortgeschrieben. Die geplanten Leistungsgruppen und die Festlegung von Qualitätskriterien unterlägen einem hohen Missbrauchspotenzial.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erklärte, insbesondere die nicht refinanzierten Kostensteigerungen der Jahre 2022 und 2023 hätten die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser massiv verschärft. Zwingend notwendig sei ein Inflationsausgleich für diese beiden Jahre und die vollständige Refinanzierung der Personalkostensteigerungen. DKG-Vorstandschef Gerald Gaß warnte in der Anhörung vor einer „kalten Marktbereinigung“.
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erklärte mit Blick auf den geplanten Transformationsfonds in Höhe von 50 Milliarden Euro, die Regelung führe zu erheblichen Mehrausgaben zulasten der Beitragszahler. Der Auf- und Umbau der Krankenhauslandschaft sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Bund und Länder dürften ihre Finanzierungsverantwortung nicht auf die GKV abwälzen.
Der Sozialverband VdK wies auf die Bedeutung der Reform hin. Das Krankenhaussystem stehe vor dem Kollaps. Die Finanzierung setze falsche Anreize, die Länder kämen ihrem Finanzierungsauftrag nicht nach und das Personal gehe auf dem Zahnfleisch. Pfleger und Ärzte beklagten eine ständige Überlastung. Zudem leide die Qualität unter dem Fallpauschalensystem.
In der Anhörung spielten die geplanten Leistungsgruppen eine wichtige Rolle. Verschiedene Experten machten deutlich, dass die Idee dahinter gut ist, allerdings werde die Reform damit auch sehr komplex. Der Einzelsachverständige Ferdinand Gerlach von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main brachte eine Leistungsgruppe hausärztliche Versorgung ins Spiel, um die Sektorengrenzen zu überwinden. Eine sektorenübergreifende Versorgung sei überfällig. Gerlach beklagte in der Anhörung: „Wir haben eine dicke Mauer zwischen den Sektoren.“