12.06.2024 Sport — Ausschuss — hib 418/2024

Doping in China: Vertrauen in die Wada geht verloren

Berlin: (hib/HAU) Der Umgang der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) mit den positiven Tests von 23 chinesischen Schwimmern Anfang 2021 stieß bei einer Sitzung des Sportausschusses am Mittwoch auf breite Kritik. Wie eine Recherche der ARD-Dopingredaktion um den Investigativjournalisten Hajo Seppelt gemeinsam mit der „New York Times“ ergab, erfolgte keine Sanktionierung der Schwimmerinnen und Schwimmer, die bei einem nationalen Wettkampf in Shijiazhuang Anfang 2021 positiv auf das verbotene Herzmittel Trimetazidin getestet worden seien. Die Wada hatte sich, ohne eigene Untersuchungen anzustellen, der Einschätzung der chinesischen Anti-Doping-Agentur (ChiNada) angeschlossen, wonach die positiven Fälle durch Kontamination des Essens in einer Küche des Athletenhotels in Shijiazhuang zustande gekommen seien.

Eine „Räuberpistole“ sei dies, befand Journalist Seppelt und kritisierte die Wada, deren Stellungnahmen zu dem Fall viele Fragen offenließen. Auch dem Vorstandsvorsitzenden der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada), Lars Mortsiefer, reicht der Aufklärungsbeitrag der Wada nicht aus. Diese ziehe sich immer wieder auf die Aussage zurück, es handle sich um einen offensichtlichen Kontaminationsfall und nicht um Doping.

Die Säbelfechterin Léa Krüger, Präsidiumsmitglied bei Athleten Deutschland, sowie der Wasserballer Kevin Götz als Athletenvertreter des Deutschen-Schwimmverbandes (DSV) sprachen von einem Vertrauensverlust in die Integrität und Funktionsfähigkeit des globalen Anti-Doping-Systems. Deutliche Worte fand auch der für Sport zuständige Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium (BMI), Mahmut Özdemir (SPD). Die Wada, deren Budget zu einem Viertel durch Deutschland und die Staaten des Europarates gedeckt werde, verspiele „jegliche Existenzberechtigung“, sagte er.

Seppelt zog die Aussagen aus dem Bericht der ChiNada in Zweifel. Es gebe keine einzige Erklärung dafür, wie Spuren eines Dopingmittels „mitten in den Corona-Zeiten“ plötzlich in der Küche eines Hotels in Kochgefäße gelangen kann. Erst recht nicht, da es sich um ein auch in China verschreibungspflichtiges Herzmedikament gehandelt habe. Es werde auch keine verantwortliche Person, ein Koch oder Personal, als Ursprung dafür genannt, ein solches Herzmedikament mit sich geführt zu haben, was dann im Kochtopf und später auf den Tellern der Athleten gelandet sein soll. „Warum hat die Wada das einfach so zur Kenntnis genommen?“, fragte der Journalist.

Eine Antwort der Wada gab es nicht, da trotz Einladung niemand zur Sitzung des Sportausschusses erschienen war. Eine Ohrfeige für die Politik sei dies, befand Seppelt.

Für den Nada-Vorstandsvorsitzenden Mortsiefer sind weiterhin viele Fragen unbeantwortet. Es gebe nach wie vor Unklarheit und Unsicherheit über viele, wichtige Einzelheiten und den Umgang der Wada mit dem Sachverhalt. „Die Diskussionen insbesondere um die Auslegung des Regelwerks führen dazu, dass die deutschen Athletinnen und Athleten ihr Vertrauen in das globale Anti-Doping-System hinterfragen“, gab er zu bedenken. 

Ob Doping oder Kontamination: Die Betroffene hätten in jedem Fall vorläufig suspendiert werden müssen, machte Mortsiefer deutlich. Das sehe das internationale Regelwerk so vor. Es sei daher festzustellen, „dass das Anti-Doping-Regelwerk der Wada derzeit weltweit unterschiedlich interpretiert wird oder werden kann“.

Ein Zustand, den auch Säbelfechterin Krüger bemängelte. Ein Vertrauensverlust der Athleten und Athletinnen in die Grundpfeiler des globalen Anti-Doping-Kampfs und seiner Kontrollorganisationen bedeute ein schwerwiegendes Risiko für einen sauberen, dopingfreien Sport, befand sie.

Als Athlet nehme er erhebliche Eingriffe in seinen sportlichen und privaten Alltag in Kauf, sagte Wasserballer Götz. Die Athletinnen und Athleten akzeptierten die Beweislastumkehr, die sogenannte „Strict Liability“, als tragende Säule des Anti-Doping-Kampfs und würden „aus Überzeugung für einen sauberen Sport“ die Strapazen des globalen Doping-Kontrollregimes selbstverständlich auf sich nehmen. Daher erwarte man von der Wada, dass global gültige Anti-Doping-Regularien kohärent angewendet und durchgesetzt werden, betonten Krüger und Götz.

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