Geplante Steuer auf Online-Glücksspiel entzweit Gutachter
Berlin: (hib/PST) Ein Gesetzentwurf mit dem Ziel, Online-Glücksspiel effektiv zu besteuern, ist bei einer öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss sehr unterschiedlich bewertet worden. Der Bundesrat hatte den Gesetzentwurf zur Änderung des Rennwett- und Lotteriegesetzes und zur Änderung der Ausführungsbestimmungen zum Rennwett- und Lotteriegesetzes (19/28400) vor dem Hintergrund eingebracht, dass nach dem Glücksspiel-Staatsvertrag 2021 der Länder Onlinepoker und virtuelles Automatenspiel im Juli legal werden. Anders als beim herkömmlichen Glücksspiel, wo der Teil der Einnahmen, der nicht wieder als Gewinn ausgeschüttet wird, mit rund 25 Prozent besteuert wird, sollen beim anders strukturierten Online-Glücksspiel sämtliche Einnahmen pauschal mit 5,3 Prozent besteuert werden.
Renatus Zilles vom Deutschen Verband für Telekommunikation und Medien (DVTM) wies darauf hin, dass bei den im Online-Glücksspiel üblichen hohen Ausschüttungsquoten ein solcher Steuersatz von 5,3 Prozent des Einsatzes einer etwa 125-prozentigen Besteuerung der Einnahmen entspreche. Die Anbieter müssten daher, um weiterhin wirtschaftlich zu sein, ihre Auszahlungsquote auf ein Niveau senken, das die Spieler in den Schwarzmarkt treibe. Damit werde das begrüßenswerte Ziel des Glücksspiel-Staatsvertrags 2021, Jugend- und Spielerschutz zu stärken, konterkariert. Im Ergebnis würden zudem die Steuereinnahmen nicht steigen, sondern sinken.
In dieselbe Kerbe hieb der Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap. Der Glückspielstaatsvertrag 2021 wolle die Spieler möglichst in einen regulierten Markt ziehen, könnte aber an einer unsachgemäßen Besteuerung scheitern, so Haucaps Befürchtung. Es gebe unzählige illegale Portale im Internet, die leicht über Vergleichsportale zu finden seien. Zum Teil könne man dort mit Kryptowährungen spielen, was für die Behörden schwer nachzuhalten sei. Beim vorgesehenen Steuersatz würden vor allem Intensivspieler abwandern, sagte Haucap voraus, „die, über die wir uns am meisten Sorgen machen“. Frankreich, das als bisher einziges EU-Land bei Online-Poker den Einsatz besteuere, habe sich wegen dieser Folgen gerade zu einem Wechsel hin zu einer Ertragsteuer entschieden.
Dem widersprach der Kölner Rechtsanwalt Markus Ruttig entschieden. Bisher seien diejenigen Anbieter privilegiert, die sich dem deutschen Ordnungsrecht und dem deutschen Steuerrecht entziehen. Wer sich aber künftig der deutschen Steuerregelung entziehe, riskiere, den Zutritt zum deutschen Markt zu verlieren. „Das wird erstmals dazu führen, dass die Steuer in den Breite freiwillig gezahlt werden wird“, sagte Ruttig voraus. Man werde am 1. Juli eine Marktöffnung erleben wie schon bei der Legalisierung des Sportwettenmarktes. Er glaube auch nicht, dass dann viele Spieler in den illegalen Markt abwanderten, wo sie nicht wüssten, was sie von ihrem Einsatz zurückbekommen. Zudem könnten nur noch legale Anbieter in Deutschland werben.
Das Argument, dass die neue Steuer zu einem Ausweichen in die Illegalität führen könne, wollte auch Thomas Eigenthaler von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft nicht gelten lassen: „Sonst kann jeder Handwerker sagen: besteuert mich nicht so hoch, sonst gehen die Leute in die Schwarzarbeit.“ Der vorgesehene Steuersatz sei im Vergleich zu herkömmlichem Glücksspiel eher niedrig bemessen. Das Online-Glücksspiel habe Wettbewerbsvorteile, da es mit weniger Personal- und Sachaufwand zu betreiben sei und keine Schließungszeiten kenne, daher dürfe es keinesfalls auch noch steuerlich bevorzugt werden. Das terrestrische Glücksspiel zahle zusätzlich zur Umsatzsteuer die kommunale Vergnügungssteuer, die beim Online-Glücksspiel wegfalle. Die effektive Besteuerung bei diesen Betriebsstätten belaufe sich damit auf etwa fünf Euro pro hundert Euro Einsatz. Daran orientiere sich die neue Online-Steuer.
Der Münchener Rechtsanwalt István Cocron wies darauf hin, dass Online-Casinos „momentan schlichtweg verboten“ seien und dennoch einen geschätzten Jahresumsatz von einer Milliarde Euro in Deutschland machten. Dies liege auch daran, dass es praktisch keine Verfolgung der illegalen Anbieter gebe. Jeder Anbieter und jeder, der mit ihm Geschäfte mache, darunter die unerlässlichen Zahlungsdienstleister, betreibe Geldwäsche. Es gebe die gesetzlichen Instrumentarien, dies zu verfolgen, doch sie würden von der Exekutive nicht genutzt, klagte Cocron. Er setze „ein großes Fragezeichen“, ob sich diese Anbieter nun „von der neuen Steuer in legale Bahnen lenken lassen“. Der Versuch sei lohnenswert, „dann müssten aber die Steuerbehörden Einsatz bei der Verfolgung leisten“.
Hierbei setzt der Geschäftsführer von Lotto Rheinland-Pfalz, Jürgen Häfner, der in der Anhörung den Deutschen Lotto-und Totoblock vertrat, auf die neue Regulierungsbehörde in Halle, die nach dem Glücksspiel-Staatsvertrag 2021 im Juli eingerichtet werden soll. Er sei „der festen Überzeugung“, dass diese die Kanalisierung des Online-Glücksspiels in legale Bahnen durchsetzen werde. Häfner begrüßte insbesondere die vorgesehene Besteuerung der sogenannten schwarzen Lotterien, die vom Ausland aus Wetten auf die Ergebnisse von Lotto-Ziehungen anbieten. Diese seien illegal und sollten es auch bleiben, dennoch solle mit dem neuen Gesetz eine Besteuerung der vom Inland aus abgegebenen Wetten eingeführt werden. Der Umsatz der schwarzen Lotterien werde auf 700 Millionen Euro im Jahr geschätzt, sagte Häfner.
Auf verfassungsrechtliche Fragen ging der Heidelberger Steuerrechtler Ekkehart Reimer ein. Er halte die Besteuerung von Online-Glücksspiel für verfassungsrechtlich geboten wegen des Gleichheitssatzes im Grundgesetz. Probleme machte Reimer in zwei Punkten aus. Zum einen sehe er die Bundeskompetenz für diese Gesetzgebung zwar gegeben, die Begründung dafür im Gesetzentwurf sei aber anfechtbar. Vor allem aber seien die Ermächtigungsgrundlagen für die Ausführungsbestimmungen zum Gesetz viel zu unbestimmt.
Kontrovers wurde in den Anhörung bewertet, ob die geplante neue Steuer gegen EU-Recht verstößt. Sowohl Renatus Zilles vom Branchenverband DVTM als auch der Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap nannten es sehr wahrscheinlich, dass sie von der EU-Kommission als unerlaubte Beihilfe zugunsten von Spielbanken und Automatenaufstellern eingestuft wird. Dies könne für Spielbanken und Spielhallen in Deutschland weitreichende Folgen bis hin zur Existenzgefährdung haben.
Dem widersprach der Leipziger Steuerrechtler David Hummel. Eine Besteuerung, wie sie der Gesetzentwurf vorsehe, sei beihilferechtlich möglich „für bestimmte Dienstleistungen, die ich kaum anders besteuern kann“. Ein großer Vorteil der Regelung sei ihre Einfachheit. Allerdings befürchtet auch Hummel, dass damit „die Flucht in die Illegalität nicht aufgehalten wird“. Diese Frage, ob das neue Recht auch durchgesetzt werden wird, zog sich als die zentrale Frage durch die Anhörung.