Altmaier weist Verantwortung für Wirecard-Probleme von sich
Berlin: (hib/FMK) Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat bei der Aufklärung des Wirecard-Skandals die Arbeit der Abschlussprüferaufsichtsstelle Apas verteidigt. Die ihm zur Aufsicht unterstellte Behörde habe „vorzügliche Arbeit“ geleistet, sagte Altmaier als Zeuge bei der Sitzung des 3. Untersuchungsausschusses (Wirecard) unter Vorsitz von Kay Gottschalk (AfD) am 20. April 2021. Die Apas war für die Überwachung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY zuständig, die von 2009 bis 2019 den Betrug bei der Wirecard AG übersehen hat.
Altmaier war vor den Ausschuss geladen, weil das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) die Rechtsaufsicht über die Apas hat. Deren ehemaliger Leiter Ralf Bose hat bereits am 10. Dezember als Zeuge vor dem Ausschuss ausgesagt. Bose musste seinerzeit zugeben, im Verlauf des Wirecard-Skandals mit Aktien des Unternehmens gehandelt zu haben. Altmaier reagierte damals sofort und ließ Bose entlassen. Die Begründung dafür laut Altmaier: Der Vertrag sei nicht aufgelöst worden, weil er mit Aktien gehandelt, sondern weil er das nicht offengelegt habe.
Bose hatte die Aktien gekauft und recht hastig auch wieder verkauft, während Unterlagen zu dem Skandal über seinen Schreibtisch gingen. Er hat mit dem Geschäft zwar Verlust gemacht. Der Abgeordnete Florian Toncar (FDP) vermutete jedoch, dass Bose durch schnelles Handeln zumindest seine Verluste begrenzt haben könnte. Das unterscheide ihn von sonstigen Anlegern, die nach dem Totalabsturz des Kurses ihr gesamtes Investment verloren haben. Toncar fragte nach, ob Altmaier habe prüfen lassen, ob Bose seinen Wissensvorsprung entsprechend genutzt habe. „Ich habe angeordnet, dass der Fall zu untersuchen und aufzuklären sei“, sagte Altmaier. Den Vorwurf des Insiderhandels müssten die zuständigen Behörden prüfen.
Altmaier sieht jedoch insgesamt keinen Zusammenhang zwischen diesem Verstoß gegen gute Amtsführung und dem Wirecard-Skandal - schließlich habe die Apas nicht direkt die Wirecard AG überprüft, sondern nur deren Prüfer. Die Apas habe auch sonst grundsätzlich richtig gehandelt. Sie habe im Oktober 2019 ein Vorermittlungsverfahren gegen EY eingeleitet, als sich die Hinweise auf eine lückenhafte Prüfung von Wirecard verdichteten. In das konkrete Vorgehen durfte sich das Ministerium nicht einmischen: Die Apas ist laut EU-Richtlinie unabhängig von der Politik. Die konkreten Maßnahmen hätte Altmaier also gar nicht beeinflussen dürfen. „Dieses Ermessen steht der Apas zu und nicht dem Bundeswirtschaftsministerium“, sagte Altmaier.
Matthias Hauer (CDU) fragte, ob das Ministerium als Rechtsaufsicht nicht darauf hätte achten müssen, ob das Handeln der Apas im Rahmen seiner Möglichkeiten zweckmäßig sei. „Wir dürfen uns nicht in die Bearbeitung konkreter Fälle einmischen“, betonte Altmaier. „Wir dürfen aber überprüfen, ob die Apas die Regeln respektiert.“
Die Insolvenz der Wirecard AG im Juni 2020 markiert den Höhepunkt des größten Wirtschaftsskandals in der Geschichte der Bundesrepublik. Das Unternehmen hatte Einnahmen in Milliardenhöhe fingiert. Die nicht existierenden Gewinne lagerten angeblich auf Konten in Asien. EY glaubte den Belegen von zweifelhaften Treuhändern in Singapur und auf den Philippinen und gab die Jahresabschlüsse frei. Die Prüfer übersahen nicht nur, dass angeblich lukrative Geschäfte mit Drittpartnern gefälscht waren, sondern sie hatten offenbar sogar Tipps parat, wie die zweifelhaften Einnahmen in der Bilanz seriöser dargestellt werden können. Das ging aus dem Bericht des Sonderermittlers Martin Wambach von der Anwaltskanzlei Rödl & Partner hervor. Wambach hat dessen bisher ansonsten geheimen Inhalt am Dienstag vor dem Ausschuss dargestellt. „Forderungen wurden umgewandelt in Sicherheiten, die wenig später als Barmittel eingestuft wurden, die dann auf den Treuhandkonten gelandet sein sollen“, sagte der Ausschussvorsitzende Gottschalk.
In der offensichtlich nachlässigen Arbeit von EY sehen mehrere der Abgeordneten durchaus eine Verantwortung der Apas. EY hat ganz offensichtliche Warnzeichen nicht gesehen; die Apas wiederum soll die Qualität der Arbeit der Wirtschaftsprüfer sicherstellen. Andere Behörden hätten schon deutlich früher Ermittlungen aufgenommen, sagte Jens Zimmermann (SPD). Die Apas dagegen hatte auf Presseberichte über Betrug bei Wirecard zunächst nur reagiert, indem sie mit EY Kontakt aufgenommen hat. Der EY-Deutschlandchef versicherte am Telefon, „entsprechende Prüfungsschwerpunkte“ setzen zu wollen und die Unklarheiten aufzuklären. „Die Apas hat sich damit zufriedengestellt, dass das Aufsichtssubjekt sage, wir machen das schon“, kritisierte Zimmermann.
Altmaier sieht jedoch nachvollziehbare Gründe dafür, dass die Apas den vorhandenen Hinweisen nur langsam nachgegangen ist. „Der entscheidende Punkt ist, dass das Personal auf diesem Gebiet knapp ist“, sagte Altmaier. Es sei schwer, entsprechend qualifizierte Mitarbeiter für die Apas zu gewinnen. Er erhoffe sich vom Ausschuss Hinweise, wie sich die Behörde besser ausstatten lasse.
Zuvor hatte der Ausschuss die Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) befragt. Bär hatte Wirecard im November 2019 besucht. Sie hatte in dem Termin einen regulären Vorgang gesehen: Wirecard war ein Unternehmen aus der Informationstechnik mit Sitz in Bayern und zudem vor kurzem in den Deutschen Aktienindex Dax aufgestiegen. Das Unternehmen lag also in ihrem Interessen- und Zuständigkeitsbereich. Der Besuch bestand im Wesentlichen aus einem Gespräch mit Firmenchef Markus Braun, der ihr auffällig selbstbewusst gegenübergetreten sei. Braun habe ungefragt betont, keine staatliche Hilfe zu benötigen weder eine Änderung der Regularien noch Subventionen. „Braun machte den Eindruck, auf die herabzublicken, die es nicht aus eigener Kraft schaffen“, sagte Bär.
Braun habe Bär gebeten, sich für einen Termin bei Bundeskanzlerin Angela Merkel einzusetzen. Ihr Büro habe das Ansinnen an das Büro der Kanzlerin weitergeben. Der Termin kam zwar nie zustande. Für Bär war der Vorgang jedoch mit der Weitergabe des Terminwunschs jedoch bereits abgehakt.