15.11.2023 | Parlament

Grußwort bei der Veranstaltung „III. Forum Staatssicherheit und Repression auf dem Neubrandenburger Lindenberg - Erinnern & Gedenken im Dialog“, Latücht-Kino, Neubrandenburg

Das Foto zeigt eine Frau, die an einem Rednerpult steht und in das Mikrofon spricht.

Die SED-Opferbeauftragte hält bei der Veranstaltung „III. Forum Staatssicherheit und Repression auf dem Neubrandenburger Lindenberg - Erinnern & Gedenken im Dialog“ im Latücht-Kino in Neubrandenburg eine Rede. (© Team Zupke)

Sehr geehrter Herr Prof. Teschke, sehr geehrte Mitglieder des Rates der Stadt Neubrandenburg,
lieber Burkhardt Bley,
lieber Herr Köllner,
lieber Herr Prof. Brauer, lieber Herr Maaß
und vor allem: liebe ehemalige politische Häftlinge des Gefängnisses auf dem Lindenberg,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

„Nicht noch ein Gefängnis! Und nicht noch eine Gedenkstätte!“ Diese Reaktion höre ich öfters, wenn über die früheren Orte und ihre heutigen Nutzungsmöglichkeiten gesprochen wird. 

Die Staatssicherheit hatte hunderte von Gebäuden. Hinzu kamen Jugendwerkhöfe, Spezialkinderheime und viele weitere Einrichtungen. Orte der Repression. Orte des Unrechts. Wie ein Spinnennetz gespannt über ein ganzes Land. 

Für die Opfer der SED-Diktatur haben diese Orte eine besondere Bedeutung. Es sind die Orte, an denen sie gelitten haben – mitunter über Jahre. 

Der Erhalt und die Sichtbarmachung dieser Orte sorgen ganz wesentlich dafür, dass die Erinnerung nicht verblasst. Dass die Geschichte der Opfer - die Geschichte von ihrem Leiden - erzählt und weitergetragen wird. 

Erinnerung braucht Orte. Aber die ehemaligen Orte der Repression sind noch mehr als das. 

Als der türkische Exil-Journalist Can Dündar die ehemalige Stasi-Zentrale in Berlin besuchte, als er im Archiv umgeben von den Zeugnissen des Unrechts und in den Diensträumen von Stasi-Minister Mielke stand, machte er deutlich: 

„Irgendwann kommt der Tag, an denen wir das Unrecht in unserem Land aufklären werden. Es kommt der Tag, an dem auch wir die Zentrale unseres Geheimdienstes stürmen und das Blatt sich auch für uns wenden wird.“

Gedenkstätten sind Orte der Erinnerung. Gleichzeitig sind sie aber ebenso auch Orte der Hoffnung und der Ermutigung. Es sind Orte, die vom Sieg der Demokratie über die Diktatur zeugen. 

Als SED-Opferbeauftragte liegt es mir am Herzen, dass wir uns der besonderen Bedeutung dieser Orte der Repression bewusst werden. Natürlich bin ich Realistin und weiß, dass nicht überall eine umfassende Gedenkstätte mit großer Personalausstattung entstehen kann. Aber ich erlebe immer wieder, wie Städte und Landkreise es schaffen, einen eigenen Weg im Umgang mit den Hinterlassenschaften der Diktatur zu finden. Einen Weg, in dem Gedenken und Erinnern und eine zukunftsgerichtete Stadtentwicklung nicht zum Gegensatz werden, sondern sich vielmehr ergänzen. 

Mit der Entscheidung im Rat der Stadt für ein Moratorium, wurde hier in Neubrandenburg eine Tür geöffnet. Es ist eine Tür hin zu einem Dialog darüber, wie mit der Geschichte umgegangen werden soll, hin zu einem Dialog darüber, wie das Areal für die Stadtgesellschaft nutzbar gemacht werden kann. 

Meine Bitte an Sie: Bei all den Entscheidungen, die in diesem herausfordernden Prozess vor Ihnen liegen, vergessen Sie dabei nicht die Menschen, die hier in Neubrandenburg als politische Häftlinge für ihren Kampf für Freiheit und Selbstbestimmung ins Gefängnis gingen! Ihre Stimme ist wichtig. 

Die ehemalige Haftanstalt auf dem Lindenberg ist Teil der Geschichte dieser Stadt. Vom Lindenberg aus wurde die Repression nicht nur geplant, sondern auch Menschen zu Unrecht eingesperrt. 

Der Lindenberg steht für mich aber ebenso auch für den Mut der Menschen Neubrandenburgs. Es waren Bürgerinnen und Bürger, die am 5. Dezember 1989 die Stasi-Bezirksverwaltung besetzten und der Geheimpolizei hier in der Stadt damit das Handwerk legten. An das Leid und an den Mut zu erinnern, halte ich für geboten. 

Über Gestaltung der Erinnerung, über Umfang und Form, braucht es die Debatte. Es braucht den Austausch, wie heute Abend hier. Und gleichzeitig braucht es einen realistischen Blick für das Mögliche. 

Viel zu viele Orte sind in den letzten Jahrzehnten – ohne eine wirkliche gesellschaftliche Debatte - unwiederbringlich verschwunden und damit jedweder Erinnerungs- und Bildungsarbeit entzogen.

Neubrandenburg aber hat die Chance, Erinnerung und Zukunft auf dem Lindenberg zueinander zu bringen. Ich bin überzeugt davon, dass Sie gemeinsam diese Chance nutzen werden. 

Vielen Dank!

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