Pressemitteilung: SED-Opferbeauftragte zu aktuellen Planungen für Verbesserungen für SED-Opfer
Zu den aktuellen Medienberichten über Inhalte eines Referentenentwurfs des Bundesjustizministeriums zur Überarbeitung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze erklärt die SED-Opferbeauftragte beim Deutschen Bundestag:
Zupke: „Ich bin dankbar, dass mit der Einführung der Dynamisierung der SED-Opferrente und der Leistungen für beruflich Verfolgte einen wesentlichen Beitrag zur zukunftssicheren Ausrichtung unseres Unterstützungssystems für die Opfer der SED-Diktatur leistet. An wesentlichen Stellen werden die vom Bundesjustizminister angekündigten Veränderungen den aktuellen Herausforderungen nicht gerecht.“
Neben der geplanten Dynamisierung der Opferrente wirbt die SED-Opferbeauftragte auch dafür, die rasanten Steigerungen der Lebenshaltungskosten der zurückliegenden Jahre zu berücksichtigen.
Zupke: „Eine Steigerung der Opferrente in 2025, fünf Jahre nach der letzten Erhöhung, um einen Betrag, der nur die Rentensteigerung des aktuellen Jahres berücksichtigt, wird der aktuellen Lage gerade mit Blick auf die Entwicklung der Inflation der letzten Jahre und der prekären sozialen Lage vieler SED-Opfer nicht gerecht. Es darf den Opfern nicht zum Nachteil werden, dass das Gesetzgebungsverfahren erst drei Jahre nach Unterzeichnung des Koalitionsvertrages zum Abschluss kommen wird. Ich wünsche mir, dass der Dynamisierung eine Erhöhung vorangestellt wird.“
Ein besonderer Kritikpunkt liegt aus Sicht der Opferbeauftragten im Fehlen einer Regelung zur Verbesserung der Anerkennung von verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden.
Zupke: „Noch in der letzten Wahlperiode forderte die Fraktion des heutigen Justizministers in einem Antrag im Bundestag von der damaligen Bundesregierung die Einführung einer Beweislastumkehr bei der Anerkennung gesundheitlicher Schäden. Ebenso hat auch der Koalitionsvertrag Erleichterungen angekündigt. Ich werbe dafür, dass man hier gegenüber den Opfern Wort hält. Die Lage ist dramatisch. So wurden beispielsweise in Sachsen-Anhalt seit 2015 nur drei von insgesamt 105 Anträgen positiv beschieden. Die Politik darf die Opfer an dieser Stelle nicht länger allein lassen.“
Zum Verweis, dass das bestehende soziale Entschädigungsrecht ausreichend und daher keine neue Regelung notwendig sei, verweist die Opferbeauftragte auf den konkreten Inhalt des geltenden Gesetzes zur Regelung des sozialen Entschädigungsrechts.
Zupke: „Das Gesetz wurde im Bundestag schon 2019, zwei Jahre vor dem Koalitionsvertrag beschlossen. In der damaligen Gesetzesbegründung heißt es wörtlich, dass mit den Regelungen im Gesetz zur Bewertung des kausalen Zusammenhangs nur die höchstrichterliche Rechtssprechung des Bundessozialgerichtes von 2003 aufgegriffen wurde, um deren Beachtung und Anwendung die Länder im Jahr 2006 durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gebeten wurden. Diese Regelung, die seit nun bald zwanzig Jahren die tagtägliche Anerkennungspraxis in den Behörden bestimmt, als ausreichend darzustellen, geht an der Realität vorbei und steht im Widerspruch zum Koalitionsvertrag. Der Koalitionsvertrag enthält, bezogen auf die Anerkennung von verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden, keinen Prüf-, sondern einen Umsetzungsauftrag.“
Die SED-Opferbeauftragte wirbt daher weiterhin für die Einführung einer Regelung, bei der bei politisch Verfolgten, die heute unter Gesundheitsschäden leiden, der Zusammenhang als gegeben vorausgesetzt wird. In ihrer Bewertung stützt sich die SED-Opferbeauftragte auf aktuelle Ergebnisse des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojektes der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
Zupke: „Allein rund 60 Prozent der weiblichen ehemaligen politischen Gefangenen leiden heute unter einer Angststörung. Dieser Wert ist fünfzehn Mal höher als in der restlichen Bevölkerung. Ich werbe bei der Politik dafür, dass wir an diesen Forschungsergebnissen nicht länger vorbeigehen, sondern vielmehr auf Grundlage der Forschung unseren Umgang mit den gesundheitlichen Schäden, die politisch Verfolgte in der Diktatur erleiden mussten, auf ein neues Fundament stellen.“
Auch bei weiteren Aspekten des Entwurfs sieht die SED-Opferbeauftragte dringenden Anpassungsbedarf. Dies betrifft u.a. die vorgeschlagene Einmalzahlung für die Opfer der Zwangsaussiedlung.
Zupke: „Ein gesetzlicher Anspruch auf eine Einmalzahlung für die Betroffenen von Zwangsaussiedlung wird von mir ausdrücklich begrüßt. Die Festlegung der Höhe auf einen Betrag von 1.500 € ist für mich jedoch nicht nachvollziehbar. Die Höhe der Einmalzahlung sollte sich vielmehr in das Gefüge der bisherigen Einmalzahlungen für unterschiedliche Opfergruppen einfügen. So erhielten beispielsweise anerkannte Doping-Opfer vor wenigen Jahren mit 10.500 € einen sieben Mal höheren Betrag. Dass Betroffene, die zu DDR-Zeiten in Gerichtsverfahren einen vermeintlichen Ausgleich erhalten haben, nun von der Einmalzahlung ausgeschlossen werden sollen, ist bedenklich. Gerade diese DDR-Verfahren waren es, die die Menschen als große Demütigung durch einen übermächtigen Staat erlebt haben. Auf die Bedeutung des Rechts als Herrschaftsinstrument in der SED-Diktatur hat der Bundesjustizminister selbst in einem Beitrag zum 17. Juni im letzten Jahr verwiesen.“
Ebenso wirbt die Opferbeauftragte dafür bei der Überarbeitung der Gesetze konsequent aktuelle Forschungsergebnisse zu berücksichtigen.
Zupke: „Allein der Bund hat in den letzten fünf Jahren über 40 Mio. € in die Forschung zum SED-Unrecht und seinen Folgen investiert. Der Koalitionsvertrag hat daher zu Recht die Anpassung der Definition der Opfergruppen an die Forschung angekündigt. Gerade mit Blick auf die aktuellen Forschungsergebnisse sehe ich die Notwendigkeit, auch die Unterstützungsmöglichkeiten für die Opfer des DDR-Zwangsdopingsystems, für die Zersetzungsopfer, die durch die Stasi im Westen verfolgt wurden und insbesondere für beruflich Verfolgte mit kürzeren Verfolgungszeiten zu verbessern.“
Niels Schwiderski, Leitung der Geschäftsstelle der SED-Opferbeauftragten