07.10.2024 | Parlament

Rede anlässlich der Einweihung der Gedenktafel für die politisch Verfolgten und Opfer der Staatssicherheit der ehemaligen DDR

Das Bild zeigt eine FRau die von einem Blatt abliest. Hinter ihr ist eine rot angemalte Betonmauer zu sehen. An dieser Betonmauer ist eine Metaltafel angebracht Darauf steht etwas.

Die SED-Opferbeauftragte bei der Einweihung der Gedenktafel auf dem Gelände der ehemaligen Stasi-Haftanstalt auf dem Lindenberg in Neubrandenburg. (© Team Zupke)

Sehr geehrter Herr Rohloff,
sehr geehrter Herr Modemann,
sehr geehrter Herr Maaß, 
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Opferverbände,
sehr geehrte Gäste,

ich bin dankbar, heute hier bei Ihnen in Neubrandenburg zu sein.

Heute, kurz nach dem Tag der Deutschen Einheit und wenige Wochen vor dem 35. Jahrestag des Mauerfalls. Eine Zeit, in der wir uns besonders an den Herbst ‘89 erinnern. An die Menschen auf der Straße. An die Friedliche Revolution und schließlich an den Fall der Mauer.

Das, was 1989 passiert ist, das war kein Zufall – auch wenn fast niemand es noch Monate zuvor geglaubt hätte. Der Herbst 1989, er war nur möglich, weil er aufbauen konnte auf jahrzehntelangen Widerstand.

Widerstand durch Menschen, deren Kampf für Selbstbestimmung und Demokratie nicht wie 1989 in die Freiheit, sondern für Hunderttausende von ihnen in die Gefängniszellen der SED-Diktatur führte. Orte des Unrechts. Gespannt wie ein Netz über ein ganzes Land.

Was heißt es in einer Diktatur zu leben? Was bedeutet es Opfer einer Diktatur zu werden?

Lutz Friedel wuchs hier in der Region auf. Schulbesuch, Berufstätigkeit, unauffällig würden die DDR-Behörden es nennen. In ihm wuchs jedoch schon zu dieser Zeit der Widerspruch gegen das System. Als 1976 Wolf Biermann ausgebürgert wurde, wurde Lutz Friedel aktiv. Gemeinsam mit einem Freund brachte er Losungen in Neustrelitz an, um gegen die Ausbürgerung zu demonstrieren.

Was folgte war die Verhaftung durch die Staatssicherheit. Untersuchungshaft und schließlich das Urteil. Gefällt hier in Neubrandenburg. Drei Jahre Gefängnis. Drei Jahre Gefängnis dafür, dass Lutz Friedel nichts mehr tat, als öffentlich seine Meinung zu sagen. Sein Weg führte weg aus seiner Heimat an der mecklenburgischen Seenplatte in das Gefängnis nach Cottbus. Aus der Haft entlassen, blieb ihm jede berufliche Entwicklung verwehrt.

Die Geschichte von Lutz Friedel steht für mich stellvertretend für das, was die Opfer in der SED-Diktatur erdulden mussten. Seine Geschichte steht für mich aber ebenso auch stellvertretend für die unschätzbaren Verdienste dieser Menschen. Es liegt in unseren Händen, von ihrem Schicksal zu berichten. Dafür zu sorgen, dass ihr Leid nicht vergessen wird.

Lieber Andre Rohloff. Das wir heute hier, an diesem Ort, an die Opfer der Diktatur erinnern können, das ist ganz wesentlich ihr Verdienst. Damit meine ich nicht nur die Gedenktafel, die Sie mit der VOS gespendet haben, sondern vor allem Ihren unermüdlichen Einsatz gemeinsam mit der VOS gegen das Vergessen und für die Aufklärung über die Diktatur.

Das gemeinsame Erinnern. Es steht für die Würdigung der Opfer. Mit unserem gemeinsamen Erinnern senden wir gleichzeitig aber auch ein Signal in unsere heutige Gesellschaft. Ein Signal an all die Menschen, die heute unter Diktatur leiden müssen. Wir vergessen euch nicht!

Der 7. Oktober, der sogenannte Tag der Republik, mit all seinen Paraden und Ergebenheitsadressen gegenüber den Mächtigen. Der 7. Oktober, er war Jahr für Jahr Machtdemonstration eines übermächtigen Regimes.

Dass wir heute, an einem 7. Oktober, hier in Neubrandenburg, der Opfer der SED-Diktatur gedenken. Für mich ist dies auch ein Zeichen des Sieges der Demokratie über die Diktatur. Wir denken heute an all die Menschen, die gegen die SED-Diktatur gekämpft haben. An die Menschen, die zu Opfern wurden und an den Folgen des Erlebten bis heute tragen.

Gleichzeitig denken wir an all die Menschen, die im Kampf gegen die SED-Diktatur ihr Leben ließen. An die vielen unschuldigen Opfer von Diktatur. Wir denken ebenso auch an ihre Angehörigen, die mit dem Schmerz des Verlustes bis heute leben müssen.

Wir vergessen die Opfer nicht.

Vielen Dank!