Worte von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas vor Eintritt in die Tagesordnung zur Begrüßung von Roman Schwarzman
[Stenografischer Dienst]
Jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich Sie kurz um Aufmerksamkeit. Wir haben heute Morgen auf der Tribüne einen besonderen Gast: Roman Schwarzman.
Sehr geehrter Herr Schwarzman, ich freue mich, dass Sie den beschwerlichen und gefährlichen Weg aus Odessa auf sich genommen haben. Sie waren selbst noch ein Kind, als die Deutschen 1941 in die Ukraine einfielen und Sie mit Ihrer Familie ins Ghetto verfrachtet wurden. Seit 30 Jahren engagieren Sie sich für die jüdischen Überlebenden der Ghettos und Konzentrationslager in der Ukraine und ganz besonders in Ihrer Heimatstadt, und Sie setzen sich mit aller Kraft dafür ein, dass die Opfer des Holocaust nicht vergessen werden, dass ihre Geschichten weitergetragen werden und ihrer würdig gedacht wird. Ich danke Ihnen für dieses große und wichtige Engagement. Es ist uns eine Ehre, Sie heute hier im Deutschen Bundestag begrüßen zu dürfen.
(Beifall im ganzen Hause - Die Anwesenden erheben sich)
Die Erinnerung an das Menschheitsverbrechen der Shoah ist und bleibt unerlässlich. Das ist Teil der historischen Verantwortung Deutschlands. Etwa anderthalb Millionen Jüdinnen und Juden wurden in der Ukraine ermordet. Mehr als 2 000 Tatorte des Massenmordes liegen auf dem Gebiet der heutigen Ukraine. Jüdische Frauen, Männer und Kinder wurden zusammengetrieben. Sie wurden erschossen, wie in der Schlucht von Babyn Jar, oder verbrannt in Odessa. Auch Charkiw, Mariupol oder Luhansk waren Tatorte des Verbrechens - Ortsnamen, die viele von uns in Deutschland erst seit einigen Monaten kennen, seit Russlands Überfall auf die Ukraine.
Der russische Präsident begründet den völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine mit der Lüge einer angeblich notwendigen Entnazifizierung. Damit missbraucht er in perfider Weise die Geschichte des deutschen Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion und des Völkermordes an den Juden Europas.
Millionen haben ihre Heimat verlassen auf der Flucht vor Tod und Gewalt. Ungezählte Tausende sind diesem Krieg bereits zum Opfer gefallen, darunter Überlebende des Holocaust - wie Boris Romantschenko, der das KZ Buchenwald überlebte und dem dieses Haus im März gedachte.
Unter den vielen Ukrainerinnen und Ukrainern, die bei uns Zuflucht gefunden haben, sind jüdische Kinder und pflegebedürftige Holocaustüberlebende. Sie konnten dank der gemeinsamen Initiative jüdischer Organisationen in der Ukraine und in Deutschland evakuiert werden. Im Namen des ganzen Hauses danke ich allen, die diese Rettungsaktion durch ihr Engagement möglich gemacht haben.
(Beifall im ganzen Hause)
Lieber Roman Schwarzman, wir stehen an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer. Unser Ziel ist der Frieden in Freiheit. Vielen Dank, dass Sie heute bei uns sind.
(Beifall im ganzen Hause)