Worte von Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble vor Eintritt in die Tagesordnung zum Gedenken an Klaus Klinkel
[Es gilt das gesprochene Wort]
Anrede
Am 4. März verstarb Klaus Kinkel. Er wurde 82 Jahre alt.
Wir verlieren mit ihm einen Staatsdiener im besten Sinne des Wortes. Einen Spitzenbeamten, der nicht nach Ämtern strebte, sich aber immer wieder in die Pflicht nehmen ließ. Einen Staatsbürger und Politiker, der nie den Respekt vor der ihm übertragenen Verantwortung für die Gesellschaft verloren hat.
Nicht zuletzt: Für manchen von uns, wie mich, bedeutet sein Tod den Verlust eines politischen Weggefährten und Freundes, dessen Loyalität, Belesenheit und Warmherzigkeit fehlen wird.
Klaus Kinkel begann seine Laufbahn im Innenministerium in Bonn. Sie führte den politisch denkenden Juristen zunächst an die Spitze des Bundes-nachrichtendienstes, später als Staatssekretär ins Bundesjustizministerium.
Bereits zu dieser Zeit, in der die Debatten um die Verkürzung und Beschleunigung von Asylverfahren oder um das Ausländerrecht die Zusammenarbeit in der damaligen Koalition nicht immer einfach machten, zeichnete er sich als ein verlässlicher Hauptgesprächspartner aus, als ausgleichender und gradliniger Gestalter der Geschicke unseres Landes. Auf diese Weise machte er sich in der Innen- und der Rechtspolitik einen Namen, lange bevor er in einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Einen Höhepunkt in seiner Karriere bedeuteten auch für ihn die ereignisreichen Monate der Wiedervereinigung, in denen er im Ringen um die Wirtschafts-Währungs- und Sozialunion und um den Einigungsvertrag nicht nur mit mir als Bundesinnenminister eng zusammenarbeitete, sondern auch – vom Bundeskanzler beauftragt – in direkten Gesprächen mit Lothar de Maizière schwierige Fragen aushandelte.
Nach der Wiedervereinigung übernahm Klaus Kinkel das Justizressort. Damals wurde der bis dahin parteilose Liberale Mitglied der Freien Demokraten. Dass er als „Neuling“ seine Partei nur zwei Jahre später führen würde, hat Klaus Kinkel ebenso wenig gezielt angestrebt wie später sein Bundestagsmandat, den stellvertretenden Fraktionsvorsitz – oder die Nachfolge Hans-Dietrich Genschers als Bundes¬außen¬minister.
Mit ihm verband Kinkel eine besondere Vertrautheit und Nähe – als überzeugte Liberale, leidenschaftliche Europäer und „ehrliche Patrioten“, ein Ausdruck, den Klaus Kinkel selbst benutzte. Und er pflegte als Vizekanzler ein gutes Vertrauensverhältnis zum Bundeskanzler. Für die christlich-liberale Koalition war das ebenso wichtig wie für die Verhandlungspartner Kinkels auf internationaler Bühne.
Im Auswärtigen Amt erkannte Klaus Kinkel sehr rasch, dass mit der Wiedervereinigung, der Öffnung des europäischen Integrationsprozesses nach Osten und dem Zerfall des bipolaren Machtgefüges weltweit die „Trennlinien zwischen Innen- und Außenpolitik aufgeweicht“ wurden. So drückte er es aus. Und er plädierte klarsichtig für einen doppelten Neuanfang – im Blick auf die innere Einheit unseres Landes wie auf die Neubestimmung der Position des wiedervereinigten Deutschlands in Europa, die Aufnahme der Osteuropäer und die Zukunft der Bündnissysteme, in denen das vereinigte Deutschland seine neue Rolle erst suchen musste.
Klaus Kinkel verstand es in den sechs Jahren an der Spitze des Auswärtigen Amts Kontinuität in der deutschen Außenpolitik zu wahren – in einer offenen und von ihm als unsicher wahrgenommenen weltpolitischen Situation. Er vertrat mit Augenmaß die Interessen des wiedervereinigten Deutschland – würdig und besonnen. Damit trug er entscheidend dazu bei, das Vertrauen in die Verlässlichkeit des geeinten Deutschlands in der Welt weiter zu stärken.
Klaus Kinkel hat sich um unser Land verdient gemacht. Der Deutsche Bundestag wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren.
Unsere Gedanken sind bei seiner Frau und bei seinen Töchtern. Wir sprechen ihnen und allen Angehörigen unser tiefes Mitgefühl aus.