Emotionale Sicherheitsdebatte im Bundestag
Eine massive Dysfunktionalität der deutschen Sicherheitsbehörden hat der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Hess bei einer emotional geführten Parlamentsdebatte am Donnerstag, 30. Januar 2025, beklagt. Es ging dabei um drei Anträge der AfD-Fraktion: „Innere Sicherheit nachhaltig sicherstellen - Mut bei der Priorisierung der Bekämpfung von Kriminalität, Terror und Antisemitismus“ (20/14719), „Sicherheitslücken zur Bekämpfung von Islamisten schließen: Europäische Gefährderdatei ins Leben rufen, Präventivgewahrsam für Gefährder einführen und Bundeskompetenz für Terrorbekämpfung erweitern“ (20/14720) sowie „Bundeseinheitliche Transparenz bei der Darstellung von migrationsbezogener Kriminalität jetzt zeitnah sicherstellen“ (20/14721).
Gegen die Stimmen der AfD gab es keine Abstimmungen in der Sache. Die Anträge wurden zur Weiterberatung an die entsprechenden Ausschüsse überwiesen.
AfD sieht „sicherheitspolitische Bankrotterklärung“
Deutschland sei so unsicher wie nie zuvor, meinte Hess. Jeder könne überall „Opfer eines Mordanschlags sogenannter Flüchtlinge“ werden. Der Staat sei nicht mal mehr in der Lage, die Schwächsten und Schutzbedürftigsten, nämlich die Kinder, vor barbarischen Mördern zu schützen. Das sei eine sicherheitspolitische Bankrotterklärung.
Eine AfD in der Regierungsverantwortung würde dies beenden. Alle Wahlergebnisse und Umfragen zeigten, dass der Wähler eine konservative Regierung aus AfD und Union wolle, um den Migrationswahnsinn endlich zu beenden.
SPD nennt AfD „Vaterlandsverräter und EU-Feinde“
Sebastian Fiedler (SPD) meinte in Richtung AfD, es handle sich um Vaterlandsverräter und EU-Feinde. Scharf kritisierte er die CDU/CSU-Fraktion, dass sie am Vortag die Zustimmung der AfD zu ihrem Antrag zur Verschärfung bei der Migration akzeptiert habe: „Schämen Sie sich in Grund und Boden.“
In ihren Anträgen tue die AfD nur so, als ob sie die Interessen der deutschen Sicherheitsbehörden vertrete. Tatsächlich möchte die Polizei, so Fiedler, dass endlich wieder über Sicherheitsfragen gesprochen und nicht so getan werde, als ob das gleichbedeutend mit Migrationsdebatten wäre.
Union verlangt „sofortige Reduzierung der Migration“
Mechthilde Wittmann (CDU/CSU) erklärte, die Union habe keinen Nachholbedarf bei der Frage der inneren Sicherheit. Die Ampel habe sich nach jeder Tat in den letzten drei Jahren geweigert, von der Union angemahnte Konsequenzen zu ziehen. Die Bürger hätten darauf vertraut, dass die von ihnen gewählten Vertreter endlich etwas tun. Auch nach dem Bruch der Ampel habe die Koalition keine Lösung mit der Union gewollt.
Wittmann verlangte „eine zwingende sofortige Reduzierung der Migration auf ein Maß, das wir stemmen und verantworten können“.
Grüne kritisieren „politischen Sündenfall“
Lamya Kaddor (Bündnis 90/Die Grünen) hielt der CDU/CSU-Fraktion bezüglich der Abstimmung über den Migrationsantrag vor, den Rechtsextremen, Rassisten und Nazis das Signal gegeben zu haben, sie hätten Recht. Wer die AfD verhindern wolle, könne nicht mehr auf die Union setzen. Der politische Sündenfall bedeute eine gewaltige Gefahr für die Sicherheit in Deutschland.
Sie sprach sich für eine evidenzbasierte, nicht emotionalisierte Sicherheitspolitik aus. Die Sicherheitsbehörden müssten genug Geld, Personal und Ausstattung bekommen, um entschieden gegen Extremismus vorgehen zu können – mit Repression, aber auch mit Prävention.
FDP fordert „bessere Organisation des Rechtsstaats“
Manuel Höferlin (FDP) beklagte eine unsachliche Auseinandersetzung. Die AfD-Anträge seien nicht problemlösend. Nach den Anschlägen fragten die Menschen, was falsch laufe im Staat. Im Bundestag, speziell im Innenausschuss, sei nicht darüber diskutiert worden, was geändert werden könne, sondern wer die Schuld daran trage.
Was nicht gebraucht werde, seien Vorschläge für neue Gesetze, sondern eine bessere Organisation des Rechtsstaats und der Strafverfolgungsbehörden. Der Staat müsse sich auf Kernaufgaben konzentrieren statt Geld auszugeben für Projekte, die nicht zielführend seien.
Linke warnt vor „Ablenkungsdebatten“
Janine Wissler (Gruppe Die Linke) prangerte eine Überbetonung des Migrationsthemas im Wahlkampf an, statt Wohnungsmangel, Armut oder Pflegenotstand anzusprechen. Nichts davon stehe in dieser Woche auf der Tagesordnung des Bundestages.
Stattdessen würden Ablenkungsdebatten über Grenzschließungen geführt. Die Migrantinnen und Migranten in Deutschland bräuchten Solidarität. Die Union schreibe bei der AfD Anträge ab und stimme mit ihr gemeinsam ab. Das sei eine Zäsur.
BSW: Ampel hat viel Zeit verschlafen
Klaus Ernst (BSW) äußerte die Vermutung, niemand außer der AfD fühle sich bei der Debatte wohl in seiner Haut. Auch SPD und FDP müssten nachdenklich sein: Warum sei es nicht möglich gewesen, vollkommen vernünftige Vorschläge der CDU, also einer demokratischen Partei, im demokratischen Prozess im Bundestag zumindest so zu behandeln, dass sie in den Ausschüssen beraten wurden? Das sei nicht klug gewesen. Von der Ampel sei in den letzten drei Jahren viel Zeit verschlafen worden.
Erster Antrag der AfD
In ihrem ersten Antrag fordert die AfD-Fraktion die Bundesregierung auf, Verbote „islamistischer und antisemitisch ausgerichteter Organisationen, stets unter Beachtung des rechtsstaatlich möglichen Handlungsspielraums, endlich zeitnah umzusetzen“. Genannt werden dazu in der Vorlage „die Muslimbruderschaft in Deutschland und ihre Ableger“. Auch die „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ sei zu verbieten. Ferner soll die Bundesregierung nach dem Willen der AfD Maßnahmen ergreifen, „um die Einreise islamistischer Prediger ausreichend effektiv zu unterbinden“.
Des Weiteren fordert die Fraktion unter anderem, „die Bundesgrenze wesentlich intensiver und lückenloser zu kontrollieren, ohne dabei den Waren- und Pendlerverkehr unzumutbar zu beeinträchtigen, um die Anzahl unerlaubter Einreisen zu reduzieren und auch Zurückweisungen von Asylantragstellern vorzunehmen, die über sichere Drittstaaten einreisen wollen“.
Zweiter Antrag der AfD
Die Bundesregierung soll sich nach dem Willen der AfD-Fraktion „auf europäischer Ebene für den zeitnahen Aufbau einer europäischen Gefährderdatei für Islamisten“ einsetzen. In ihrem zweiten Antrag fordert die Fraktion die Bundesregierung zudem auf, Verhandlungen mit den Bundesländern „mit dem Ziel einer Neuverteilung der Kompetenzen im Bereich der allgemeinen Gefahrenabwehr aufzunehmen, um die Terrorbekämpfung effizienter auszugestalten“.
Dem Bundeskriminalamt soll der Vorlage zufolge unter anderem eine gesetzliche Befugnis eingeräumt werden, „dass eine Person in Gewahrsam genommen werden kann, wenn aufgrund von Gefährderanalysen bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person aufgrund ihres individuellen Verhaltens eine drohende terroristische Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut wie beispielsweise Leib und Leben darstellt“.
Dritter Antrag der AfD
In ihrem dritten Antrag fordert die AfD-Fraktion die Bundesregierung auf, „verbesserte Berichtsstandards insbesondere im Hinblick auf eine transparente öffentliche Berichterstattung zu relevanten Erkenntnissen wie der Staatsangehörigkeit und einem etwaigen Migrationshintergrund von Tatverdächtigen“ verbindlich festzulegen.
Ferner dringt die Fraktion unter anderem darauf, deutsche Tatverdächtige mit einer weiteren Staatsangehörigkeit künftig in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) als Untergruppe auszuweisen. (sto/hau/30.01.2025)