Parlament debattiert über die Lage in Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes
Nach dem Sturz des Assad-Regimes hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) dazu aufgerufen, alle Bevölkerungsgruppen am politischen Prozess in Syrien zu beteiligen. Für einen friedlichen Übergang müssten die Rechte aller ethnischen und religiösen Gemeinschaften berücksichtigt werden, betonte Baerbock im Bundestag.
Auf Verlangen der Fraktionen von SPD und Grünen debattierte das Plenum am Mittwoch, 18. Dezember 2024, in einer Aktuellen Stunde über die Lage in Syrien, in dem ab 2011 ein Bürgerkrieg ausgebrochen und Millionen Menschen zur Flucht gezwungen worden waren.
Ministerin Baerbock: Territoriale Integrität nicht infrage stellen
Baerbock warnte davor, den syrischen Dialogprozess von außen zu torpedieren. „Wenn wir Frieden in der Region wollen, darf die territoriale Integrität Syriens nicht infrage gestellt werden“, betonte die Ministerin.
„Eine auf Dauer angelegte Besatzung auf dem Golan verstößt gegen das Völkerrecht“, sagte sie mit Blick auf Israel, dessen Armee nach dem Umsturz im Nachbarland in die Pufferzone zu Syrien auf den Golanhöhen vorgedrungen ist.
Union: Klare Erwartungen an neue Führung
Jürgen Hardt (CDU/CSU) machte Russland, den Iran und die Hisbollah als Verlierer der „unerwarteten, überraschenden Entwicklung“ in Syrien aus. „Es ist ein großer Gewinn, dass sowohl Russland als auch der Iran in dieser Region weniger zu sagen haben werden“ und die Hisbollah keinen Rückzugsraum wie einst mehr finde.
Deutschland habe mit Blick auf Israels Sicherheit und mit Blick auf die vielen geflüchteten Syrer hierzulande ein besonderes Interesse an einer guten, friedlichen Entwicklung Syriens. Die Bundesregierung müsse klare Erwartungen an die neue Führung in Damaskus adressieren, fordert Hardt: Dazu zähle zum Beispiel, dass „Muslime aber eben auch Nichtmuslime gemeinsam an den politischen Geschicken des Landes mitwirken“.
Ministerin Schulze: Sicherheitslage ist komplett unklar
Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) warnte indes vor einer verfrühten Debatte über die Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihre Heimat und warf der Union vor, bereits nach Ausreiseprämien gerufen zu haben, als Syriens Diktator noch nicht einmal in seinem Fluchtort Moskau gelandet gewesen sei. „Noch ist Syrien ein am Boden liegendes Land, und die Sicherheitslage ist komplett unklar“.
Schulze verwies auf eine weit verbreitete Mangelernährung sowie auf die Zahl von mehr als sieben Millionen Binnenvertriebenen.
FDP: Putin setzt Migration als Waffe ein
Konstantin Kuhle (FDP) erinnerte daran, dass Russland ab 2015 das Assad-Regime durch die Bombardierung der Städte in Nordsyrien vor dem Sturz bewahrt habe. Russland sei es zum einen um die Sicherung seiner strategischen Stützpunkte an der syrischen Mittelmeerküste und um seinen Einfluss in der Nahostregion gegangen.
Die Unterstützung aus Russland für Assads Krieg gegen die eigene Bevölkerung und deren Vertreibung sei aber „immer auch ein hybrider Krieg gegen uns in Europa gewesen“, sagte Kuhle. „Es ging und es geht Wladimir Putin darum, auf dem Rücken der betroffenen Menschen Migration als Waffe einzusetzen.“
AfD: Der Westen hat den Bürgerkrieg befeuert
Steffen Kotré (AfD) kritisierte hingegen, dass der syrische Bürgerkrieg auch mit Unterstützung des Westens befeuert worden sei und zum Beispiel die Türkei islamistische Kräfte unterstützt habe. „Es war ein Verdienst der Russen, den ‚Islamischen Staat‘ geschwächt, wenn nicht gar besiegt zu haben.“
Kotré warb für eine Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien, die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen, Unterstützung beim Wiederaufbau und „letztendlich Remigration und Reintegration aller bei uns lebender Syrier, dann aber dort in Syrien“. Syrer, die sich in Deutschland integrierten und für ihren eigenen Unterhalt sorgten, seien herzlich willkommen. „Aber leider ist das nicht die größte Gruppe.“ (ahe/18.12.2024)