Zeit:
Mittwoch, 4. Dezember 2024,
13
bis 15 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 2.600
Bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts (20/13257) am Mittwoch, 4. Dezember 2024, unter Vorsitz von Ansgar Heveling (CDU/CSU) haben die Sachverständigen trotz einzelner Einwände für eine Verabschiedung noch in dieser Legislaturperiode plädiert. Mit der Reform soll Deutschland als Streitbeilegungsstandort im internationalen Geschäftsverkehr attraktiver werden.
Kritik an Verzicht auf Formerfordernisse
Auf Bedenken stieß insbesondere, dass der Gesetzentwurf keinerlei Formerfordernisse für Schiedsgerichtsvereinbarungen zwischen Geschäftspartnern mehr vorsieht. Die Präsidentin des Bayerischen Obersten Landesgerichtes Dr. Andrea Schmidt warnte vor einem „erheblichen Konflikt- und Missbrauchspotenzial“. Rechtsanwältin Dr. Alice Broichmann vom Deutschen Anwaltverein plädierte dafür, eine Formulierung über die Erfordernis der Textform ähnlich wie im Bürgerlichen Gesetzbuch in das Gesetz aufzunehmen.
Lediglich Dr. Reinmar Wolff von der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit verteidigte die Zulassung formfreier Schiedsvereinbarungen. Die Formvorgabe im gültigen Gesetz sei antiquiert und die internationale Erfahrung zeige, dass durch den Formverzicht „eben keine Streitflut droht“. Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Pfeiffer, Direktor des Instituts für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg, forderte zumindest den Anspruch auf eine anschließende Dokumentation mündlich getroffener Schiedsvereinbarungen, sollten Formerfordernisse abgeschafft werden.
Sorge um Vertraulichkeit im Geschäftsverkehr
Auf Kritik mehrerer Sachverständiger stieß auch eine Regelung, wonach Schiedssprüche veröffentlicht werden sollen, sofern die Streitparteien nicht ausdrücklich Widerspruch einlegen. Rechtsanwältin Dr. Nadja Harraschain sieht im Fall eines versäumten Widerspruchs die Vertraulichkeit von Schiedsverfahren in Gefahr.
Rechtsanwalt Dr. Mathias Wittinghofer geht davon aus, dass selbst bei einer Anonymisierung oft das Unternehmen identifiziert werden kann, um das es in einem veröffentlichten Schiedsspruch geht. Im Gesetzentwurf wird die Regelung zur Veröffentlichung von Schiedssprüchen damit begründet, dass dies die Rechtsentwicklung fördern soll.
Zusammenspiel mit Commercial Courts
Allgemein begrüßt wurde die Regelung, dass Schiedsverfahren in Deutschland künftig auch in englischer Sprache geführt werden können. Dies wird auch in den Commercial Courts der Fall sein, welche die Bundesländer nächstes Jahr gemäß dem im Juli vom Bundestag verabschiedeten Justizstandort-Stärkungsgesetz einrichten können.
Die Möglichkeit im vorliegenden Gesetzentwurf, dass die Länder ihren Commercial Courts die Zuständigkeit für die Überprüfung von Schiedssprüchen übertragen, möchte Dr. Thomas Klink, Richter am Oberlandesgericht Stuttgart, durch eine verbindliche Regelung ersetzen. Rechtsanwalt Jan K. Schäfer von der Bundesrechtsanwaltskammer nannte eine Verabschiedung der Schiedsverfahrensreform noch in dieser Legislaturperiode auch deshalb wichtig, damit die Commercial Courts, wenn sie am 1. April 2025 ihre Arbeit aufnehmen, sogleich mit Schiedsverfahren befasst werden können.
Schnelle Verabschiedung angemahnt
Ein baldiges Inkrafttreten der Reform würde Rechtsanwalt Prof. Dr. Jörg Risse zufolge im Ausland tätigen deutschen Unternehmen gute Argumente für die Aufnahme der deutschen Schiedsgerichtsbarkeit in ihre Verträge geben. Das Gesetz werde eine „Visitenkarte für den Rechtsstandort Deutschland“, sagte Risse.
Mehrere Sachverständige betonten, dass ihnen eine schnelle Verabschiedung im Zweifel wichtiger sei als die von ihnen vorgeschlagenen Änderungen. Mehrere Abgeordnete signalisierten in ihren Fragen, dass sie tatsächlich eine Verabschiedung noch vor den vorgezogenen Bundestagswahlen für gut möglich halten.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Der Streitbeilegungsstandort Deutschland soll mit dem Regierungsentwurf gestärkt und „die Attraktivität der Bundesrepublik Deutschland als Austragungsort bedeutender nationaler und internationaler Handelsschiedsverfahren“ weiter erhöht werden. Die Anpassungen ergeben sich zum einen aus internationalen Vereinbarungen. Wie die Bundesregierung ausführt, sollen unter anderem Änderungen am Modellgesetz der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit aus dem Jahr 2006 bedarfsgerecht ins deutsche Recht überführt werden.
Ferner soll unter den Schlagwörtern „Internationalisierung und Digitalisierung des Verfahrensrechts“ etwa Englisch als Gerichtssprache gestärkt und der Einsatz digitaler Hilfsmittel ermöglicht werden. Als „weitere Maßnahmen zur Förderung des Streitbeilegungsstandorts“ sieht der Entwurf unter anderem vor, dass Schiedssprüche unter bestimmten Bedingungen veröffentlicht werden können. Damit solle die Rechtsfortbildung gefördert werden. Zudem sollen Schiedsrichterinnen und -richter demnach die Möglichkeit erhalten, Sondervoten zu Schiedssprüchen festzuhalten.
Stellungnahme des Bundesrates
Der Bundesrat fordert in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf, an einer Formvorschrift zum Abschluss von Schiedsvereinbarungen festzuhalten, da formfreie Schiedsvereinbarungen zu Rechtsunsicherheiten führten. Die Bundesregierung teilt diese Sorge in ihrer Gegenäußerung nicht und lehnt die Forderung ab.
Die 39 Mitglieder des Rechtsausschusses erarbeiten grundlegende Rechtsregeln für das Zusammenleben, ob rechtspolitische Gesetzgebung im Familien-, Urheber- oder im Strafrecht. Darüber hinaus beraten sie über Änderungen des Grundgesetzes und über eine Beteiligung des Deutschen Bundestages in Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. (pst/scr/04.12.2024)