Ariane Fäscher: Engagement ist eine wichtige Keimzelle der Demokratie
„Im internationalen Vergleich hat Deutschland ein herausragend starkes Ehrenamt“, sagt Ariane Fäscher (SPD), stellvertretende Vorsitzende des Unterausschusses Bürgerschaftliches Engagement, zum Internationalen Tag des Ehrenamts der Vereinten Nationen, der jedes Jahr am 5. Dezember begangen wird. Dennoch sei das, was Ehrenamtliche in Deutschland tagtäglich leisten, noch viel zu unsichtbar. Mit der neuen Bundesengagementstrategie, die jetzt von der Bundesregierung verabschiedet werde, und an der die Parlamentarier im Unterausschuss maßgeblich mitgewirkt haben, stärke die Politik das Ehrenamt gegenüber veränderten Rahmenbedingungen.
Im Interview spricht Fäscher darüber, was die Bundesengagementstrategie besonders macht, welche Reformbaustellen noch offen sind und warum Engagement so wichtig für die Demokratie ist. Das Interview im Wortlaut:
Frau Fäscher, die Regierung hat keine Mehrheit mehr, aber das Land funktioniert trotzdem weiter. Auch das Verdienst der 30 Millionen Ehrenamtlichen in Deutschland?
Das Ehrenamt ist volkswirtschaftlich genauso bedeutsam wie die gesamte Automobilindustrie für Deutschland. Und wenn die Automobilindustrie Gewinneinbußen hat, dann steht die Nation Kopf. Während die ehrenamtlich Engagierten zuverlässig weiter ihrer Arbeit nachgehen, auch wenn Mittel gekürzt werden. Um die Bedeutung des Ehrenamts sichtbar zu machen, müssten die Ehrenamtlichen mal eine Woche in Generalstreik treten. Aber auf diesen Vorschlag bekomme ich als Antwort nur: Schöne Idee, aber wir lassen die Menschen, um die wir uns kümmern, nicht im Stich! Das ist verständlich und höchst ehrenwert. Es ist viel zu unsichtbar, was Ehrenamtliche in Deutschland tagtäglich ganz selbstverständlich leisten. Aber die Strukturen verändern sich, neue Themen kommen hinzu und die jungen Menschen haben einen anderen Blick darauf. Daher braucht es neue Rahmensetzungen, die wir als Abgeordnete im Deutschen Bundestag mitgestalten.
Sichtbarkeit und Rahmenbedingungen des Ehrenamts in Deutschland zu verbessern: Das hat sich der Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement zur Aufgabe gemacht. Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit des Unterausschusses in der zu Ende gehenden Wahlperiode?
Ich ziehe ein äußerst positives Fazit. Es war eine sehr kollegiale Zusammenarbeit. In der demokratischen Mitte gibt es einen breiten Konsens über die große Bedeutung des Ehrenamts sowie darüber, wie wir das Ehrenamt unterstützen wollen. Wir haben für das ehrenamtliche Engagement eine Fülle von Themen aufgreifen können.
Was waren die wichtigsten Themen?
Ich möchte gar keines besonders hervorheben. Alle von uns behandelten Bereiche haben gleichermaßen ihre Wichtigkeit, weil Engagement in allen gesellschaftlichen Bereichen wirkt: Von den sogenannten Blaulicht-Organisationen über die Seniorenarbeit, die Migrantinnen-Selbstorganisationen, die Themen „Inklusion durch Kultur“, das Ehrenamt in den Bereichen Sport und Musik bis hin zum sozialen Engagement oder den Freiwilligendiensten. Wobei natürlich die Lebensrettung insgesamt gesellschaftlich eine besonders hohe Verantwortung und einen besonderen Stellenwert hat. Jede einzelne Sitzung hat gezeigt, dass in dem jeweiligen Themenfeld die Engagierten der Dreh- und Angelpunkt sind, dass die Verbindung von Menschen, um miteinander Gesellschaft zu gestalten, in all diesen Themenfeldern sehr gut und intensiv gelebt wird, und: wieviel gesellschaftlichen Zusammenhalt und Selbstwirksamkeit für die handelnden Personen gemeinsames Engagement bewirkt. Es ist allerdings oft äußerst herausfordernd für die Beteiligten, ihre anspruchsvollen ehrenamtlichen Aufgaben zu erfüllen. Die Aufgaben sind oft zu groß und die Menschen zu wenige, oder in anderen Lebenszusammenhängen, wie Familie und Beruf, stark eingespannt.
Wie kann man da einer Überforderung, Frust oder Entmutigung vorbeugen?
Der Tenor über alle Veranstaltungen war: Entlastet uns bitte von der Bürokratie. Helft uns bei einer strukturellen hauptamtlichen Absicherung, um die sich das Ehrenamt dann ranken kann. Sorgt bitte dafür, dass die Fördermittellogik eine andere wird, anstelle der auf dem Haushaltsrecht beruhenden jährlichen Logik, weil das ein sehr hoher bürokratischer Aufwand ist. In der Zivilgesellschaft ist die Unsicherheit groß: Man weiß nicht, ob ein Programm im nächsten Jahr weitergeführt wird und wieviel Geld dann kommt. Und es bindet sehr viel Kraft und Zeit der Mitarbeiter, der Hauptamtlichen wie der Engagierten. Das geht auf Kosten des eigentlichen Engagements. Mitstreiter, Wissen und Motivation drohen in den Vereinen verloren zu gehen, weil die Unsicherheit von Jahr zu Jahr hoch ist.
Dann standen auch noch Mittelkürzungen zur Debatte …
Insbesondere der Regierungsentwurf zum Haushalt für 2024 sah erhebliche finanzielle Kürzungen im Bereich des Engagements vor. Es gab einen großen Vertrauensverlust bei den Engagierten gegenüber der Politik. Der Unterausschuss hat dann maßgeblich dazu beigetragen, das wieder zu stabilisieren und im parlamentarischen Verfahren viele Sparvorhaben wieder rückgängig machen können.
Was wünschen sich die Ehrenamtlichen noch neben Bürokratieabbau, gesicherter Projektfinanzierung und Hauptamtlichen, die Ihnen zur Seite stehen?
Nehmen Sie die Blaulicht-Organisationen, einen aus staatlicher und gesellschaftlicher Sicht herausragenden Bereich, den es besonders abzusichern gilt. Dazu hatten wir auch eine Sitzung. Zentrales Thema darin war die Gleichstellung der ehrenamtlichen Helfer mit den Hauptamtlichen sowie die gesellschaftliche Wertschätzung ihrer Leistung. Anerkennung ihrer Arbeit war insgesamt ein großes Thema für die Ehrenamtlichen. Anerkennung sollte einerseits durch gute Rahmenbedingungen zum Ausdruck gebracht werden. Außerdem muss man sehen: Wer ehrenamtlich tätig ist, investiert meist weniger Zeit und Energie in die eigene Karriere, verzichtet also auf Geld im Leben und auf Rentenansprüche, weil er oder sie sich um andere gekümmert hat. Da einen verbindlichen Ausgleich zu schaffen, in Form von Rentenanwartschaften, insbesondere für diejenigen, die Leben retten, dieses Thema haben wir in die neue Engagementstrategie der Bundesregierung hineinverhandelt. Ich hoffe, der Passus hat die Ressortbefassung überlebt.
Welche Rolle spielt der Unterausschuss als parlamentarisches Gremium, als Wächter über die Belange des Ehrenamts, neben den anderen Ressorts und Fachausschüssen?
Der Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement hat vor allem durch die Fachgespräche – mit ihrer thematischen Bandbreite und der Vielzahl an Sachverständigen aus den unterschiedlichsten Bereichen des Ehrenamts – einen wichtigen Input zur neuen Engagementstrategie gegeben. Das Gremium hat ja bereits eine gewisse parlamentarische Tradition und dadurch ein Standing, um sich als Anwalt des Ehrenamts und Impulsgeber in diesem Bereich mit dieser Querschnittsaufgabe bei den einzelnen Fachgremien Gehör zu verschaffen. 1999 wurde die Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ eingesetzt. Aus dieser ist dann der Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement hervorgegangen. Seit seiner erstmaligen Einsetzung in der 15. Wahlperiode 2003 wurde er einschließlich dieser Wahlperiode zum sechsten Mal in Folge eingerichtet.
Das Thema Engagement fällt als ressortübergreifendes Thema in die Zuständigkeit mehrerer Ministerien, zudem ist die Zuständigkeit auch zwischen Bund und Ländern geteilt. Hat das eher zum Gelingen der gemeinsamen Strategie beitragen oder werkeln alle Akteure mehr oder weniger nebeneinander vor sich hin, mit entsprechenden Reibungsverlusten?
Die Menschen, die sich engagieren, wollen sich vor allem auf ihr Thema konzentrieren statt sich mit behördlichen Zuständigkeiten und Verfahren zu beschäftigen. Entsprechend müssen Staat und Politik diesen für das Land und die Gesellschaft so wichtigen Bereich nach Kräften unterstützen und entlasten: auch durch eine bessere Koordinierung der zuständigen Stellen, um dadurch bei den Themen, die brennen, voranzukommen und Bürgerinnen und Bürgern als kompetenter Ansprechpartner zur Seite zu stehen. Gut gelungen ist uns in dieser Legislatur im Rahmen der Erarbeitung der neuen Strategie, das Bewusstsein von der Bedeutung des Engagements zu heben und die Vernetzung der verschiedenen Ministerien zu verbessern: raus aus dem „Ressorttunnel“, aus dem Blick der Zuständigkeit, hin zu einer Zielorientierung. Wir konnten damit eine eigenständige Arbeitsebene einziehen, bei der Parlament, Zivilgesellschaft, Bund und Länder zusammen an einem Tisch gesessen und gemeinsam diese Strategie aufgegleist haben. Da sind alle Bedarfe inhaltlich zusammengeflossen. Man hat einen gemeinsamen Geist für Engagement gefunden. In den einzelnen Häusern – vor allem das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie das Innen- und das Landwirtschaftsministerium waren da aktiv – haben sich Arbeitsgemeinschaften gefunden, die ressortübergreifend Engagementfragen betrachten. So haben wir quasi als Nebenprodukt der Erstellung der Strategie eine andere Denkweise etabliert. Das werte ich als Erfolg des Ausschusses, aus dem das Ansinnen zu diesem Schritt kam.
Was ist unerledigt geblieben? Welche Themen muss ein neuer Unterausschuss in der nächsten Wahlperiode vorrangig anpacken?
Wir haben in der auslaufenden Wahlperiode Fortschritte bei der Weiterentwicklung des Gemeinnützigkeitsrechts erzielen können. Ich hoffe, dass es gelingt, diese Neuerungen jetzt noch zu verabschieden. Im Gemeinnützigkeitsrecht bleibt aber in jedem Fall noch etwas zu tun. Die gemeinnützigen Organisationen wünschen sich beispielsweise die Möglichkeit, innerhalb ihres Themas politisch tätig werden zu können, ohne in Konkurrenz zu Parteien zu geraten. Darunter Vereine, die Demonstrationen für Demokratie durchführen. Deshalb wurden beispielsweise Organisationen von der AfD beklagt. Eine „grundlegende politische Tätigkeit“ gemeinnütziger Organisationen ist immer noch sehr umstritten. Hier gilt es im Interesse aller eine rechtliche Klärung herbeizuführen. Regierung und Gesetzgeber werden da erneut gefordert sein. Noch offen ist außerdem das Thema der Helfergleichstellung im Blaulicht-Bereich, das bereits auf der Tagesordnung der Innenministerkonferenz der Länder stand. Der Unterausschuss hätte es begrüßt, wenn die Bundesländer da weitergekommen wären. Und schließlich hat das Beteiligungsverfahren zur Engagementstrategie uns eine Reihe anspruchsvoller Aufgaben gestellt. Da sind noch ganz schön dicke Bretter zu bohren, langfristige Vorhaben wie zum Beispiel eine Anpassung der Bundeshaushaltsordnung. Das ist per se etwas Langfristiges, das man nicht innerhalb einer Wahlperiode abräumen kann. Da sind komplizierte Rechtsfragen zu klären, um Antrags- und Abrechnungsverfahren zu vereinfachen und das Prinzip der Jährlichkeit zu überwinden zugunsten der Kontinuität von Projekten. Da gibt es erste Pilotprojekte, wir befinden uns in der Erprobungsphase. Der Unterausschuss hätte gerne auch noch eine eigene Position in der Debatte um den Freiwilligen- oder doch einen Pflichtdienst erarbeitet.
Frau Fäscher, Sie haben sie jetzt schon mehrfach erwähnt: die Bundesengagementstrategie. Über die gesamte Wahlperiode wurde daran gearbeitet. Anfang Dezember soll sie vom Bundeskabinett verabschiedet werden. Wozu braucht es eine solche neue Strategie?
Es ist nun bereits zehn Jahre her, dass die Vorgängerstrategie verabschiedet wurde. Das war ein guter Zeitpunkt, mal zu schauen, wo sich neue Regelungsbedarfe aufgetan haben. Die Rahmenbedingungen für das Ehrenamt haben sich verändert. Dazu hat es seitens der Bundesregierung einen breiten Beteiligungsprozess gegeben, über 200 Verbände in ganz Deutschland sind angeschrieben worden und haben auch Rückmeldung über ihre Bedarfe gegeben. Es hat zudem in der Fläche einen von der Deutschen Stiftung Engagement und Ehrenamt organisierten direkten Beteiligungsprozess gegeben, bei dem Engagierte vor Ort in Veranstaltungen oder über ein Onlineportal mitmachen konnten. Daraus ist der Regelungsbedarf hervorgegangen, der neben den Erkenntnissen des Unterausschusses die Grundlage der Strategieerarbeitung bildete. Es ist wichtig, eine solche Strategie in gewissen Zeitabständen zu überprüfen. Originär zuständig für die Organisation von Engagement sind zwar die Länder. Der Bund hat demgegenüber grundsätzliche Rechtssetzungskompetenzen. Zudem gibt es Programme, die das Ehrenamt unterstützen sollen. Die standen nicht auf dem Prüfstand. Es ging jetzt tatsächlich darum, die rechtlichen Bedingungen, unter denen Ehrenamt stattfindet, zu verändern. Wir haben intensiv debattiert, welche Regelungsebenen die Strategie im Sinne einer Gesamtstrategie für Deutschland adressieren soll. Die Strategie wird sich nun wohl auf die Regelungskompetenzen des Bundes konzentrieren. Der Neuregelungsbedarf hat unter anderem mit der Digitalisierung und gestiegenem bürokratischem Aufwand zu tun, aber auch damit, dass junge Menschen sich eher projektbezogen engagieren wollen, statt in klassischen Vereinsstrukturen. Die Leute wollen sich auch viel mehr ihrem Engagement-Thema widmen statt Bürokram erledigen zu müssen. Der Bürokratieabbau war auch hier ein Schlüsselthema.
Was ist das Innovative an der neuen Strategie?
Kernelement war und ist, dass die Strategie nicht einfach ein bedrucktes Papier für die Schublade wird. Sondern dass man sagt: Wir gehen in einen Prozess miteinander. Und dass wir das, was wir jetzt aufgeschrieben haben, regelmäßig auf die Praxistauglichkeit prüfen – und dort, wo wir feststellen, dass wir es gut gemeint, aber nicht gut gemacht haben, nachsteuern – oder wenn in Zukunft Änderungsbedarf besteht, darauf regieren. Es wäre gut, wenn es, wie während der Erarbeitung der Strategie, weiterhin ein Begleitgremium aus Parlament, Zivilgesellschaft und den unterschiedlichen staatlichen Ebenen und Akteuren gäbe, wo gemeinsam weitergearbeitet wird. Es existiert zwar eine Bund-Länder-Runde, aber ohne Parlament und Zivilgesellschaft. Eine solche, breite Beteiligung, nah an den Menschen, wäre das Neue, als Schlussfolgerung aus der prozesshaften Erarbeitung der Strategie.
Wo steht Deutschland im internationalen Vergleich mit seinen Rahmenbedingungen für das Ehrenamt?
Im internationalen Vergleich hat Deutschland ein herausragend starkes Ehrenamt. Das hat bei uns eine ganz eigene Tradition. Woanders setzt man stärker auf Familie, um soziale Kontexte abzusichern. Bei uns nimmt diese Rolle an vielen Stellen das Ehrenamt ein. Für unsere Ehrenamt-Strukturen werden wir international sogar beneidet. Wir haben für ehrenamtliches Engagement Rahmenregelungen geschaffen, die gut sind, aber die modernisiert, die flexibler werden müssen, weil die Zeit kurzlebiger und agiler geworden ist. Und weil es neue Einsatzfelder gibt.
Was meinen Sie für Einsatzfelder und neue Engagement-Formen, für die es neue Regeln braucht?
Die Digitalisierung beispielsweise. Digitalisierung betrifft die Vereinsarbeit selbst und ist für alle Vereine eine Herausforderung. Aber auch dass eine Bewegung aus dem Internet entsteht, wie Fridays for Future, dafür haben wir noch gar keine Rahmenrechtssetzung. Zudem gibt es neue, dezentrale Formen des Engagements, wie das Erstellen von Webseiten für andere Vereine, die noch nicht erfasst sind. Diese neuen Formen gilt es abzuholen und zu regeln. Dabei müssen wir uns auch global abgleichen, wie andere Länder damit umgehen, gerade bei digitalen Plattformen. Zu den neuen Formen bürgerschaftlichen Engagements gehört auch die schnelle Reaktion auf Ereignisse wie Flüchtlingsströme oder Naturkatastrophen. Dann finden sich spontan Strukturen, Leute packen vor Ort mit an. Diese Spontanität, aber auch die Verzahnung mit Organisationen des Blaulichtbereichs, also Rettungsdienste, von der Feuerwehr bis zum Technischen Hilfswerk, wirft neue Rechtsfragen auf. Da die Schnittstellendefinition hinzubekommen, zwischen Ehrenamt und Hauptamt, zwischen klassischen und neuen Formen des Engagements, das ist auch etwas, das der Prozess zur Formulierung der Engagementstrategie leisten sollte. Beide Formen sind eminent wichtig: das klassische Engagement im Verein, mit professionellen hauptamtlichen Strukturen und neue Formen des Engagements. Beide Formen gilt es besser miteinander zu verzahnen. Spontanität ist wichtig, aber für den Ernstfall muss es eine vorgeübte „Befehlskette“ geben, da muss jeder seinen Platz kennen.
Wie lässt sich sicherstellen, dass das Ehrenamt weiterhin nicht zum Lückenbüßer für staatliche Aufgaben und keine Bedrohung für den Arbeitsmarkt wird?
Die Definition des Engagements, als freiwillig und uneigennützig ist und nicht als Lückenfüller einer staatlich unbezahlbaren Organisationsaufgabe und dass es keine regulären Jobs ersetzen darf, ist Bestandteil der Definition in der neuen Engagementstrategie. Das wird dort explizit gesehen und betrachtet. Diese Grundannahme, die auch bisher schon gilt, die jetzt endlich mal aufgeschrieben wurde. Aber ja: Es bleibt eine Gratwanderung: Man gibt Geld zur Unterstützung des Engagements, aber es darf kein Schattenarbeitsmarkt entstehen, und der Staat darf sich keiner Aufgaben entledigen, für die er zuständig ist. Das Gefühl, dass immer mehr ins Engagement hineingegeben wird, dadurch, dass sich Organisationsformen auch auf staatlicher Ebene oder auch die Finanzierungsströme verändern: Das muss ernst genommen werden. Und man muss sehen, welcher Regelungsbedarf sich daraus ergibt und wie das auch finanziell abgesichert werden kann. Auf diese Frage wird die Strategie noch keine Antwort geben, aber sie gibt schon mal ein gutes Trampolin ab, womit wir die Probleme in Zukunft angehen können.
Warum ist Engagement so wichtig für die Demokratie?
Menschen, die sich engagieren, erleben gesellschaftlichen Zusammenhalt ganz persönlich. Sie sind weniger einsam. Sie erleben außerdem, dass sie selbstwirksam sind und etwas bewegen, Dinge gemeinsam voranbringen und gestalten können. Die Demokratieerschöpfung vieler Menschen kommt aus einem Gefühl der Einsamkeit und Ohnmacht, daher, dass sich die Dinge entwickeln, ohne dass ich sie beeinflussen kann, aus dem Gefühl: Meine Rahmenbedingungen sind anderen ausgeliefert. Gelingendes Engagement an der Basis, vor Ort, wo sich die Menschen aufhalten, wo sie Zugehörigkeit, wo sie Gemeinschaft erleben und feststellen, dass gemeinsames Handeln einen Unterschied macht, diese Selbstwirksamkeitserfahrung, hat daher eine große Auswirkung auf die Verankerung in der Demokratie. Deswegen ist gelingendes Engagement eine wichtige Keimzelle der Demokratie.
(ll/28.11.2024)