Entwürfe zur Aufhebung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes erörtert
Sowohl die Unionsfraktion als auch die FDP-Fraktion fordern die Aufhebung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes, das im vollen Wortlaut „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten“ heißt. Am Donnerstag, 5. Dezember 2024, standen Gesetzentwürfe beider Fraktionen (CDU/CSU: 20/14015, FDP: 20/14021) auf der Tagesordnung. Sie wurden im Anschluss an die knapp 70-minütige erste Lesung jeweils dem federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales zur weiteren Beratung überwiesen.
FDP: Viel versprochen, aber nichts umgesetzt
Wolfgang Kubicki (FDP) sagte zu Beginn der Debatte, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) hätten im Zusammenhang mit der Debatte der letzten Monate um das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz „viel versprochen, aber nichts umgesetzt“. Scholz habe auf dem Arbeitgebertag im Oktober angekündigt, das Gesetz noch in diesem Jahr abzuschaffen.
Wenn nun aber der Arbeitgeberpräsident, so Kubicki weiter, dem Kanzler öffentlich attestierte, er glaube ihm nicht, offenbare das „ein sehr grundsätzliches Problem“. Im Angesicht der dramatischen ökonomischen Zahlen und der Tatsache, „dass Deutschland Schlusslicht im Wachstumsranking der OECD ist“, sei festzustellen, dass der Bundeskanzler seinen sozialdemokratischen Vorgängern im Amt nicht ansatzweise das Wasser reichen könne. „Ökonomisch ist er aus meiner Sicht ein Zwerg“, sagte der FDP-Abgeordnete.
Kubicki ging auch auf Habecks öffentliche Aussage ein, er wolle die „Kettensäge anwerfen und das ganze Ding wegbolzen“. Bislang habe man aber eher den Eindruck gewinnen können, Habeck wolle mit der Kettensäge durch ganze Wirtschaftsbereiche schreiten.
SPD: Freiwillige Selbstverpflichtungen reichen nicht aus
Annika Klose (SPD) wies darauf hin, dass viele Produkte, die die Menschen in Deutschland täglich nutzen, noch immer unter Bedingen hergestellt würden, „die wir hier bei uns in Deutschland so niemals akzeptieren würden“. Aus Sicht der SPD-Fraktion könne es aber nicht die Aufgabe der Verbraucher sein, zu überprüfen, ob Unternehmen verantwortungsvoll handeln.
Gezeigt habe sich zudem, dass freiwillige Selbstverpflichtungen allein nicht ausreichten. „Es ist Aufgabe von Staaten, dafür zu sorgen, dass Menschenrechte verankert und durchgesetzt werden“, sagte sie. Ganz grundlegende Menschenrechts- und Umweltstandards nicht einzuhalten, „darf kein Wettbewerbsvorteil sein“.
Heute nun wolle die FDP die Abschaffung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes. Die von der Koalition im Rahmen der Wachstumsinitiative ursprüngliche geplante „pragmatische Umsetzung der europäischen Standards“, was für die SPD laut Klose „ein schmerzhafter Kompromiss“ gewesen wäre, habe die FDP nicht mitgetragen. Dies zeige, dass es der Partei nicht um tragbare Kompromisse gehe, sondern darum, „ihre Ideologie mit der Brechstange durchzusetzen“.
CDU/CSU: Bürokratische Mehrbelastungen für Unternehmen
Das Gesetz habe nicht zu weniger Menschenrechtsverstößen und Umweltschäden geführt, befand Maximilian Mörseburg (CDU/CSU). Stattdessen habe es bürokratische Mehrbelastungen gebracht und berge Risiken für Unternehmen und Märkte in Entwicklungsländern. Mörseburg erinnerte daran, dass die Union die Lieferkettenregeln noch vor Inkrafttreten des Gesetzes im Dezember 2022 habe außer Kraft setzen wollen.
Die Ampel-Regierung – inklusive der FDP – sei aber von diesen Plänen nicht zu überzeugen gewesen – ebenso wenig davon, dass der Prozess hinsichtlich einer EU-Richtlinie unverzüglich gestoppt werden müsse. Jetzt gebe es ein EU-Lieferkettengesetz, „das weit über die deutschen Regelungen hinausgeht“.
Die FDP versuche nun auf den letzten Metern vor der Bundestagswahl davon abzulenken, dass das EU-Gesetz in weitreichender Form im europäischen Recht verankert ist und sie das nicht verhindert habe. Ebenso wie die geänderte Haltung der FDP zum Bürgergeld sei auch die Wendung beim Lieferkettengesetz den sinkenden Umfrageergebnissen der Partei geschuldet. „Das durchschaut jedes Kind“, befand der Unionsabgeordnete.
Grüne: Verantwortung für Menschenrechte und Umwelt
Jürgen Kretz (Bündnis 90/Die Grünen) verteidigte das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. „Wir haben eine Verantwortung für Menschenrechte und Umwelt in globalen Lieferketten“, sagte er. Mit dem Gesetz habe man den richtigen Hebel, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Der heute zu debattierende Gesetzentwurf der FDP würde einen Rückschritt für nachhaltiges Wirtschaften bedeuten, sagte Kretz. „Ihre Forderung, das Lieferkettengesetz komplett aufzuheben, lehnen wir entschieden ab“, machte er deutlich.
Auch wenn viele engagierte Unternehmen schon jetzt bereit seien, Verantwortung zu übernehmen, hätten die vergangenen Jahre doch gezeigt, dass Freiwilligkeit alleine nicht ausreiche und es verbindliche Regelungen brauche. Der FDP warf er vor, in ihrem Gesetzentwurf keinerlei Vorschläge zu machen, „wie man stattdessen die Einhaltung von Menschenrechten sowie Sozial- und Umweltstandards garantieren kann“.
Seine Fraktion, so Kretz weiter, nehme die Sorgen kleiner Unternehmen über immer neue Berichtspflichten sehr ernst. Dies habe aber auch damit zu tun, dass größere Unternehmen die Berichtspflichten an sie weiterreichten, was gar nicht im Gesetz stehe.
AfD: Lieferkettenrichtlinie der EU noch viel schlimmer
Gerrit Huy (AfD) erinnerte daran, dass die FDP, die heute eine Aufhebung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes fordert, „noch vor wenigen Monaten geschlossen gegen den gleichlautenden Antrag der Union gestimmt hat“. Besonders glaubwürdig sei dieses Verhalten nicht. „Entweder Sie haben sich vorher verstellt oder Sie tun das jetzt“, konstatierte Huy. Statt dem Antrag der Union oder zwei in die gleiche Richtung zielenden Anträge ihrer Fraktion zuzustimmen, lasse die FDP die Unternehmen, „die händeringend auf diese Erleichterung warten“, im Regen stehen.
Auf den Weg gebracht worden sei das Gesetz aber im Jahr 2021 von der Union, so die AfD-Abgeordnete. Damit würden deutsche Unternehmen für jeden Missstand in ihren zum Teil extrem verzweigten Lieferketten verantwortlich gemacht. „Die CDU wollte, dass deutsche Gesetzgebung in die ganze Welt hinaus reicht – zulasten deutscher Unternehmen.“
Jetzt wolle die Union das Gesetz zwar abschaffen, habe aber leider nicht verhindert, dass die EU eine noch viel schlimmere Lieferkettenrichtlinie verabschiedet habe, sagte Huy. Nun müssten Unternehmen auch den Nachweis erbringen, dass über sämtliche Lieferketten hinweg das Pariser Klimaabkommen eingehalten wird. „Ein echter Irrsinn“, urteilte die AfD-Abgeordnete.
Linke: Gesetz schützt elementare Menschenrechte
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz schütze elementare Menschenrechte, sagte Susanne Ferschl (Gruppe Die Linke). Union und FDP wollten die Regelung nun aushebeln. Der SPD-Bundeskanzler habe angekündigt, „das Ding kommt weg“ und der grüne Kanzlerkandidat Habeck wolle das Ding mit der Kettensäge wegbolzen.
„Es ist unterirdisch“, befand Ferschl. Durch angeblichen Bürokratieabbau wollten diese Parteien die deutsche Wirtschaft stärken. Die Linken-Abgeordnete hielt dem entgegen: „Wenn deutsche Unternehmen ohne Kinder- oder Zwangsarbeit nicht wettbewerbsfähig sind, müssen sie ihr Geschäftsmodell ändern.“
Gesetzentwurf der Union
Die CDU/CSU-Fraktion fordert die Aufhebung des Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (Lieferkettengesetz). Sie hat dazu einen entsprechenden Gesetzentwurf (20/14015) vorgelegt, in dem sie zwar den Schutz von Menschenrechten und Umwelt als „zentrales Anliegen der Bundesrepublik Deutschland“ und von deutschen Unternehmen bezeichnet. Schon bald nach Inkrafttreten des LkSG habe sich aber gezeigt, dass das Gesetz insbesondere im Hinblick auf umfangreiche jährliche Berichtspflichten einer Überprüfung bedarf.
Zugleich hätten verschiedene Krisen den Druck auf internationale Lieferketten erheblich erhöht und dadurch entsprechende Wirtschaftsbeziehungen erheblich erschwert, führt die Unionsfraktion aus. Sie kritisiert die europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD), die weit über deutsche Vorgaben hinausgehe. Es mache für deutsche Unternehmen aber dennoch keinen Sinn, an die deutschen Regelungen gebunden zu sein, wenn zugleich die europäischen Regelungen gelten.
Gesetzentwurf der FDP
Die FDP-Fraktion hat einen Entwurf (20/14021) eines Gesetzes zur Freiheit von Lieferkettenbürokratie und zur Aufhebung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (Lieferkettenbürokratiefreiheitsgesetz) vorgelegt. Sie kritisiert darin: „Weit über den direkten Adressatenkreis des Gesetzes hinaus hat sich das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz als großes zusätzliches Handelshemmnis erwiesen. Eine Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) unter rund 2.400 auslandsaktiven Betrieben hat bereits 2023 gezeigt, dass die bürokratischen Belastungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes einen weitaus größeren Umfang angenommen haben als ursprünglich von der damaligen Bundesregierung erwartet.“
Wenn sich Unternehmen aus Sorge vor Bußgeldern aus den Ländern zurückzögen, die von Investitionen aus Deutschland am meisten profitieren würden, sei niemandem geholfen. Es müsse dann davon ausgegangen werden, dass die Marktlücke vielfach von jenen Staaten gefüllt werde, die sich nicht an hohe Standards gebunden fühlten - mit entsprechend negativen Folgen für Menschenrechte, Arbeitsstandards und Umweltschutz, führen die Liberalen weiter aus. (hau/che/05.12.2024)