Bundesregierung will Aktienrente einführen
Der Bundestag hat am Freitag, 27. September 2024, in erster Lesung über die Aktienrente debattiert. Damit das Niveau der gesetzlichen Rente bis 2039 nicht unter 48 Prozent des Durchschnittslohns fällt und außerdem eine Aktienrente eingeführt werden kann, hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf „zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zum Aufbau eines Generationenkapitals für die gesetzliche Rentenversicherung“ (Rentenniveaustabilisierungs- und Generationenkapitalgesetz, 20/11898, 20/12611) vorgelegt.
Im Verlauf der Debatte wurde auch ein Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Für eine sichere Rente unserer Kinder – Junior-Spardepot“ (20/11847) beraten. Darüber hinaus hat die Gruppe BSW einen Antrag mit dem Titel „Von Österreich lernen – Eine gute Rente für alle“ (20/10735) erstmals vorgelegt. Die Vorlagen wurden im Anschluss an die Ausschüsse überwiesen. Bei den weiteren Beratungen ist jeweils der Ausschuss für Arbeit und Soziales mit den Vorlagen federführend befasst.
Minister: Rentenpaket wird verabschiedet
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gab sich sicher, dass das Rentenpaket trotz aller Kritik wie geplant verabschiedet wird. Die darin vorgesehene Festschreibung des Rentenniveaus auf 48 Prozent, also die Verlängerung der 2018 eingeführten Haltelinie, ruft viele Kritiker auf den Plan. Nicht, weil diese den Rentnern die 48 Prozent nicht gönnen, sondern weil eine andere Haltelinie, die für die Beiträge, nicht verlängert wurde.
Die Rentenbeiträge werden also, nachdem sie sehr lange stabil bei 18,6 Prozent lagen und liegen, mittelfristig auf 22,3 Prozent steigen. Um diesen Beitragsanstieg abzumildern, ist der Einstieg in eine teilweise aktienbasierte Finanzierung der Gesetzlichen Rentenversicherung geplant.
FDP: Chancen von Aktien für die Rentenversicherung
Johannes Vogel (FDP) stellte klar, dass die kommenden Beratungen nicht gemütlich sein werden: „Wir sind der Gesetzgeber. Es ist unsere Aufgabe, für die finale Fassung eines Gesetzes die Verantwortung zu übernehmen!“
Zwar lobte Vogel das Generationenkapital: „Endlich beginnen wir, die Chancen von Aktien für die Rentenversicherung zu nutzen.“ Aber bei der Haltelinie und den damit verbundenen Beitragssatzsteigerungen hörte seine Begeisterung auf.
CDU/CSU: Der Nachhaltigkeitsfaktor wird entsorgt
Ähnlich wie bei Hermann Gröhe (CDU/CSU), der der Koalition vorwarf, sämtliche Expertenexpertise vom Tisch zu wischen. „In einer Zeit, in der wir über jeden Arbeitsplatz ringen müssen, ist Ihnen der Beitragssatz egal“.
Die Regierung entsorge mit dem Nachhaltigkeitsfaktor auch die rentenpolitische Vernunft, so Gröhe. Er appellierte an die FDP-Abgeordneten: „Eure Überzeugung sollte auch das Abstimmungsergebnis bestimmen!“
Grüne: Gute Ausgangsposition für Reformen
Von einer „Verunglimpfung der Rentenversicherung“ sprach daraufhin sichtlich verärgert Markus Kurth (Bündnis 90/Die Grünen). „Wir hätten schon einen viel höheren Beitragssatz, wenn wir 2003 auf Ihren Rentenexperten Bert Rürup gehört hätten!“ Damals sei der Anteil der Bundeszuschüsse an die Rente am Bundeshaushalt viel höher gewesen. Man sei also jetzt in einer guten Ausgangsposition für Reformen, betonte Kurth.
Er kritisierte außerdem die Verweise auf Schweden und Österreich, weil dabei bestimmte Aspekte bewusst unter den Tisch gekehrt würden. Zum Beispiel habe Österreich wegen der Zuwanderung aus Südosteuropa eine viel günstigere demografische Struktur.
SPD: Grundsicherung kostet Staat sehr viel Steuergeld
Auch der Bundesminister wies die Kritik deutlich zurück: „Wir spielen nicht jung gegen alt aus, wie es so oft behauptet wird. Ja, es geht um die Rentner von heute, aber es geht auch um die Arbeitnehmer von heute. Es geht darum, dass auch sie im Alter abgesichert sind.“
Dagmar Schmidt (SPD) sagte, es sei mitnichten so, dass Nichtstun nichts koste. Wenn Menschen wegen zu geringer Renten in der Grundsicherung landeten, dann koste das den Staat sehr viel Steuergeld. Das wolle ihre Partei verhindern und deswegen kämpfe sie auch für gute Löhne, betonte Schmidt.
AfD: Generationenkapital ist Finanzierung auf Pump
Die AfD-Fraktion konnte das nicht überzeugen. Deren Rentenexpertin Ulrike Schielke-Ziesing (AfD) verwies auf die Kritik des Bundesrechnungshofes, der kürzlich vor „enormen Ausgabensteigerungen in der Rentenversicherung“ gewarnt hatte.
Das Generationenkapital sei eine „Finanzierung auf Pump“, die den Anstieg der Rentenbeiträge nur minimal senke. „Warum macht man das?“, fragte sie. Mit der AfD-Idee eines Fonds-Sparplans für Jüngere, wäre es dagegen möglich, die Rente langfristig zu stabilisieren, sagte sie.
Gruppe Die Linke: Renten anheben
Heidi Reichinnek erklärte für die Gruppe Die Linke, das Rentenpaket symbolisiere eine „Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners“. Jeder fünfter Rentner in Deutschland lebe in Armut „und um das zu ändern, müssen wir die Renten anheben.“
Gruppe BSW für Rentensystem Österreichs
Alexander Ulrich (BSW) forderte, sich am Rentensystems Österreichs zu orientieren und war überzeugt, dass eine Mehrheit der Bevölkerung in einer Volksbefragung dafür votieren würde.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Aus Sicht der Bundesregierung würde mit der geltenden Rentenanpassungsformel das Rentenniveau demografiebedingt nach 2025 schrittweise deutlich sinken und ein niedrigeres Alterseinkommen der heutigen und künftigen Rentnergenerationen die Folge sein. Hinzu kämen die Folgen des demografischen Wandels, der mit dem Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge der 1960er-Jahre eine Herausforderung für die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung darstelle.
„Ziel ist es daher, die gesetzliche Rente als tragende Säule der Alterssicherung langfristig im Hinblick auf das Rentenniveau stabil und im Hinblick auf die Ausgabenentwicklung finanzierbar zu halten und dafür zu sorgen, dass die gesetzliche Rentenversicherung weiterhin auch für zukünftige Generationen verlässlich bleibt“, schreibt die Regierung in dem Entwurf.
Rentenniveau von 48 Prozent soll normiert werden
Das Rentenniveau von 48 Prozent (Verhältniswert aus der verfügbaren Standardrente und dem verfügbaren Durchschnittsentgelt) soll daher als Grundsatz gesetzlich normiert werden, um das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung als tragende Säule der Alterssicherung zu stärken.
Umgesetzt werden soll dieser Grundsatzregelung in mehreren Abschnitten. Zunächst sollen die Regelungen für diese Haltelinie bis einschließlich der Rentenanpassung zum 1. Juli 2039 angewendet werden. Sie entfalten ihre Wirkung damit bis zum 30. Juni 2040. Zudem soll die Bundesregierung im Jahr 2035 einen Bericht darüber vorlegen, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen nötig sind, um das Rentenniveau von 48 Prozent für einen weiteren Abschnitt ab Mitte des Jahres 2040 beizubehalten.
Stiftung „Generationenkapital“
Um die finanzielle Entwicklung des Rentensystems zusätzlich zu stabilisieren, plant die Regierung, eine Stiftung mit der Bezeichnung „Generationenkapital“ einzurichten. Dies würde den Einstieg in eine teilweise Kapitaldeckung der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung bedeuten. Aus den Erträgen des Generationenkapitals sollen laut Regierung langfristig Gelder für die gesetzliche Rentenversicherung generiert werden und deren Finanzierungsbasis erweitert werden.
„Sie wird künftig nicht nur durch Beiträge und Leistungen des Bundes, sondern auch durch Kapitalerträge getragen. Mit dem Generationenkapital wird ein Beitrag zur langfristigen Stabilisierung des Beitragssatzes der gesetzlichen Rentenversicherung ab Mitte der 2030er-Jahre geleistet“, erläutert die Bundesregierung.
Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion fordert ein „Junior-Spardepot“, um die Rente der heutigen Kinder zu sichern. In ihrem Antrag (20/12847) schreiben die Abgeordneten: „Seit dem Ende der Niedrigzinsphase ist eine Schuldenaufnahme, wie sie etwa beim ,Generationenkapital‘ erfolgt, nicht mehr verantwortbar. Dieses Vorsorgekonzept spekuliert auf eine dauerhaft positive Renditedifferenz zwischen Aktien und Staatsanleihen.“ Ein „Altersvorsorge-Fondssparplan“ könnte den Kindern von heute eine neue Rentenperspektive geben, ohne dabei Schulden zu machen, heißt es in dem Antrag.
Die Fraktion fordert deshalb von der Bundesregierung, eine unabhängige Stiftung („Gemeinschaftsstiftung“) als Ergänzung zur umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung zum langfristigen Aufbau einer kapitalgedeckten Altersvorsorgesäule zu errichten. Dabei solle für jedes neugeborene Kind mit deutscher Staatsangehörigkeit und tatsächlichem Daueraufenthalt im Inland ein „Altersvorsorge-Fondssparplan“ und ein entsprechendes „Junior-Spardepot“ eingerichtet und diese Altersvorsorge so ausgestaltet werden, dass die Fondssparpläne aus Steuermitteln bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres mit monatlichen zweckgebundenen Einzahlungen in Höhe von anfänglich 100 Euro bespart werden.
Die monatlichen Sparbeträge sollen im Rahmen der Finanzierbarkeit entsprechend der Inflation dynamisiert werden. Eine Verwendung von Beiträgen für die gesetzliche Rentenversicherung für die Altersvorsorge-Fondssparpläne solle ausgeschlossen sein.
Antrag der Gruppe BSW
Die Gruppe BSW fordert in einem Antrag (20/10735) eine gute Rente für alle nach dem Vorbild Österreichs. Die Abgeordneten kritisieren: „Im Juni 2023 bezogen bundesweit 691.820 Menschen im Rentenalter Grundsicherung. Das sind 63.250 Menschen mehr als noch im Juni 2022 – ein deutlicher Anstieg innerhalb eines Jahres. Durch die hohe Inflation der vergangenen Jahre werden die Renten zusätzlich entwertet.“
In Nachbarstaaten wie den Niederlanden oder in Österreich liege das Rentenniveau deutlich höher. So habe in Österreich eine Rentenreform dazu geführt, dass Rentnerinnen und Rentner nach 45 Beitragsjahren 80 Prozent ihres Lebenseinkommens erhalten (Bruttorentenniveau). Das seien durchschnittlich 800 Euro mehr im Monat, als Rentnerinnen und Rentner in Deutschland erhalten. Möglich seien diese höheren Rentenzahlungen primär dadurch, dass es eine Rentenkasse für alle Erwerbstätigen gebe, in die auch Beamte, Selbstständige und Parlamentsabgeordnete einzahlten, führen die Abgeordneten aus.
Sie verlangen von der Bundesregierung, unverzüglich alle Planungen einzustellen, mit einem Teil der gesetzlichen Rente am Aktienmarkt zu spekulieren. Außerdem müsse die Regierung einen Gesetzentwurf vorlegen, der eine Rentenreform einleitet, die sich am österreichischen Rentenmodell orientiert, insbesondere eine Rentenkasse für alle Erwerbstätigen einführt sowie eine Anhebung des Rentenniveaus auf lebensstandardsichernde 53 Prozent umsetzt. (hau/che/27.09.2024)