Europäische Union

Regierungserklärung des Bundeskanzlers gerät zum Wahlkampfduell

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat im Bundestag versichert, dass Deutschland neben den USA der wichtigste Unterstützer im Abwehrkampf der Ukraine gegen Russland bleiben wird. Außerdem hat er Israel weitere Waffenlieferungen zugesichert. „Es gibt Lieferungen und wird auch immer weitere Lieferungen geben. Darauf kann sich Israel verlassen“, sagte Scholz bei einer Regierungserklärung zum anstehenden Gipfeltreffen des Europäischen Rats am 16. und 17. Oktober in Brüssel.

Kanzler kündigt Industriegipfel an

In seiner Rede kündigte der Bundeskanzler auch eine industriepolitische Offensive an. Noch vor Ende des Monats wolle er Unternehmensvertreter, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände zu einem Industriegipfel ins Kanzleramt einladen, um über Wege aus der Wirtschaftsflaute zu sprechen. „Das, was dabei rauskommt, werde ich diesem Parlament vorschlagen, auch auf den Weg zu bringen, damit es vorangeht in Deutschland“, sagte Scholz.

In Deutschland müsse besonders um die Industrie gekämpft werden, erklärte der Bundeskanzler. Deutschland sei ein Industrieland und der „Verlockung vieler anderer nicht erlegen, die gesagt haben, Industrie kann man abschreiben. Finanzplätze sind das Einzige, was man braucht“. Darum müsse man jetzt zusammen mit der Industrie, an der Millionen Arbeitsplätze hingen, „darum kämpfen, dass wir diese Grundlage unseres Wohlstands erhalten“. Über das hinaus, was die Ampel-Regierung bereits auf den Weg gebracht habe, sei er dafür, „eine neue industriepolitische Agenda zu vereinbaren, von der alle profitieren“.

Perspektive für Zwei-Staaten-Lösung

Mit Blick auf den Krieg im Nahen Osten erklärte der Kanzler, dass es auch weiterhin der humanitären Hilfe für die Menschen in Gaza bedürfe und dass die Regeln des Völkerrechts im Nahost-Krieg eingehalten werden müssten. Es brauche außerdem auch eine Perspektive für eine Zwei-Staaten-Lösung mit den Palästinensern, sagte Scholz. Es seien auch Zivilisten in dem Krieg gestorben. Die Humanität gebiete es, mit allen Opfern zu fühlen, sagte Scholz. 

Es brauche auch einen Waffenstillstand, der mit der Freilassung der israelischen Geiseln ende. Im Norden von Israel müsse es zu einer Waffenruhe kommen. Scholz ermahnte zudem den Iran, Israel nicht weiter mit Raketen anzugreifen. „Der Iran spielt mit dem Feuer. Das muss aufhören“, betonte er.

Scholz für Friedensgespräche mit Putin

Der Bundeskanzler unterstrich seine Bereitschaft, mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über einen gerechten Frieden in der Ukraine zu sprechen. Scholz erklärte, dabei verfolge man klare Prinzipien: Es werde niemals Entscheidungen geben „über die Köpfe der Ukraine hinweg und niemals ohne Abstimmung mit unseren engsten Partnern“. 

Zugleich erinnerte der Kanzler daran, dass auch unzählige russische Soldaten jeden Tag „Opfer des imperialistischen Wahns des russischen Präsidenten“ würden. „Auch sie sind Opfer seiner Politik mit dem Ziel, sein Land zu vergrößern. Etwas, was es auf diese Art in Europa nicht wieder geben darf“, ergänzte Scholz.

Union kritisiert Ukraine-Kurs des Kanzlers

Unionsfraktionsvorsitzender Friedrich Merz warf dem Bundeskanzler vor, dem Parlament statt einer Regierungserklärung zum EU-Gipfel eine „vorgezogene, fast schon verzweifelte Wahlkampfrede“ geliefert zu haben. Es habe den Anschein, Scholz stünde „mit dem Rücken zur Wand und mit den Füßen am Abgrund“, sagte Merz. Er warf Scholz vor allem vor, kein Wort zum Thema Migration gesagt zu haben.

Der Chef der CDU/CSU-Fraktion wies dem Kanzler eine Mitschuld daran zu, dass die Ukraine sich „mit einer Hand auf dem Rücken“ gegen den russischen Angriffskrieg wehren müsse und machte konkrete Vorschläge. Merz sagte: „Herr Bundeskanzler, es wird auch Zeit, dass wir unsere Angst überwinden vor Putin, um die Grausamkeiten in der Ukraine jetzt wirklich gemeinsam zu beenden.“ Es sei nicht gelungen, Putin die Grenzen aufzuzeigen, vielmehr werde es für die Ukraine von Woche zu Woche schwieriger. Merz forderte den Kanzler auf, beim EU-Gipfel in Brüssel an Putin gerichtet „zu sagen, dass wir nicht länger akzeptieren, dass er zivile Infrastruktur, Krankenhäuser, Kindergärten, alle zivile Infrastruktur dieses Landes wahllos bombardiert“. 

Wenn Putin die Angriffe fortsetze, solle gemeinsam in Europa entschieden werden, dass die Reichweitenbegrenzung für die westlichen Waffen, die die Ukraine habe, aufgehoben werde, forderte Merz. Auch die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine brachte Merz ins Spiel.

FDP wirbt für Handelsabkommen

FDP-Fraktionsvorsitzender Christian Dürr „dankte“ Merz für dessen „klaren Worte“, was die Unterstützung der Ukraine angehe. Leider habe der CDU-Chef sich beim Wahlkampf in Sachsen, Thüringen und Brandenburg nicht auch so deutlich positioniert. 

Für die Gespräche in Brüssel solle sich Bundeskanzler Scholz stärker als bisher für die Unterzeichnung von Handelsabkommen einsetzen. Es sei an der Zeit, dass Mercosur endlich komme. Darüber hinaus solle die neue und alte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dafür sorgen, dass weitere Handelsabkommen erreicht werden.

Grüne üben Kritik an Vorgängerregierung

Katharina Dröge, Co-Fraktionschefin von Bündnis 90/Die Grünen, kritisierte vor allem die Wirtschaftspolitik der CDU-geführten Bundesregierungen der vergangenen Jahre. Vor allem in der Energiepolitik seien 2015 und 2022 gravierende Fehler gemacht worden. So habe die Regierung von Angela Merkel 2015 wichtige Teile der Energieinfrastruktur Deutschlands an Russland verkauft. 

Im Jahr 2021 habe der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zugelassen, dass Russland es unterlassen habe, die Gasspeicher in Deutschland für die Heizperiode 2021/2022 zu füllen. „Wir haben bei der Regierungsübernahme im Januar 2022 dann das Ergebnis gesehen“, sagte Dröge. Die Ampelregierung sei seit drei Jahren dabei, „das Land zu reparieren“.

SPD plädiert für „Mut und Tatkraft“

Auch der Redebeitrag von Lars Klingbeil (SPD) war stark von dem aufziehenden Bundestagswahlkampf geprägt. Klingbeil ging noch einmal auf den Industriepakt ein. „Wir kämpfen um jeden Industriearbeitsplatz in diesem Land“, sagte der Bundestagsabgeordnete und SPD-Chef.

Die SPD werde sich nicht an der „Schwarzmalerei beteiligen, wir brauchen einen realistischen Blick auf dieses Land“, sagte er. Für die kommenden Monate brauche es „Mut und Tatkraft“.

AfD: Waffenlieferungen lösen keine Konflikte

Vonseiten der AfD-Fraktion sowie den Gruppen Die Linke und BSW kamen Absagen für weitere Waffenlieferungen an die Ukraine und an Israel. Tino Chrupalla forderte: „Keine Lieferungen deutscher Waffen an irgendeine Kriegspartei.“ Es gelte Frieden zu stiften. Er sei der Ansicht, dass Waffenlieferungen keine Konflikte lösten. Vielmehr würden Waffenlieferungen aus Deutschland „die Toten entmenschlichen“.

Es sei an der Zeit, „sich kritisch mit der israelischen Regierung auseinanderzusetzen“, das Ziel müsse „Frieden und eine Zwei-Staatenlösung sein und eine Friedensinitiative, die von Deutschland ausgeht“, unterstrich der Co-Fraktionschef der AfD.

Die Linke und BSW gegen Waffenlieferungen

Auch Janine Wissler (Die Linke) kritisierte weitere Waffenlieferungen, „weil davon lediglich Rüstungskonzerne profitieren“. Waffen sollten nicht in Kriegs- und Krisengebiete exportiert werden, weil dadurch immer neue Fluchtbewegungen und neues Leid entstünden. Doch stattdessen liefere die Ampelregierung weiter und plane nun auch noch die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen.

Dafür bekam sie Unterstützung von Sahra Wagenknecht (BSW). Die frühere Linken-Politikerin nannte Scholz „einen Bundeskanzler, der sich seine Anweisungen aus Washington holt“. Am Rande eines Nato-Gipfels sei „mal eben so“ die Stationierung der US-Mittelstreckenraketen beschlossen worden. Die Ukraine „braucht keine neuen Waffen und auch keine wahnwitzigen Siegespläne“, sagte Wagenknecht in Anspielung auf den Friedensplan des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der damit eine schnelle Einladung zum Beitritt in das westliche Militärbündnis Nato fordert. Wagenknecht plädierte für „einen Waffenstillstand“ und „Friedensverhandlungen“. (nki/16.10.2024)

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