Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland erörtert
„Keine Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland“ lautet der Titel eines Antrags der Gruppe Die Linke (20/12586), den der Bundestag am Donnerstag, 10. Oktober 2024, erstmals beraten hat. Ebenfalls erstmals beraten wurden zwei Anträge der Gruppe BSW mit den Titeln „Deeskalation statt Aufrüstung – Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland stoppen“ (20/12812) und „Volksbefragung zur US-Raketenstationierung ermöglichen“ (20/12636).
Im Anschluss an die Aussprache wurden der Antrag der Linken und der erste Antrag des BSW zur federführenden Beratung an den Auswärtigen Ausschuss, der zweite Antrag des BSW an den Innenausschuss überwiesen. Die Gruppe Die Linke hatte für ihren Antrag die Federführung beim Verteidigungsausschuss gewünscht, konnte sich in der Abstimmung aber nicht durchsetzen.
Antrag der Gruppe Die Linke
Eine Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland hätte unabsehbare Folgen für die Rüstungskontrolle, Rüstungsbegrenzung und Abrüstung in Europa und würde das strategische Gleichgewicht zwischen den USA und Russland nachhaltig verändern, schreiben die Abgeordneten in ihrem Antrag (20/12586). Im Gegensatz zum sogenannten Nato-Doppelbeschluss des Jahres 1979 enthalte die bilaterale Erklärung der Bundesregierung und der US-Regierung am Rande des Washingtoner Nato-Gipfels im Juli über die Stationierung von Mittelstreckenwaffen in Deutschland kein Dialogangebot an Russland. Damit eröffne die ohne öffentliche Debatte geführte Entscheidung der Bundesregierung den Weg in eine Aufrüstungsspirale, welche die Sicherheit Deutschlands nicht erhöhen, sondern erheblich gefährden würde.
Die Gruppe fordert die Bundesregierung unter anderem auf, einen Antrag vorzulegen, um die Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen im Bundestag zu debattieren. Außerdem sollten das bilaterale Abkommen mit den USA über die Stationierung von Raketen mittlerer Reichweite in Deutschland annulliert und eine diplomatische Initiative für einen globalen Nachfolgevertrag des Washingtoner Vertrags über nukleare Mittelstreckensysteme ergriffen werden.
Erster Antrag der Gruppe BSW
Die Gruppe BSW wendet sich gegen die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland und hat dazu einen Antrag (20/12812) vorgelegt. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine stärke ein solcher Schritt nicht die Abschreckung, wie die Bundesregierung behaupte, argumentieren die Abgeordneten. „Die Ankündigung birgt erhebliche Eskalations- und damit Sicherheitsrisiken. Erstmals seit Inkrafttreten des 1987 unterzeichneten und von der US-Regierung im Februar 2019 aufgekündigten INF-Vertrags (Intermediate Range Nuclear Forces) sollen auf deutschem Boden wieder landgestützte US-amerikanische Mittelstreckenwaffen stationiert werden, mit denen Ziele weit auf russischem Territorium getroffen werden können.“
Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich ihre Zustimmung zu dem bilateralen Abkommen mit der US-Regierung zur Stationierung solcher US-Raketen in Deutschland zurückzuziehen. Stoppen soll die Bundesregierung auch ihre Beteiligung an der ELSA-Initiative (European Long Strike Approach), mit der Deutschland, Frankreich, Italien und Polen ein europäisches Mittelstreckenwaffen-Programm auf den Weg bringen wollen, das die US-amerikanische Präsenz in Europa beziehungsweise Deutschlands ergänzen soll. Außerdem setzt sich die Gruppe BSW dafür ein, „umgehend eine Verhandlungsinitiative zwischen den Nato-Staaten und Russland zu initiieren, um die gekündigten Abrüstungs- und Beschränkungsverträge für atomare und konventionelle Waffen- und Trägersysteme unverzüglich zu reaktivieren, so dass ein Atomkrieg aus Versehen oder aufgrund technischer Fehler auszuschließen ist“.
Zweiter Antrag der Gruppe BSW
Die Gruppe BSW dringt auf eine „Volksbefragung zur US-Raketenstationierung“. Wie die Gruppe in einem Antrag (20/12636) schreibt, verkündeten die Regierungen der USA und Deutschlands am Rande des Nato-Gipfels am 10. Juli 2024, dass die Vereinigten Staaten ab 2026 „weitreichende Waffensysteme (Long-Range Fires/LRF) wie Raketen des Typs Standard Missile 6 (SM-6), Marschflugkörper des Typs Tomahawk sowie hypersonische Waffen“ auf US-Militärstützpunkten in der Bundesrepublik stationieren werden.
Zur Frage der Stationierung habe es vor dieser Entscheidung weder eine Debatte im Bundestag noch in der Öffentlichkeit gegeben, heißt es in der Vorlage weiter. Laut Umfragen lehne eine relative Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland die Stationierung der US-Raketen ab, schreibt die Gruppe ferner. Die Bundesregierung fordert sie in dem Antrag auf, „ein Gesetz vorzulegen, um möglichst binnen sechs Monaten, spätestens aber parallel zur Bundestagswahl 2025, eine Volksbefragung zur Frage der US-Raketenstationierung in Deutschland durchzuführen“. (ahe/sto/hau/10.10.2024)