Zeit:
Montag, 7. Oktober 2024,
11
bis 15 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.200
Die von der Bundesregierung geplante Reform der Filmförderung stand am Montag, 7. Oktober 2024, im Zentrum einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien. Die Abgeordneten hatten sich Experten aus der Produktion, vom Drehbuchverband, vom Verleih, dem Kino sowie von Fernsehanstalten und den Anbietern audiovisueller Dienste eingeladen, um mit ihnen über die Verbesserung der Rahmenbedingungen zu beraten.
Im Februar hatte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) ein Dreisäulenmodell mit drei Gesetzentwürfen angekündigt. Herzstück bleibt das Filmförderungsgesetz (FFG), dessen Novellierung (20/12660) im Zentrum der Diskussion stand. Alle Experten waren sich einig, dass es an einigen Eckpunkten nachgebessert werden muss.
Investitionsverpflichtung für Sender und Streamingdienste
Die zweite Säule von Claudia Roths Neuansatz ist das Filmzulagengesetz, ein Steueranreizmodell, das den Deutschen Filmförderfonds 1 und 2 und den German Motion Picture Fund ablösen soll. Abgerundet wird die Neuaufstellung des Fördersystems mit einer Investitionsverpflichtung für Sender und Streamingdienste. Für diese beiden Säulen liegt allerdings noch kein Gesetzentwurf vor. Dr. Jan Ole Püschel, Abteilungsleiter bei der Beauftragten für Kultur und Medien, zeigte sich optimistisch, dass die beiden Entwürfe bald vorgelegt werden können.
Ergänzt werden diese drei Säulen durch die kulturelle Filmförderung. Die Experten waren sich einig, dass zumindest drei Elemente ineinandergreifen und notwendig sind, um den deutschen Film für die Zukunft fit zu machen. Die Investitionsverpflichtung sehen die Sender und Streamer skeptisch bis verfassungsmäßig bedenklich.
„Einseitiges Gesetzespaket“
Unterschiedliche Meinungen gab es zwischen den geladenen Gästen erwartungsgemäß zu den Details der Novellierung des FFG, die im Zentrum der Anhörung stand. Björn Hoffmann vom AG Verleih bewertete das von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien vorgelegte beziehungsweise angekündigte Gesetzespaket als einseitig.
Die Produzenten würden gestärkt. Alle anderen Marktplayer bemühten sich im Moment, den Status quo zu erhalten. Dies widerspreche der ursprünglichen Ankündigung von Claudia Roth, die Zahl der gedrehten Filme zu verringern, die im Moment bei rund 250 geförderten Langfilmen liegt, und mehr Geld für die Herausbringung und den Erhalt der Kinoinfrastruktur bereitzustellen.
„Buy-out-Verträge müssen vorbei sein“
Björn Böhning von der Produktionsallianz verteidigte die geplanten Verschiebungen der Mittel im FFG zugunsten der Produzentinnen und Produzenten. Er mahnte zudem an, dass Buy-out-Verträge, bei dem der Produzent alle Rechte an den Auftraggeber abtritt, vorbei sein müssten.
Dr. Wolf Osthaus vom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom), widersprach. Sender oder Streamingdienste müssten für das Risiko, einen Film voll zu finanzieren, auch die entsprechenden Rechte erhalten. Er schlug andere Modelle wie vertraglich vereinbarte Erfolgsboni vor, mit denen Produktionsunternehmen an Erfolgen beteiligt werden können.
„Respektlosigkeit des Gesetzgebers“
Ein heiß diskutiertes Thema in der deutschen Filmwirtschaft sind die Sperrfristen. Dahinter verbergen sich gesetzlich vorgeschriebene Abstände zwischen der Auswertung eines Films im Kino, über VoD-Dienste, Pay TV und schließlich die Ausstrahlung im Fernsehen. Die Vertreter der Verbände in dieser Auswertungskaskade hatten sich auf eine Branchenvereinbarung geeinigt, nach der diese Regeln flexibilisiert worden sind.
Der Gesetzentwurf des FFG sieht nun Regelungen vor, die diese Veränderungen obsolet machen. Christine Berg vom Hauptverband deutscher Filmtheater sprach von einer Respektlosigkeit des Gesetzgebers. Sie plädierte gemeinsam mit den Vertretern der AG Kino sowie den beiden Verleiherverbänden dafür, die Regelungen der Branchenvereinbarung zu achten.
„Nur eine gesetzlich festgelegte Schutzfrist für das Kino“
Widerspruch kam von Prof. Dr. Jens-Ole Schröder, dem juristischen Direktor des Mitteldeutschen Rundfunks (mdr). Er forderte, dass es nur eine gesetzlich festgelegte Schutzfrist für das Kino geben sollte. Die weitere Auswertungskaskade solle mit jeweils auf das Einzelprojekt zugeschnittenen Verträgen geregelt werden, die auf Grundlage von Rahmenvereinbarungen geschlossen werden könnten.
Schröder machte auch auf die Bedenken der öffentlich-rechtlichen Sender zur Umstellung der Fördersystematik im FFG aufmerksam. Bislang wurden 50 Prozent der Mittel in der Produktionsförderung nach einer Jury-Entscheidung vergeben, 50 Prozent in der sogenannten Referenzförderung. Mit ihr erhalten Firmen automatisch Gelder für die Herstellung eines neuen Films, wenn ein Film an der Kinokasse oder auf Festivals erfolgreich war.
„Mittel für die Referenzförderung splitten“
Künftig soll es nur noch die Referenzförderung geben. Da die Mehrzahl der an der Kinokasse erfolgreichen Filme von den privaten Sendern koproduziert werden, flössen künftig über die Abgaben der öffentlich-rechtlichen Sender Gebührengelder zu den privaten Sendern. Dies widerspräche dem Auftrag der Sender.
Sie würden daher vorschlagen, die für die Referenzförderung zur Verfügung stehenden Mittel zu splitten. Das Geld aus dem Aufkommen der öffentlich-rechtlichen Sender könnte in einen Sondertopf eingestellt werden, von dem nur die erfolgreichen Produzenten und Produzentinnen von Filmen profitieren, die ARD und ZDF als Partner hatten.
„Änderungen zu Ungunsten der Verleiher zurücknehmen“
Breiten Raum nahm in der Diskussion die künftige finanzielle Ausstattung des Verleihs im FFG ein, wobei sowohl von Björn Hoffmann ( AG Verleih) als auch Peter Schauerte (AllScreens) angemahnt wurde, weiter an einem Modell zu arbeiten, mit dem der Verleih in das Filmzulagenmodell einbezogen werden könne. Beide forderten, geplante Veränderungen im FFG zu Ungunsten der Verleiher zurückzunehmen.
Insbesondere die Streichung der 2009 eingeführten Medialeistungen schwäche den Verleih. Hinter dem Modell verbirgt sich, dass die Sender Werbezeiten im Wert von knapp sechs Millionen Euro im Jahr zum Start deutscher Kinofilme zur Verfügung stellen und damit ihre Einzahlungen ins Fördersystem verringern. Daniela Beaujean von VAUNET – Verband privater Medien schloss sich an und forderte für ihre Mitglieder, diese Möglichkeit der Abgabeleistung zu erhalten.
„Medialeistungen haben sich abgenutzt“
Neben Hoffmann, Schauerte und Beaujean sprachen sich auch Christine Berg und Dr. Christian Bräuer von der AG Kino für deren Erhalt aus. Peter Dinges, Vorstand der Filmförderungsanstalt (FFA), hielt als geladener Sachverständiger dagegen. Die Medialeistungen seien einst ein großartiges Marketing-Werkzeug gewesen, das sich leider abgenutzt habe. Nur noch zwei Prozent der Kinobesucher entschieden sich durch die Spots für den Kauf einer Kinokarte für einen bestimmten Film.
Uneinig waren sich Christine Berg und Christian Bräuer zur Reform der Abgabe der Kinos, die je nach der Höhe ihres Umsatzes Leistungen an die FFA erbringen müssen. Im derzeit geltenden FFG wird nach Leinwand abgerechnet, künftig soll pro Kinocenter abgerechnet werden. Berg befürchtet einen massiven Nachteil für kleinere und mittlere Betriebe. Bräuer meint dagegen, dass das System nach der Umstellung gerade für kleinere Unternehmen gerechter werde und damit die wirtschaftliche Effizienz jeder Leinwand in einem Filmtheater stark steige.
„Zukunftsprogramm Kino muss fortgesetzt werde“
Einig waren sie sich darin, dass das Zukunftsprogramm Kino fortgesetzt werden müsse, mit dem die Bundesregierung die Werterhaltung und Digitalisierung der Kinos fördert. Der Investitionsbedarf der Kinos liegt bei 112 Millionen Euro im Jahr. Im Entwurf der Bundesregierung für den Bundeshaushalt 2025 ist das Programm finanziell nicht unterlegt. Beide Experten plädierten auch dafür, die geplante Streichung der Förderung des Abspiels von Kurzfilmen im FFG zurückzunehmen und die Unterstützung von Festivals zu erhalten beziehungsweise auszubauen.
Der Cinestar unterstütze 34 Festivals, davon 24 als Sponsor, so Christine Berg. Björn Hoffmann ergänzte, insbesondere die Berlinale als Schaufenster des deutschen Films und wichtiger Markt müsse auskömmlich über den Bundeshaushalt finanziert werden. (dock/07.10.2024)