Heftiger Streit über geplante Gesundheitsreformen
Mit den großen gesundheitspolitischen Reformvorhaben hat sich der Bundestag in der ersten Beratung des Haushaltsplans für das Jahr 2025 befasst. Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) erläuterte den Abgeordneten am Donnerstag, 12. September 2024, die großen Gesetze, die bis zur Wahl im Herbst nächsten Jahres noch anstehen, darunter die Krankenhausreform und die Reform der Pflegefinanzierung. Nach Ansicht der Opposition sind die angekündigten Reformen unzureichend oder unkonkret.
Der Einzelplan 15 des Bundeshaushalts 2025 (20/12400) umfasst Ausgaben von 16,44 Milliarden Euro gegenüber 16,71 Milliarden Euro in diesem Jahr. Lauterbach kann mit Einnahmen von 106,18 Millionen Euro rechnen (2024: 104,32 Millionen Euro). Der Einzelplan 15 wurde am Freitag, 13. September, zur weiteren Beratung an den Haushaltsausschuss überwiesen.
Minister kündigt „Herbst der Reformen“ an
Lauterbach kündigte einen „Herbst der Reformen“ in der Gesundheitspolitik an, der die gesamte Gesellschaft betreffe. Er erinnerte an rund 16 Millionen Patienten in der stationären Versorgung pro Jahr und rund eine Milliarde Arztbesuche in Praxen sowie rund 400.000 Menschen, die zuletzt zusätzlich in der Pflege versorgt wurden. Der Minister betonte: „Wir haben einen unmittelbaren Handlungsbedarf. Unser Gesundheitssystem ist in einer Notlage.“ Er fügte hinzu: „Das ist nur mit Strukturreformen zu schaffen, nicht mit Bagatellreformen.“
In den zurückliegenden 20 Jahren sei viel liegengeblieben in der Gesundheitspolitik, das müsse sich nun ändern. Die nötigen Reformen gingen über die Parteipolitik hinaus, sagte Lauterbach und lud die Opposition dazu ein, sich an der Umsetzung der Reformen zu beteiligen. So sei Deutschland in der Digitalisierung ein Entwicklungsland. Er versicherte: „Wir werden einen Digitalisierungssprung erreichen.“ Ohne Digitalisierung sei der Übergang in ein modernes Gesundheitssystem nicht zu schaffen.
Krankenhausreform und Beitragssätze
Auch die Krankenhausreform sei überfällig und hätte schon vor 20 Jahren vorbereitet werden müssen. Nun sei die finanzielle Not vieler Häuser so groß, dass selbst dringend benötigte Kliniken Sorge hätten, über die Runden zu kommen. Mit der Krankenhausreform würden die Kliniken auf eine solide Finanzierungsebene gehoben. Der Minister erwähnte auch den Reformbedarf in der Pflege. Ältere Menschen dürften keine Angst haben vor zu hohen Eigenanteilen. Er kündigte ein großes Pflegekonzept in den kommenden Wochen an.
Der Minister ging auf die steigenden Beiträge zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ein und betonte: „Die Beitragssätze stehen unter Druck, weil die Strukturreformen ausgeblieben sind.“ Ohne Strukturreformen bliebe nur die Möglichkeit, Leistungen zu kürzen, das lehne er ab. Lauterbach versprach, nach dem Herbst der Reformen werde das Gesundheitssystem in einer besseren Verfassung sein.
Union wirft Lauterbach Untätigkeit vor
Die Union hielt dem Minister vor, sich in Ankündigungen zu verlieren. Tino Sorge (CDU/CSU) erinnerte daran, dass Lauterbach etwa bei der Digitalisierung früher selbst gebremst habe. Hinsichtlich der Krankenhausreform hielt Sorge dem Minister Realitätsverweigerung vor, weil die Fachleute zuletzt beim Krankenhausgipfel noch einmal deutlich gemacht hätten, dass es so nicht geht.
Die geplante Reform der Pflegefinanzierung gehe Lauterbach nur an, weil der Kanzler das unlängst für wichtig erklärt habe. Seit zwei Jahren warte die Opposition hier schon auf Vorschläge. Sorge kritisierte, statt durchdachte Strukturreformen vorzulegen, beschränke sich Lauterbach im Wesentlichen auf Ankündigungen. Er warnte, das Nichtstun und Verschieben von Reformen schade der Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt.
Grüne drängen auf Aufklärung zu Maskenkäufen
Dr. Paula Piechotta (Bündnis 90/Die Grünen) ging erneut auf die Haushaltsrisiken ein, die sich auch nach Einschätzung des Bundesrechnungshofes noch nach der Corona-Pandemie aus Skandalen während der Gesundheitsnotlage ergäben. Sie nannte in dem Zusammenhang die zahlreichen Betrugsfälle mit Corona-Testzentren. So habe der Bund in der Pandemie rund 17,8 Milliarden Euro für Corona-Tests ausgegeben, das sei mehr Geld, als im gesamten Gesundheitshaushalt zur Verfügung stehe. Viel Geld sei in die Hände von Betrügern gefallen, die müssten vor Gericht gebracht werden. Auch die Länder müssten verstärkt die Abrechnungen prüfen, um das Steuergeld zu retten.
Piechotta forderte darüber hinaus Aufklärung zu den offensichtlich überteuerten Ankäufen von Schutzmasken während der Pandemie durch den Bund. Mit Blick auf noch laufende Rechtsstreitigkeiten mit Unternehmen, die Masken geliefert haben, bezifferte sie das Haushaltsrisiko auf mehr 2,5 Milliarden Euro. Die Grünen-Abgeordnete sagte in Anspielung auf den damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU): „So wie viele Menschen in diesem Land nach der Pandemie immer noch an Long-Covid leiden, so leidet dieser Haushalt an Long-Spahn.“ Hier sei Steuergeld verbrannt worden.
FDP: Menschen erwarten Lösungen für Krankenhaussektor
Ähnlich äußerte sich Karsten Klein (FDP), der eine dezidierte Aufklärung der Masken-Geschäfte versprach. Er betonte: „Wir bleiben da dran, die Fehler dürfen sich nicht wiederholen. Wir werden der Sache auf den Grund gehen.“
Im Streit über die Krankenhausreform forderte Klein alle Seiten auf, sich an Lösungen zu beteiligen. So habe der Bund rund 30 Milliarden Euro für Krankenhäuser ausgegeben, obwohl er keine Verantwortung für die Finanzierung habe. Die Länder forderten immer wieder Geld vom Bund und seien selbst mit rund 30 Milliarden Euro Investitionen in Krankenhäuser im Rückstand. Der FDP-Abgeordnete mahnte, die Menschen erwarteten Lösungen für den Krankenhaussektor.
AfD: Es wird zu viel Geld für falsche Dinge ausgegeben
Wolfgang Wiehle (AfD) kritisierte den geplanten Krankenhaus-Transformationsfonds in Höhe von 50 Milliarden Euro. Das sei teuer und gefährlich für die Versorgung. Während die Länder zu 25 Milliarden Euro beteiligt würden, stünden für die andere Hälfte die Beitragszahler gerade. Dadurch stiegen die Kassenbeiträge noch schneller.
Wiehle rügte, es werde zu viel Geld für die falschen Dinge ausgegeben, so etwa zugunsten von Migranten und Kriegsflüchtlingen, die von den Krankenkassen alle mitfinanziert würden. Der AfD-Politiker kritisierte auch die in den Haushalt eingestellten Zahlungen für die Pandemiebereitschaftsverträge. Das Ziel sei, im Notfall schnell Impfstoffe zu produzieren. „Das ist ein Spiel mit dem Feuer, sparen wir uns das.“
SPD: Wir brauchen mutige Lösungen
Svenja Stadler (SPD) appellierte an die Abgeordneten, die nötigen Reformen im Gesundheitswesen zu unterstützen. Deutschland stehe vor großen Herausforderungen. „Wir brauchen innovative und mutige Lösungen.“
Die Koalition sei mutig und habe Reformen angestoßen, ob Notfallversorgung, Krankenhausreform, Apothekenreform, Pflegereform oder Digitalisierung. Dies sei nicht leicht, denn plötzlich müssten alle Menschen im System Verantwortung übernehmen und eingetretene Pfade verlassen. Sie hoffe, dass sich alle zusammenraufen könnten, um ein modernes, zuverlässiges und nachhaltiges Gesundheitssystem zu gestalten.
Gesundheitsetat für 2025
Der Gesundheitsetat für 2025 soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung um rund 269 Millionen Euro auf rund 16,44 Milliarden Euro sinken. Das geht aus dem Entwurf für den Einzelplan 15 im Bundeshaushaltsplan (20/12400) hervor. Die Soll-Ausgaben für 2024 liegen bei rund 16,71 Milliarden Euro. 2023 lag der Etatansatz bei rund 24,5 Milliarden Euro.
Wie üblich sind die meisten Ausgaben im Gesundheitsetat schon geblockt. Der größte Teil der Ausgaben entfällt auf die Zuwendungen des Bundes an den Gesundheitsfonds. Für die pauschale Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für gesamtgesellschaftliche Aufgaben werden wieder 14,5 Milliarden Euro veranschlagt. Seit 2017 ist dieser Bundeszuschuss gesetzlich festgeschrieben. Mit dem Geld werden versicherungsfremde Leistungen finanziert, also zum Beispiel die beitragsfreie Familienmitversicherung oder Aufwendungen für Schwangerschaft und Mutterschaft.
Pflegevorsorge und Prävention
Mehr Geld veranschlagt wird im Kapitel Pflegevorsorge mit Gesamtausgaben in Höhe von rund 81,8 Millionen Euro für 2025 im Vergleich zu rund 80 Millionen Euro in diesem Jahr. Der Bund beteiligt sich mit 58 Millionen Euro (2024: 57 Millionen) an der Förderung der freiwilligen privaten Pflegevorsorge. Für die Entschädigung von Hepatitis-C-Opfern in der früheren DDR sind rund 3,1 Millionen Euro vorgesehen (2024: 2,8 Millionen). Die Leistungen des Bundes zur Unterstützung der durch Blutprodukte HIV-infizierten Personen wird von rund 9,4 auf rund 9,8 Millionen Euro aufgestockt.
Im Bereich Prävention und Gesundheitsverbände sind 2025 Ausgaben in Höhe von rund 959 Millionen Euro veranschlagt (2024: rund 1,09 Milliarden). Für die gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung stehen dem Entwurf zufolge rund 26,4 Millionen Euro zur Verfügung (2024: rund 22,4 Millionen). Zuschüsse zur zentralen Beschaffung von Impfstoffen gegen Sars-Cov-2 schlagen mit rund 427 Millionen Euro zu Buche (2024: rund 346 Millionen).
Coronabekämpfung und Forschung
Zur Finanzierung der Pandemiebereitschaftsverträge werden rund 336 Millionen Euro angesetzt (2024: rund 486 Millionen). Die Mittel für Modellprojekte zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Long Covid werden mit 15 Millionen Euro im Jahresvergleich mehr als verdoppelt (2024: 7 Millionen). Der sogenannte Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst wird nur noch mit rund 54 Millionen Euro bedacht im Vergleich zu rund 164 Millionen 2024.
Das Kapitel Forschungsvorhaben und -einrichtungen weist Ausgaben in Höhe von rund 185 Millionen Euro aus (2024: rund 176 Millionen). Modellprojekte und Forschungsvorhaben zum Drogen- und Suchtmittelmissbrauch werden wie im Vorjahr mit rund fünf Millionen Euro finanziert.
Für das internationale Gesundheitswesen stehen der Vorlage zufolge rund 132 Millionen Euro zur Verfügung (2024: rund 134 Millionen), darunter wie im Vorjahr rund 60 Millionen Euro für die Stärkung der internationalen öffentlichen Gesundheit. Für Beiträge an internationalen Organisationen sind gut 35 Millionen Euro vorgesehen (2024: rund 36 Millionen), darunter für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf knapp 16 Millionen Euro. Zur Finanzierung des Betriebs des WHO Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence in Berlin werden erneut 30 Millionen Euro veranschlagt. (pk/13.09.2024)