Regierungserklärung

Scholz: Europa ist für Deutschland eine zentrale nationale Aufgabe

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Ergebnisse der Europawahl mit den Erfolgen für rechtspopulistische Kräfte als „Einschnitt“ für Europa bezeichnet. Es habe eine klare Auswirkung, dass so viele Krisen gleichzeitig Vertrauen und Sicherheitsgefühl infrage gestellt hätten. „Dem müssen wir uns stellen“, sagte Scholz am Mittwoch, 26. Juni 2024, in einer Regierungserklärung zu den anstehenden Gipfeltreffen zum Europäischen Rat am 27. und 28. Juni 2024 in Brüssel und zum Nato-Gipfeltreffen vom 9. bis 11. Juli 2024 in Washington

Kanzler: Putin setzt auf Krieg und Aufrüstung

„Wir müssen dafür sorgen, dass Zuversicht wieder wächst in Deutschland und Europa“, sagte Scholz. Er betonte, dass Deutschland sich weiterhin klar zur EU und zur Nato bekenne. „Europa ist für Deutschland eine zentrale nationale Aufgabe.“ 

Scholz wies zudem die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin gestellten Bedingungen für einen Waffenstillstand in der Ukraine zurück, zu denen der Verzicht der Ukraine auf die Halbinsel Krim und auf weite Teile der Ostukraine zählt. Wer glaube, dass die Ukraine dies überleben würde und dass daraus ein dauerhafter Frieden in Europa werde, „der muss schon sehr viel Russia Today schauen“, sagte er. „Putin setzt weiter voll auf Krieg und Aufrüstung. Darüber darf niemand hinwegsehen.“

Union: Kanzler ist unwillens zur Selbstkritik

Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU/CSU) kritisierte mit Blick auf die Ergebnisse der Europawahl, dass Scholz „immer noch unfähig und unwillens zur Selbstkritik und zur Korrektur“ seiner Politik sei. Scholz mache Krisen verantwortlich für das Erstarken von Links- und Rechtsradikalismus. Das sei aber die falsche Schlussfolgerung: „Sie sind dafür verantwortlich, dass die Probleme in unserem Lande nicht gelöst werden.“

Von keinem Land in Europa gehe derzeit so viel Unsicherheit und so viel Unklarheit aus wie von Deutschland - dem Land, das eigentlich der europäische Stabilitätsanker sein und in Führungsverantwortung stehen müsste, sagte Merz. Deutschland habe an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Die Koalition werde nur noch von der Not zusammengehalten, habe keine Idee, keinen Plan, kein Konzept mehr für Deutschland. „Sie werden nur noch vom Machterhalt zusammengehalten.“

Grüne: Merz redet das Land schlecht

Die Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann (Bündnis 90/Die Grünen) warf Merz vor, das Land schlechtzureden und zu spalten. Sie wies insbesondere Merz‘ Kritik am neuen Staatsbürgerschaftsrecht zurück. Es gebe mehrere Millionen Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte, die sich zu diesem Land bekennen würden, „denen ermöglichen wir ein besseres Staatsbürgerschaftsrecht wie in vielen anderen europäischen Ländern“. 

Als „erschütternd“ bezeichnete Haßelmann den Rechtsruck als Ergebnis der Europawahl. Es müsse darum gehen, noch stärker deutlich zu machen, dass eine „Renationalisierung“ keine Lösung sei, sondern Wohlstand kosten würde. 

AfD fordert Einsatz für Friedenverhandlungen

AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla (AfD) warf dem Bundeskanzler vor, mit dem geplanten Nato-Hauptquartier zur Ukraine-Unterstützung Deutschland zum „militärischen Vorposten“ der USA zu machen.

Statt auf Waffenlieferungen an die Ukraine zu setzen, die im Übrigen auf die Kosten der Bundeswehr und der Fähigkeit der eigenen Selbstverteidigung gingen, sollte die Bundesregierung die Kriegsparteien zu Friedenverhandlungen nach Deutschland einladen. „Das wäre ein Zeichen der Souveränität.“

FDP: Kein Freifahrtschein für Ursula von der Leyen

Christian Dürr (FDP) äußerte klare Erwartungen an die bisherige und designierte zukünftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: Für ihre Bestätigung im Europaparlament gebe es nach „fünf mehr oder weniger verlorenen Jahre voller Planwirtschaft und Bürokratie“ von den liberalen Parteien keinen Freifahrtschein.

Statt Bürokratie wie beim alten „Green Deal“ brauche es einen Deal für Bürokratieabbau und Wettbewerbsfähigkeit und einen Deal zur Migration. Von der Leyens erste Amtshandlung sollte die „Abschaffung des unnützen Verbrenner-Verbots“ auf europäischer Ebene sein, forderte Dürr.

Abstimmung über Entschließungsanträge

Die AfD-Fraktion (20/11942) und die Gruppe BSW (20/11886, 20/11937) hatten zur Regierungserklärung Entschließungsanträge vorgelegt, die unter anderem die Nato betreffen. Alle drei Vorlagen wurden abgelehnt. 

Der Antrag der AfD fand gegen die Stimmen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und den Gruppen Die Linke sowie BSW bei Zustimmung der Antragsteller keine Mehrheit. Die Anträge der Gruppe BSW wurden ebenfalls mit den Stimmen der übrigen Fraktionen abgelehnt. (ahe/26.06.2024)