Robert Habeck: Deutsche Wirtschaft befreit sich langsam aus der Krise
Nach Auffassung des Bundesministers für Wirtschaft und Klimaschutz Dr. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) befreit sich die deutsche Wirtschaft gerade „langsam“ aus der Krise. In der Regierungsbefragung des Bundestages sagte der Minister am Mittwoch, 26. Juni 2024, die Bundesregierung arbeite an Maßnahmen, um diesen Prozess zu beschleunigen. Die Einkommen seien im ersten Quartal so stark gestiegen wie seit 2008 nicht mehr, nominal um 6,4 und real um 3,8 Prozent. Besonders erfreut zeigte sich Habeck, dass vor allem Geringverdiener davon profitierten, bei ihnen betrage die Steigerung sogar 8,8 Prozent.
Auf der anderen Seite gebe es ein Investitionsproblem. Die Bruttoanlageinvestitionen seien 2023 um 0,7 Prozent zurückgegangen, die Bauinvestitionen sogar um 1,8 Prozent und die Anlageinvestitionen um 0,3 Prozent. „Es fehlt an Stimulanzien, dass wieder mehr investiert wird“, sagte der Minister. Besser als die westdeutschen Bundesländer hätten die ostdeutschen abgeschnitten, dort habe das Wachstum 2023 um 0,7 Prozent zugelegt, während es im Westen um 0,3 Prozent zurückgegangen sei. Den vom Hochwasser in Süddeutschland Betroffenen kündigte Habeck an, dass die Programme zur Sanierung von Gebäuden und Heizungen komplett geöffnet würden und auf Fristen verzichtet werde.
Stark-Watzinger: Priorität für Innovation und Fortschritt
Neben dem Wirtschaftsminister stellte sich auch die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger (FDP), den Fragen der Abgeordneten. Sie nannte das Startchancenprogramm aus ihrem Haus das „größte Bildungsprogramm“ der Bundesrepublik, in das 4.000 Schulen, eine Millionen Schülerinnen und Schüler einbezogen würden und in das Bund und Länder zusammen 20 Millionen Euro investierten. Sie erinnerte zudem an die bereits vom Bundestag beschlossenen Verbesserungen beim BAföG mit höheren Freibeträgen und Bedarfssätzen. Im Übrigen setze sie ihre Prioritäten bei Innovation und Fortschritt, Wachstum und Wohlstand und hob Technologieoffenheit bei Zukunftsenergien, bei Künstlicher Intelligenz und Robotik hervor.
Zum Vorgang um den offenen Brief von Hochschullehrenden sagte die Ministerin, nach dem 7. Oktober 2023 habe ein nicht zu erwartender Antisemitismus Einzug gehalten, jüdische Studierende trauten sich nicht mehr an ihre Hochschulen, Dozenten würden angefeindet. Sie bleibe bei ihrer Kritik an dem offenen Brief, der von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Sie halte ihn jedoch für falsch. Zugleich machte sich Stark-Watzinger für die Wissenschaftsfreiheit stark, weil sich nur mit ihr die Fragen der Zukunft lösen ließen. Fördermittel würden nach wissenschaftlicher Exzellenz vergeben.
Zollstreit mit China und seltene Erden
Dr. Sandra Detzer (Bündnis 90/Die Grünen) fragte den Wirtschaftsminister nach seinen Gesprächen in China. Habeck sagte, es sei gut, dass die Europäische Kommission und die chinesische Regierung miteinander sprächen, um den Konflikt um Einfuhrzölle nicht eskalieren zu lassen. Der Konflikt müsse politisch gelöst werden. Brüssel rief er dazu auf, den Konflikt nicht „bürokratisch“ lösen zu wollen. Es sollten keine Märkte kaputtgemacht und ein Wettlauf um Zölle unterbunden werden. Die EU-Mitgliedstaaten hätten auf ein geschlossenes Agieren gegenüber China gesetzt.
Enrico Komning (AfD) wollte von Habeck wissen, ob er in China auch über seltene Erden gesprochen habe. Die Abhängigkeit von Rohstoffen sei eine „ernste Frage“, sagte der Minister. Die Abhängigkeit sei kritisch, es gebe wenige deutsche Firmen, die noch Rohstoffe schürfen könnten. Habeck sprach von einem „Jahrzehnte-Projekt“.
Rankings, Tourismus und Lieferkettengesetz
Julia Klöckner (CDU/CSU) sprach die Gefahr der vermehrten Abwanderung von Betrieben und den Rückfall Deutschlands in internationalen wirtschaftlichen Rankings an. Habeck sagte, bei Einhaltung der Schuldenbremse müsste das Land fünf Prozent Wachstum haben. Andere Länder hätten flexibel reagiert und die Verschuldung gesteigert. Ein ausgeglichener Haushalt limitiere die Bedingungen für Steuersenkungen. Auf eine Frage der Unionsabgeordneten Anja Karliczek räumte der Minister ein, dass 2024 für den Tourismus möglicherweise ein Rekordjahr wird. Der Tourismus habe einen „kleinen Boom“.
Dem SPD-Abgeordneten Walter Hannes erwiderte Habeck auf dessen Frage nach der Unterstützung kleiner Unternehmen im Zusammenhang mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, dass es bei den Berichtspflichten Schwellenwerte gebe. Das Problem sei die Praxis. Er hoffe, dass die EU-Richtlinie schnell eingeführt wird, um die Sorgfaltspflichten zu stärken, bei den Berichtspflichten aber zu Entlastungen zu kommen. Zur hatte der CDU-Abgeordnete Michael Grosse-Brömer nach einer „Pausierung“ des deutschen Gesetzes gefragt, bis die EU-Richtlinie umgesetzt ist. Habeck betonte, die Sorgfaltspflichten seien wichtiger, bei den Berichtspflichten könnte „so schnell wie es geht“ reduziert werden.
Energiesicherheit und Elementarschadenversicherung
Ralph Lenkert (Die Linke) erkundigte sich nach der Energiesicherheit in Deutschland und verwies auf Schwierigkeiten der Windenergie-Branche, an deutschen Standorten zu produzieren. Habeck zählte in diesem Zusammenhang eine Reihe von ergriffenen Gegenmaßnahmen auf.
Der fraktionslose Abgeordnete Stefan Seidler vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW) wollte wissen, warum die häufigen Sturmfluten in Schleswig-Holstein nicht in die Vorschläge für eine Elementarschadenversicherung aufgenommen worden seien. Habeck erwartet nach eigenen Worten eine Zunahme extremer Stürme. Er trat dafür ein, „Extreme“ abzusichern durch ein solidarisches Vorgehen.
Digitalpakt II für Schulen
Zum geplanten neuen Digitalpakt nach Auslaufen des Digitalpakts I in diesem Jahr fragte der SPD-Abgeordnete Martin Rabanus die Bildungsministerin. Stark-Watzinger kündigte an, dass es ab 2025 den Digitalpakt II geben werde. Dabei gehe es nicht nur um Geräte, sondern auch um ein Konzept für die pädagogische Aus- und Weiterbildung von Lehrern. Der neue Digitalpakt müsse ein „Gesamtpaket“ sein, unbürokratischer und damit schneller umsetzbar als der jetzige.
Die FDP-Abgeordnete Ria Schröder erkundigte sich in diesem Zusammenhang nach der Finanzierung. Stark-Watzinger betonte, alle Ebenen, auch die Kommunen, müssten einbezogen werden. Sie erwarte eine hälftige Finanzierung von Bund und Ländern.
Offener Brief und Prüfaufträge
Die CDU-Abgeordneten Thomas Jarzombek und Stephan Albani und die Grünen-Abgeordnete Prof. Dr. Anja Reinalter thematisierten die Umstände, die zur Entlassung der Staatssekretärin im Ministerium Prof. Dr. Sabine Döring im Zusammenhang mit Prüfaufträgen förderrechtlicher Konsequenzen für die Unterzeichner des offenen Briefes geführt haben. Der Prozess der Aufarbeitung habe ergeben, so Stark-Watzinger, dass das Vertrauensverhältnis nicht mehr gegeben gewesen sei. Vor dem Prüfauftrag habe es bereits einen weiteren Prüfauftrag der Fachebene im Ministerium gegeben, eine Übersicht zu erstellen, in welchem Verhältnis die Unterzeichner des Briefes zum Ministerium stehen. Diese sei auch auf der Fachebene verblieben. Zwischen beiden Vorgängen gebe es keinen Zusammenhang. Fördermittel würden nur nach wissenschaftlichen Kriterien vergeben.
Gegenüber der Linken-Abgeordneten Nicole Gohlke wiederholte die Ministerin, dass sie die Aussagen im offenen Brief für „grundfalsch“ halte und sie ihnen nicht zustimme. (vom/26.06.2024)