Der Bundestag hat am Freitag, 5. Juli 2024, drei Gesetze des sogenannten Agrarpakets der Koalition beschlossen. So wurde mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen das Votum von CDU/CSU und AfD bei Enthaltung der Gruppe Die Linke der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur ersten Änderung des GAP-Konditionalitäten-Gesetzes (20/10819) in einer vom Agrarausschuss geänderten Fassung angenommen. Ebenso angenommen wurde ein Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Änderung agrarrechtlicher Vorschriften (20/11948) in einer vom Ausschuss geänderten Fassung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen das Votum der CDU/CSU, AfD und die Gruppe Die Linke. Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Verlängerung der Tarifermäßigung für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (20/11947) in einer vom Finanzausschuss geänderten Fassung wurde mit den Stimmen von SPD, Grünen, FDP und AfD gegen die Stimmen von CDU/CSU und die Gruppe Die Linke beschlossen. Ein von den Koalitionsfraktionen zur Abstimmung über das GAP-Konditionalitäten-Gesetz vorgelegter Entschließungsantrag (20/12155) wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der CDU/CSU und AfD bei Enthaltung der Gruppe Die Linke angenommen. Demnach sollen unter andrem die förderrechtlichen Genehmigungen bei der Umwandlung von Dauergrünland in nicht landwirtschaftliche Flächen abgeschafft und die Form- und Größenvorgaben für Blühflächen sowie Blühstreifen weitestgehend gestrichen werden.
Hingegen abgelehnt wurde ein Antrag der Unionsfraktion mit dem Titel „Landwirtschaft tatsächlich entlasten – Versprechen der Bundesregierung umgehend umsetzen“ (20/11951). Die Vorlage fand keine Mehrheit gegen die Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Gruppe Die Linke bei Zustimmung der Antragsteller und Enthaltung der AfD. Ebenfalls abgelehnt wurde ein Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Die deutsche Landwirtschaft wirklich entlasten“ (20/11958). Der Antrag verfehlte gegen die Stimmen der übrigen Fraktionen bei Zustimmung durch die Antragsteller die nötige Mehrheit. Die Abstimmungen erfolgten auf Grundlage einer Reihe von Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (20/12147, 20/12148, 20/12156, 20/12157). Zur Abstimmung über den Gesetzentwurf zur Verlängerung der Tarifermäßigung hat der Finanzausschuss eine Beschlussempfehlung (20/12152) und der Haushaltsausschuss einen Bericht gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung (20/12153) zur Finanzierbarkeit vorgelegt.
Grüne: Ein guter Vorschlag und ein guter Start
Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte die Position des Deutschen Bauernverbands. Anstatt zurückzublicken, sollten die Fragen einer zukunftsfähigen Landwirtschaft und Ernährungssicherheit diskutiert werden, das habe die Ampel getan. „Was wir heute abstimmen, ist ein guter Vorschlag und ein guter Start“, sagte sie.
SPD: Ein großartiges Paket
Dem schloss sich Susanne Mittag (SPD) an und sprach von „einem großartigen Paket“. Landwirte, Angestellte und Verbraucher würden von den Maßnahmen profitieren.
CDU/CSU: Das Paket ist eine Enttäuschung
Die Opposition übte heftige Kritik. Hermann Färber (CDU/CSU) nannte das Paket „eine Enttäuschung“. Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft verwies auf die Erwartungen, die nach den Protesten entstanden seien, und unterstrich, dass „das Vertrauen in die Politik“ bei den Landwirten mit diesem Vorhaben nicht gestärkt worden sei.
AfD: Agrarpaket ist eine Mogelpackung
Auch Stephan Protschka (AfD) kritisierte das Vorhaben: „Das sogenannte Agrarpaket ist eine Mogelpackung und nicht einmal ansatzweise geeignet, um Bauernfamilien spürbar zu entlasten“, sagte er. Die Ampel drücke sich leider davor, die eigentlichen Probleme, wie die zu hohen Energiekosten, die Dumping-Importe und die immensen bürokratischen Belastungen, anzugehen.
Linke: Ampel hat sich nicht genug Zeit genommen
Ina Latendorf (Gruppe Die Linke) bemängelte, dass die Ampel sich erst in der vergangenen Woche auf die Reformen geeinigt habe, für eine gründliche Auseinandersetzung damit sei leider keine Zeit gewesen. Außerdem sei verpasst worden, die Stellung der Erzeuger innerhalb der Wertschöpfungskette zu stärken.
FDP: Liberale waren treibende Kraft der Reform
Gero Hocker (FDP) relativierte die Kritik und verwies auf „die Erfolge“ wie Tarifglättung, Wegfall der Flächenstilllegung und Stärkung der Erzeuger in der Wertschöpfungskette. Die Liberalen seien „die treibende Kraft bei den Reformen gewesen“.
Änderung des GAP-Konditionalitäten-Gesetzes
Im Zuge der jüngsten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ist auf EU-Ebene müssen die neuen Vorgaben in heimisches Recht überführt werden. Dazu hat die Bundesregierung ihren Entwurf des ersten Gesetzes zur Änderung des GAP-Konditionalitäten-Gesetzes (20/10819) vorgelegt. Dabei wurden Änderungen vorgenommen, die unter anderem zwei neue Öko-Regelungen vorsehen. Demnach soll es neben einem Angebot für Milchviehbetriebe mit Weidehaltung eine weitere Öko-Regelung für Maßnahmen zur Verbesserung der Biodiversität geben. Die genaue Ausgestaltung der beiden Öko-Regelungen soll in einer Rechtsverordnung geregelt werden. Die Öko-Regelungen sollen, anders als ursprünglich vorgesehen, nicht aus Kürzungen der Flächenprämie, sondern aus freien Mitteln finanziert werden. Betriebe sollen die Hilfen dafür im nächsten Jahr für 2026 beantragen können.
Das Gesetz enthält auch Regelungen zur Datenübermittlung zwischen den jeweils zuständigen Stellen. Dazu sollen die Mitgliedstaaten die geltenden Kontroll- und Durchsetzungssysteme im Bereich des Sozial- und Arbeitsrechts nutzen.
Änderungen im Agrarausschuss
Im Landwirtschaftsausschuss vorgenommene Änderungen des GAP-Konditionalitäten-Gesetzes sehen neben arbeitsrechtlichen Verbesserungen auch zwei neue Öko-Regelungen vor. Demnach soll es neben einem Angebot für Milchviehbetriebe mit Weidehaltung eine weitere Öko-Regelung für Maßnahmen zur Verbesserung der Biodiversität geben. Die neuen Öko-Regelungen sollen, anders als ursprünglich vorgesehen, nicht aus Kürzungen der Flächenprämie, sondern aus freien Mitteln finanziert werden. Betriebe sollen die neuen Öko-Regelungen im nächsten Jahr für 2026 beantragen können. Ein weiterer Punkt betrifft den Bürokratieabbau: Durch Erleichterungen im GAP-Konditionalitäten-Gesetz wird auf die Pflicht zur Stilllegung von vier Prozent der Ackerfläche ab 2025 verzichtet.
Zudem werden GAP-Zahlungen zukünftig an die Einhaltung bestimmter arbeitsschutzrechtlicher sowie arbeitsrechtlicher Vorschriften aus den Bereichen Beschäftigung, Gesundheit und Sicherheit geknüpft. Ziel der sozialen Konditionalität sei, die Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorschriften zu fördern und so zur Entwicklung einer sozialverträglichen Landwirtschaft beizutragen.
Änderung agrarrechtlicher Vorschriften
Das Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz (AgrarOLkG) von 2021, um unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette (UTP-Richtlinie) zu verhindern, soll reformiert werden. Das sieht der Gesetzentwurf der Koalition zur Änderung agrarrechtlicher Vorschriften (20/11948) vor.
Das AgrarOLkG ist im Juni 2021 in Kraft getreten und soll Lieferanten entlang der Wertschöpfungskette gegen unlautere Handelspraktiken wie kurzfristige Stornierung verderblicher Agrarprodukte oder Lebensmittel, Zahlungsfristen oder Beteiligungen der Lieferanten an Kosten für die Lagerung der Ware, schützen. So ist beispielsweise ein dauerhafter Schutz vor unlauteren Geschäftspraktiken, wie Zahlungsziele von über 30 Tagen für verderbliche und von über 60 Tagen für andere Agrar-, Fischerei- und Lebensmittel, sowie ein Verbot von Retouren dieser Waren vorgesehen. Im November 2023 wurden die Ergebnisse einer umfassenden Evaluierung durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft veröffentlicht. Dadurch wurde deutlich, dass unlautere Praktiken angewendet werden, die über die mit dem AgrarOLkG verbotenen Praktiken hinausgehen.
Der Vorschlag der Ampelfraktionen sieht vor, dass Lieferanten, die bislang nur befristet vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst waren, dauerhaft in den Schutzbereich einbezogen werden. Das Retourenverbot (Paragraf 12) und das Verbot von Vereinbarungen zu Lagerkosten (Paragraf 14) werden durch Ausnahmen ergänzt. Die UTP-Verbote werden durch ein Umgehungsverbot ergänzt. Die Vorschriften zur Einbeziehung des Bundeskartellamtes in die Entscheidungen der Durchsetzungsbehörde werden aufgehoben und durch eine Befugnis zum gegenseitigen Informationsaustausch beider Behörden ersetzt. Das Marktorganisationsgesetz wird an die Regelung im Verwaltungsverfahrensgesetz angepasst.
Verlängerung der Tarifermäßigung für Einkünfte
Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Verlängerung der Tarifermäßigung für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (20/11947) zielt darauf ab, eine steuerliche Tarifermäßigung für diese Einkünfte befristet bis zum Jahr 2028 einzuführen. Damit wird eine Regelung wieder eingeführt, die bereits bis zum Veranlagungszeitraum 2022 galt. Mit der Maßnahme soll die steuerliche Progressionswirkung abgemildert werden, indem die Steuer auf einen Betrag gesenkt wird, der sich ergäbe, wenn über drei Jahre hinweg gleichmäßige Einkünfte erwirtschaftet worden wären. Die Steuermindereinnahmen werden auf 150 Millionen Euro für einen Dreijahreszeitraum geschätzt.
Damit sollen Gewinnschwankungen aufgrund von Wetterbedingungen abgefedert werden. Die Gewinnglättung (eigentlich Tarifermäßigung) ist rückwirkend ab 2023 vorgesehen und soll für drei Jahre gelten. Landwirte könnten so rund 50 Millionen Euro Steuern sparen, schätzt die Bundesregierung. Allerdings wurden über die nur noch bis 2026 gezahlten Agrardieselbeihilfen Landwirte um rund 440 Millionen Euro pro Jahr von der Mineralölsteuer entlastet. Im parlamentarischen Verfahren haben die Ampel-Fraktionen im Finanzausschuss durch einen Änderungsantrag erwirkt, dass eine doppelte steuerliche Inanspruchnahme der Tarifglättung mit Verlustrückträgen vermieden werden soll.
Antrag der Unionsfraktion
Die CDU/CSU-Fraktion fordert in ihrem Antrag (20/11951) die Bundesregierung auf, ihre Zusagen (20/10057), die im Zuge der Bauernproteste im Januar gemacht wurden, wie vereinbart vor der Sommerpause 2024 umzusetzen. Anfang des Jahres habe der Bundestag beschlossen, „noch im ersten Quartal 2024 konkrete Vorhaben aufzulisten, die der Landwirtschaft Planungssicherheit und Entlastungen geben, und bis zum Sommer entsprechende Maßnahmen zu beschließen“. Das sei bislang nicht passiert. Deshalb fordert die CDU/CSU-Fraktion die Bundesregierung auf, „ihren eigenen Ankündigungen Taten folgen zu lassen und die den deutschen Land- und Forstwirten von den Koalitionsfraktionen gegebenen Zusicherungen endlich auch umgehend umzusetzen“, heißt es in dem Antrag.
Dafür solle vor der parlamentarischen Sommerpause 2024 ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, mit dem insbesondere die von der Regierungskoalition deutlich erhöhte steuerliche Belastung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe insgesamt auf ein Niveau abzusenken sei, das dem europäischen Durchschnitt entspreche sowie eine deutliche Verbesserung der Liquidität der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe zur Folge habe. Außerdem solle es „einen raschen und spürbaren Abbau der bürokratischen Lasten“ für land- und forstwirtschaftliche Betriebe geben, aktuell insbesondere durch eine ausschließliche „Eins-zu-eins“-Umsetzung der von der EU ermöglichten Erleichterungen im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik. Schließlich solle die Bundesregierung dafür sorgen, dass alternative Antriebstechnologien in der Landwirtschaft sowie alternative und nachhaltig erzeugte Kraftstoffe stärker gefördert werden.
Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion fordert in ihrem Antrag mit dem Titel „Die deutsche Landwirtschaft wirklich entlasten“ (20/11958) den Abbau „überbordender Bürokratie und Überregulierungen“, die Rücknahme der im Frühjahr beschlossenen Abschaffung der Agrardieselrückerstattung sowie eine komplette Überarbeitung der Dünge- und Pflanzenschutzverordnungen sowie der Nutztierhaltungsverordnungen.
Auf internationaler Ebene solle sich die Bundesregierung ferner dafür einsetzen, einem EU-Beitritt der Ukraine nicht zuzustimmen, heißt es weiter. (nki/05.07.2024)