Parlament

Antrag zur Messer­attacke in Mannheim abgelehnt

Der Bundestag hat sich am Donnerstag, 13. Juni 2024, mit der tödlichen Messerattacke auf einen Polizisten Ende Mai in Mannheim befasst. Dazu hat die Unionsfraktion einen Antrag mit dem Titel „Betroffenheit reicht nicht – Klare Konsequenzen aus dem Terror von Mannheim ziehen“ (20/11758) vorgelegt, den das Parlament in namentlicher Abstimmung zurückwies. 253 Abgeordnete sprachen sich für die Vorlage aus, 399 Parlamentarier dagegen. Es gab elf Enthaltungen.

Antrag zu Konsequenzen aus dem Terror von Mannheim

Union: Die Ampel tut gar nichts

Andrea Lindholz (CDU/CSU) sagte zu Beginn der Debatte, nach der von allen Seiten gezeigten Betroffenheit über die Ermordung des Polizisten Rouven Laur durch einen aus Afghanistan stammenden Islamisten, sei die Debatte durch den Bundeskanzler und die SPD-Innenpolitiker im Wesentlichen auf die Ankündigung verengt worden, Straftäter wieder nach Afghanistan und Syrien abschieben zu wollen. Das sei zwar zu begrüßen. „Allerdings hat Innenministerin Faeser das schon im März 2023 angekündigt und bis heute nicht umgesetzt“, sagte Lindholz. Wisse man dann noch, dass die letzte Lageanalyse zu Afghanistan aus dem Oktober 2021 stamme, werde klar: Die Ampel rede nur, tue aber gar nichts.

Die Bevölkerung, so die Unionsabgeordnete, habe jedoch die „Politik der leeren Phrasen und der Nebelkerzen“ satt. Das habe sich auch bei der Europawahl gezeigt. Die Union schlage daher 14 konkrete Maßnahmen vor, „die Sie sofort tun können“. Dazu zähle die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern sowie der Stopp der illegalen Migration, wozu auch die Zurückweisung an den deutschen Grenzen gehöre. Außerdem müsse die Bundespolizei „mit ausreichenden Mitteln“ ausgestattet werden. „Tun Sie etwas, oder geben Sie den Weg frei für Neuwahlen, damit andere endlich anfangen können, die Sicherheitsprobleme in unserem Land zu lösen“, forderte Lindholz 

SPD: Union war in Verantwortung, aber untätig

Aus Sicht von Daniel Baldy (SPD) haben die Sicherheitsbehörden „die hohe Gefahr im Blick“. Beleg dafür sei die Festnahme eines mutmaßlichen IS-Unterstützers am Kölner Flughafen, der sich als Sicherheitskraft für Neben-Events der Euro 2024 beworben hatte. Wenn nun aber die Union erneut eine sechsmonatige Speicherfrist von IP-Adressen zur Strafverfolgung fordere, gehe das nicht mit den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zusammen. 

Zum Vorwurf des Kontrollverlustes der Regierung in der Migrations- und Integrationspolitik sagte Baldy: Dass es seit 2015 eine angespannte Migrationslage gebe, bestreite niemand. Der Polizistenmörder von Mannheim lebe aber seit 2013 in Deutschland. Auch diejenigen, die ein Kalifat auf deutschen Straßen fordern, hätten schon hier gelebt, als die Union noch in Verantwortung war. „Nach 16 Jahren Kanzlerschaft können Sie nicht so tun, als hätten Sie damit nichts zu tun“, sagte der SPD-Abgeordnete. Es sei absoluter Populismus, etwas zu fordern, was man hätte auch vor drei Jahren selbst anstoßen können.

AfD für Migrationswende

Nachdem ein seit zehn Jahren abgelehnter Asylbewerber einen Islamkritiker habe ermorden wollen „und dabei einen eingreifenden Polizisten tötete“, würden sich die Verantwortlichen im Werfen von Nebelkerzen überschlagen, sagte Dr. Gottfried Curio (AfD). Die längste Zeit sei der Afghane durch die „Merkel-GroKo“ nicht außer Landes gebracht worden. „Schuld an seinem widerrechtlichen Verweilen waren Union und SPD und dann auch Grüne und FDP“, so der AfD-Abgeordnete. Kurz vor der Europawahl habe nun der Kanzler angekündigt, schwerste Straftäter nach Afghanistan abschieben zu wollen. Das sei nur „warme Luft“, weil der grüne Koalitionspartner „keinen illegalen Migranten wieder hergeben will“. 

Mit Blick auf den Antrag attestierte Curio der Union, immer mehr von der AfD abzuschreiben. CDU und CSU wollten nun auch abgelehnte Asylbewerber aus Syrien abschieben sowie Grenzkontrollen inklusive Zurückweisungen schaffen und das Staatsbürgerschaftsrecht „nicht weiterverwässern“. Das alles sei aber weder mit Rot noch mit Grün zu machen. „Nur mit der AfD kommt endlich die so dringend benötigte Migrationswende“, sagte Curio.

Grüne: Härte gegen Islamismus und Islamisten

Mit dem furchtbaren Anschlag von Mannheim, so Dr. Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen), habe sich die islamistische Bedrohung erneut schmerzlich realisiert. „Deshalb gehen wir weiter konsequent und mit aller Härte gegen Islamismus und Islamisten vor“, sagte sie. Die Sicherheitsbehörden müssten bestmöglich bei ihrer Arbeit unterstützt werden. 

Schon 2020 hätten die Grünen in einem Antrag gefordert, die Abschiebung von islamistischen Gefährdern endlich voranzutreiben, betonte Mihalic. Der Rechtsstaat dürfe es sich nicht gefallen lassen, „dass ideologische Fanatiker und Extremisten unsere Freiheit und Sicherheit bedrohen“. Gefährder und Straftäter, nach Verbüßung ihrer Strafe, müssten abgeschoben werden. „Da gibt es in meiner Fraktion keine zwei Meinungen“, machte die Grünen-Abgeordnete deutlich. Das sei im Übrigen schon heute gesetzlich möglich. „Dafür braucht es keinen Schaufensterantrag der Union.“ Darin sei eine Forderung nach der anderen aufgeschrieben worden, um die sich die Union in Regierungsverantwortung nicht gekümmert habe. 

FDP: Ausländische Straftäter zurückführen

Aus Betroffenheit über den Mord müsse Entschlossenheit folgen, forderte Manuel Höferlin (FDP). Das sei man dem Opfer, den Hinterbliebenen aber auch allen Menschen im Land schuldig. Eine zentrale Lehre, so der FDP-Abgeordnete, sei, „dass wir unsere Migrationspolitik noch entschlossener verorten müssen“. In den vergangenen drei Jahren seien bereits wichtige Schritte unternommen worden, befand Höferlin. So seien Abschiebungen erleichtert und die Migration neu geordnet worden. „Wir stellen sicher, dass Personen, die kein Aufenthaltsrecht haben, zügig ausgewiesen werden können.“ Nötig sei dies alles gewesen, wegen der „nichtgeordneten Verhältnisse der Ära Merkel“. Das müsse die Union so anerkennen. 

Die klare Erwartung der Menschen sei es, „dass wir hier noch entschlossener handeln“. Deshalb sei es richtig und wichtig darüber zu reden, wie ausländische Straftäter in ihre Heimat zurückzuführen sind – gerade dort, wo dies bislang noch nicht möglich gewesen sei. Es sei sehr zuversichtlich, dass die Gespräche der Innen- und der Außenministerin mit den entsprechenden Ländern wie Afghanistan ein Ergebnis bringen werden, sagte Höferlin.

Linke warnt vor Rechtsextremisten

Die Union vermische in ihrem Antrag „auf eine sachlich unzuverlässige Weise“ Terrorismus und Allgemeinkriminalität ausländischer Staatsangehöriger, sagte Gökay Akbulut (Gruppe Die Linke)

Forderungen wie etwa nach einem unbefristeten Ausreisegewahrsam seien unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten „völlig inakzeptabel“. Mehr Abschiebungen führten auch nicht zu mehr Sicherheit, befand sie. Damit werde nur das Geschäft der Rechtsextremisten betrieben. 

BSW begrüßt Unionsforderungen

Dr. Sahra Wagenknecht (Gruppe BSW) sagte: „Die unkontrollierte Zuwanderung schadet unserem Land.“ Die große Mehrheit der Bürger im Land fordere schon lange, „dass die Politik endlich handelt“. 

Es gebe ein Problem mit gescheiterter Integration, das durch den Zuzug der letzten Jahre massiv verstärkt worden sei, urteilte Wagenknecht und begrüßte den überwiegenden Teil der Unionsforderungen in dem Antrag. „Wir stünden aber nicht da, wo wir jetzt stehen, wenn CDU/CSU dies schon in ihrer Regierungszeit umgesetzt hätten“, sagte sie. 

 

Antrag der Unionsfraktion

In dem Antrag fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, „den Bundesländern jede mögliche Unterstützung zukommen zu lassen, damit abgelehnte Asylbewerber konsequent in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden, gegebenenfalls über deren Nachbarstaaten“. Das müsse auch für Gefährder und Straftäter aus Afghanistan, Syrien, Eritrea, Somalia und Libyen gelten.

Auch soll die Bundesregierung nach dem Willen der Fraktion „neue Antworten“ darauf finden, wie mit ausländischen schweren Straftätern und Gefährdern umzugehen ist, die zwar ausreisepflichtig sind und auch freiwillig zurückkehren könnten, derzeit aber nicht abgeschoben werden können. Zu diesem Zweck sei ein Ausreisearrest zu schaffen, in dem diese Personen so lange verweilen, bis sie die Rückreise in ihre Heimat freiwillig antreten.

Zugleich plädiert die Fraktion dafür, „bis zu einem funktionierenden EU-Außengrenzschutz“ Grenzkontrollen an den deutschen Binnengrenzen aufrechtzuerhalten. Diese müssten prinzipiell mit der Zurückweisung von Personen verbunden werden, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des Schengen-Raums bereits Aufnahme gefunden haben oder die einen Asylantrag auch in einem Staat, aus dem sie einreisen wollen, stellen können.

Freiheitsstrafe soll zu einer Regelausweisung führen

Des Weiteren soll die Bundesregierung dem Antrag zufolge im Aufenthaltsrecht festlegen, dass bei bestimmten Delikten jede Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe zu einer Regelausweisung führt, insbesondere bei Straftaten gegen Leib und Leben, gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowie bei Widerstand und einem tätlichen Angriff gegen Vollstreckungsbeamte. Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse oder eine neue Regelung zu einer zwingenden Regelausweisung soll danach auch für Fälle eingeführt werden, in denen jemand öffentlich zur Abschaffung der freiheitlich demokratischen Grundordnung aufruft.

Zu den weiteren Forderungen der Fraktion zählen die umgehende Schließung des Islamischen Zentrums Hamburg und die Wiedereinsetzung des Expertenkreises „Politischer Islamismus“ im Bundesministerium des Innern und für Heimat. Ferner setzt sich die Fraktion in der Vorlage unter anderem dafür ein, eine Rechtsgrundlage für die Bundespolizei zum Einsatz von Distanz-Elektroimpulsgeräten sogenannten Tasern einzuführen. (hau/sto/13.06.2024)

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