Feststellung der „beruflichen Handlungsfähigkeit“
Der Bundestag hat am Freitag, 17. Mai 2024, erstmals einen Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz (20/10857) beraten. Die Gruppe Die Linke hat darüber hinaus einen Antrag mit dem Titel „Ausbildungsqualität verbessern – Berufsbildungsgesetz umfassend novellieren“ (20/10801) zur Beratung vorgelegt. Im Anschluss an die Aussprache wurden die Vorlagen zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung überwiesen.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Die Bundesregierung verfolgt laut ihrem Gesetzentwurf zwei Ziele: Erstens geht es darum, die berufliche Handlungsfähigkeit, die unabhängig von einem formalen Berufsausbildungsabschluss erworben wurde, festzustellen, zu bescheinigen und „im System der beruflichen Bildung anschlussfähig zu machen“.
Zweitens sollen „medienbruchfreie digitale (Verwaltungs-)Prozesse“ mit dem Gesetz „konsequent“ ermöglicht werden. Die Bundesregierung sieht das Gesetz als Bestandteil der Exzellenzinitiative Berufliche Bildung. Geändert werden sollen das Berufsbildungsgesetz, das Registermodernisierungsgesetz, die Handwerksordnung und das Jugendarbeitsschutzgesetz.
Digitale Dokumente und Verfahren
Konkret ist ein Verfahren vorgesehen, um die individuelle berufliche Handlungsfähigkeit, die einer Berufsausbildung vergleichbar ist („Validierung“), im System der dualen Berufsbildung festzustellen und zu bescheinigen. Darüber hinaus sollen digitale Dokumente und Verfahren in der beruflichen Bildung ermöglicht werden.
Dies betrifft laut Bundesregierung etwa eine praxisgerechte, digitale Abfassung der wesentlichen Inhalte des Ausbildungsvertrages oder eines „medienbruchfreien“ Verfahrens für digitale Berichtshefte. Auch soll die Berufsschulnote auf dem Abschlusszeugnis der zuständigen Stellen verbindlich ausgewiesen werden können, um die Rolle der Berufsschulen in der dualen Berufsbildung zu stärken.
Zugleich will die Regierung mit dem Gesetz Bürokratie abbauen und berufsschulische Leistungen besser sichtbar machen. Für gemeinsame Berufe mehrerer Berufsbereiche sollen transparente, rechtssichere Regelungen ermöglicht werden, heißt. Zudem soll es einige Klarstellungen aufgrund von Gerichtsentscheidungen geben.
Stellungnahme von Normenkontrollrat und Bundesrat
Der Normenkontrollrat begrüßt in seiner Stellungnahme den Gesetzentwurf, regt aber darüber hinaus an, auch die Ausstellung elektronischer Zeugnisse zu ermöglichen, um so weiteres Digitalisierungspotenzial zu heben. Kritisiert wird „die unangemessen kurze Frist, die den Verbänden seitens des Ressorts für die Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt wurde“.
Ebenso wie der Bundesrat in seiner Stellungnahme thematisiert auch der Normenkontrollrat die „für die Textform des Ausbildungsvertrages vorgesehenen Empfangsnachweise“. Der Bundesrat hält es für ausreichend, „auf die Eintragungsbestätigungen in dem Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse durch die zuständigen Stellen zurückzugreifen“. Das würde den bürokratischen Aufwand reduzieren, erklärt die Länderkammer.
Länder wollen Altersgrenze für Berufsschulpflicht
Der Bundesrat will außerdem, dass nur Personen, die einen formalen deutschen Berufsausbildungsabschluss haben, die Eignung zum Ausbilden zuerkannt wird. Ferner wollen die Länder mit Blick auf die Berufsschulpflicht eine Altersgrenze von 25 Jahren ins Gesetz schreiben.
Diese solle sicherstellen, „dass für Personen im Alter von 18 bis 25 Jahren die duale Ausbildung der Standard-Zugang zum Erwerb einer beruflichen Handlungsfähigkeit in einem anerkannten Ausbildungsberuf ist und alle betroffenen Auszubildenden die Möglichkeit haben, ihre Allgemeinbildung zu vervollständigen“.
Regierung verweist auf EU-Rahmenbedingungen
Die Bundesregierung lehnt es in ihrer Gegenäußerung ab, den Empfangsnachweis zu streichen und verweist auf „zwingende europarechtliche Rahmenbedingungen“. Auch sieht sie keinen Grund, Personen die fachliche Ausbildereignung nicht zuzuerkennen, die in einem Feststellungsverfahren die „vollständige Vergleichbarkeit“ der beruflichen Handlungsfähigkeit mit einem Ausbildungsabsolventen gezeigt haben.
Ebenso auf Ablehnung stößt bei der Bundesregierung eine Altersgrenze für den Zugang zu Feststellungsverfahren. Auch hier macht sie europa- und verfassungsrechtliche Bedenken geltend.
Antrag der Gruppe Die Linke
Die Gruppe Die Linke will die Ausbildungsqualität bei der dualen Ausbildung verbessern und fordert deshalb eine Novellierung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG). In ihrem Antrag (20/10801) spricht sich die Gruppe für verbindliche Regelungen im BBiG aus, „die die Schutz- und Mitbestimmungsrechte der Auszubildenden deutlich verbessern“. Aus Sicht der Linken-Abgeordneten ist die Lage in der beruflichen Bildung in einem „dramatischen Zustand“. Die Novellierung von 2019/2020 habe sie „nicht ausreichend gestärkt und nicht krisensicher gemacht“, heißt es in der Vorlage. Eine weitere Novellierung sei daher dringend geboten.
Von der Bundesregierung fordert die Gruppe, im Zuge einer BBiG-Novellierung eine Reihe von Grundsätzen zu verankern beziehungsweise analog in der Handwerksordnung anzupassen. So solle etwa in Paragraf 17 des BBiG die Mindestausbildungsvergütung branchenübergreifend auf 80 Prozent der in Tarifverträgen vereinbarten durchschnittlichen Ausbildungsvergütung angehoben werden. Auch sollen die Regelungen und Schutzbestimmungen des BBiG nach dem Willen der Linken auf die betrieblichen Ausbildungsphasen dualer Studiengänge und schulisch-betrieblicher Ausbildungsgänge ausgeweitet werden.
Ferner spricht sich die Gruppe unter anderem dafür aus, die dreimonatige Ankündigungsfrist bei beabsichtigter Nichtübernahme auf alle Auszubildenden auszuweiten, die betriebliche Mitbestimmung, vor allem die Jugend- und Auszubildendenvertretungen, zu stärken und barrierefreie Beschwerdestellen bei den Berufsbildungsausschüssen einzurichten. (vom/bal/irs/17.05.20224)