Enquete-Kommission Afghanistan

General Staigis: Integrierte Sicherheit mit vorhandenen Institutionen schaffen

Die Nationale Sicherheitsstrategie, wie sie von der Bundesregierung vor einem Jahr verabschiedet wurde, zeigt klare Ziele auf, aber es fehlt „die Beschreibung der Wege, wie wir dahin kommen“, sagte Brigadegeneral a. D. Armin Staigis, ehemaliger Vizepräsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) in der öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission „Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands“ zum Thema „Strategiefähigkeit, Strategieentwicklung und Operationalisierung für internationales Krisenmanagement“ am Montag, 13. Mai 2024.

Strategie der integrierten Sicherheit

Das Erfordernis einer umfassenden Strategiedebatte werde „noch nicht hinreichend anerkannt“. Eine Strategie der „integrierten Sicherheit“, die nicht nur dem internationalen Krisenmanagement, sondern auch der Landes- und Bündnisverteidigung Rechnung zu tragen habe, müsse für jede Krise und jeden Konflikt neu gedacht werden und „kohärent und kompatibel Ziele, Instrumente und Ressourcen“ aufeinander abstimmen, sagte Staigis. In konkreten Einsätzen sei die Strategie einer „kontinuierlichen Wirkungsanalyse“ zu unterziehen. 

Er glaube nicht, dass es momentan die nötige politische Mehrheit für die Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrates „als Führungs- und Strukturelement in Deutschland“ gebe, sagte der BAKS-Vizepräsident. Er plädiere daher dafür, die vorhandenen Institutionen der Bundesregierung und der Ministerien wie den Bundessicherheitsrat „von unten“ zu stärken und durch eine bessere Koordinierung hin zu „integrierter Sicherheit“ zu entwickeln. 

Staigis empfahl zudem ein „Gemeinsames Lage- und Analysezentrum der Bundesregierung zum sicherheitspolitischen Krisen- und Konfliktmanagement“ einzurichten. Es dürfe nicht passieren, dass sich die Beteiligten unterschiedlicher Ressorts erst bei Eintreten einer Krise kennenlernen. Von hohem Wert sei auch die Einbeziehung nichtstaatlicher Akteure. 

Für ressortübergreifende Aus- und Fortbildung

Die Wissensressource nichtstaatlicher Akteure solle zudem in eine ressortübergreifende Aus- und Fortbildung von Führungskräften einbezogen werden. Ministerien und Führungskräfte müssten sich offener für Weiterbildung, ja „lebenslanges Lernen“, und das Instrument des Personaltauschs zeigen. 

Damit eine Sicherheitsstrategie funktioniere, müsse man auch die Leute dafür ausbilden, Raum und Zeit für das gegenseitige emotionale Verstehen, das Entstehen von Vertrauen und einer gemeinsamen Sprache schaffen, sagte der General. Verharre dagegen jede und jeder eine Laufbahn lang lediglich in seiner ministeriellen Säule, könne eine Strategie für gesamtstaatliches Handeln nicht funktionieren. 

„Vernetzte oder integrierte Sicherheit bleibt relevant“

Der Ansatz der „vernetzten“ oder „integrierten Sicherheit“, wie man ihn bereits in der 1980er-Jahren formuliert habe, sei heute genauso relevant wie damals, betonte Staigis. Die aktuellen Krisen und Kriege ließen die Landesverteidigung ebenso wieder in den Blick rücken wie das internationale Krisenmanagement. 

Den Ansatz der „integrierten Sicherheit“ gilt es aus Sicht des Generals auch auf die Bündnisorganisationen wie Nato und EU zu übertragen und auch diese untereinander besser zu vernetzen. Auf sich allein gestellt könne sich Deutschland nicht verteidigen. 

Auftrag der Enquete-Kommission

Die Enquete-Kommission aus elf Abgeordneten und elf Sachverständigen untersucht den gesamten Zeitraum des deutschen Engagements in Afghanistan von 2001 bis 2021. Auf dieser Basis sollen Ansätze zur Optimierung des vernetzten Ansatzes als Grundprinzip deutscher Außenpolitik entwickelt werden. 

Der vernetzte Ansatz in der Sicherheitspolitik beschreibt die Verzahnung militärischer, polizeilicher, diplomatischer, entwicklungspolitischer und humanitärer Instrumente bei Einsätzen im Rahmen internationaler Friedensmissionen. Ob dieser Ansatz der richtige war und wie das Zusammenspiel von militärischen und zivilen Maßnahmen im internationalen Krisenmanagement aussehen müsste, um erfolgreich zu sein – dazu soll die Enquete-Kommission dem Bundestag Vorschläge für die Zukunft machen. (ll/13.05.2024)

Zeit: Montag, 13. Mai 2024, 13 Uhr bis 14 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.900

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