Buchvorstellung „Der nächste Redner ist eine Dame“ im Bundestag
Vor 75 Jahren trat der erste Deutsche Bundestag zusammen. Unter den 410 Abgeordneten waren nur 28 Frauen – zehn weitere rückten im Laufe der Legislaturperiode nach, wenn ein Mitglied aus dem Parlament ausschied. Viele Namen und Biografien der ersten weiblichen Abgeordneten sind heute vergessen – bis jetzt. Denn am Mittwoch, 15. Mai 2024, wurde das Buch „Der nächste Redner ist eine Dame“ veröffentlicht, das die faszinierenden Biografien dieser ersten Abgeordneten im Bundestag beleuchtet.
Die Autorinnen Helene Bukowski, Julia Franck, Shelly Kupferberg, Terézia Mora und Juli Zeh haben fünf der insgesamt 38 Frauen auf persönliche und tiefgründige Weise porträtiert. Ergänzt werden die Porträts durch die Kurzbiografien aller weiteren weiblichen Abgeordneten des ersten Bundestages. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas schrieb das Vorwort; die Historikerin Natalie Weis, die für den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages federführend zu den Abgeordneten recherchierte, die Einleitung.
Bärbel Bas: Wir wollen Parität
Bei der Buchvorstellung am Mittwochabend im Bundestag würdigte Parlamentspräsidentin Bas die ersten weiblichen Abgeordneten als „echte Pionierinnen, denen wir alle viel zu verdanken haben“. Dennoch sei der Weg bis zur tatsächlichen Gleichberechtigung noch lang, sagte sie. Obwohl heute etwa ein Drittel der Bundestagsabgeordneten weiblich sei – im ersten Bundestag waren es nur neun Prozent – reiche das nicht aus. Bas forderte: „Wir wollen Parität.“
Im Anschluss sprach die Bundestagspräsidentin mit den Autorinnen Helene Bukowski und Shelly Kupferberg sowie der Soziologin Jutta Allmendinger in einer Podiumsdiskussion über die ersten Frauen im Bundestag, den Stand der Gleichberechtigung und heutige Herausforderungen von Frauen in der Politik. Die Journalistin Anke Plättner moderierte das Gespräch.
Einig waren sich die vier Frauen an diesem Abend, dass seit dem Zusammentreten des ersten Bundestages große Fortschritte für die Rechte der Frauen erzielt wurden. Heute sei es zum Glück kaum mehr vorstellbar, dass die ersten weiblichen Abgeordneten noch die Zustimmung ihres Ehemannes benötigten, um ihr Bundestagsmandat antreten zu dürfen oder die Erlaubnis ihres Gatten brauchten, um überhaupt arbeiten zu können.
Die Soziologin Allmendinger sagte, sie habe beim Lesen des Buches tiefe Demut empfunden – davor, was die ersten weiblichen Abgeordneten und die Frauen ihrer Zeit haben leisten müssen.
Politische Wegbereiterinnen
Wer waren diese Pionierinnen der Politik in der Bundesrepublik? Unter ihnen befinden sich bemerkenswerte Persönlichkeiten wie Margarete Hütter (1909 bis 2003, FDP/DVP), die spätere erste Botschafterin der Bundesrepublik im außereuropäischen Ausland, oder die erste Bundesfamilienministerin, Aenne Brauksiepe (1912 bis 1997, CDU). Die Lebensgeschichten der Frauen waren geprägt durch zwei Kriege und zahlreiche Hindernisse. Viele von ihnen waren die ersten Frauen in ihren Familien, die einen höheren Schulabschluss erlangten oder überhaupt studieren durften.
Auch im ersten Bundestag mussten die weiblichen Abgeordneten viele Hürden überwinden: Sie mussten sich Gehör bei ihren männlichen Kollegen verschaffen und nicht selten ihren Platz am Rednerpult erkämpfen. Trotz dieser Widerstände wurden die ersten weiblichen Abgeordneten zu Wegbereiterinnen in der Politik.
Der lange Weg zur Gleichberechtigung
Bundestagspräsidentin Bas wies darauf hin, dass auch heute noch Frauen am Rednerpult verbal angegriffen würden. Es komme zudem immer wieder vor, dass über ihr Aussehen gesprochen werde – eine Angelegenheit, von der Bas dachte, „dass wir das lange hinter uns gelassen haben“.
Am Ende sind sich die Frauen auf dem Podium einig, dass mit „Der nächste Redner ist eine Dame“ ein Buch entstanden ist, das viel über die Rolle von Frauen in Politik und Gesellschaft verrät und den noch langen Weg zur Gleichberechtigung aufzeigt. Helene Bukowski sagte, es sei ein Buch, das man nicht nur seinen Töchtern schenken sollte – sondern besonders seinen Söhnen. (cha/16.05.2024)