Der Bundestag hat am Donnerstag, 10. Oktober 2024, einen Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Eine krisenfeste, verlässliche und kostengünstige Energieversorgung Deutschlands ermöglichen“ (20/8874) abgelehnt. Die Vorlage fand bei Zustimmung durch die Antragstelle keine Mehrheit gegen das Votum von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und die Gruppe Die Linke bei Enthaltung der Gruppe BSW. Der Abstimmung lag eine Beschlussvorlage des Ausschusses für Klimaschutz und Energie (20/9817) zugrunde.
Im Verlauf der Debatte wurden auch der Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Wohlstand statt Verzicht – Neuanfang wagen mit Kernenergie – Verlässliche, kostengünstige und umweltverträgliche Energieversorgung für alle“ (20/13230) diskutiert und im Anschluss zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Klimaschutz und Energie überwiesen. Ein weiterer von der AfD-Fraktion vorgelegter Antrag mit dem Titel „Moratorium für den Rückbau abgeschalteter Kernkraftwerke“ (20/13231) wurde an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz zur weiteren Beratung überwiesen.
Grüne: Das tote Pferd der Atomkraft
Eingangs der rund 70-minütigen Debatte gab der Grünen-Abgeordnete Bernhard Herrmann zu Protokoll, wie Leid er es sei, dass die AfD nicht müde werde, wieder und wieder das „tote Pferd der Atomkraft zu reiten“.
Und das, obwohl der Strompreis stetig sinke, aktuell sogar niedriger liege als 2021, als in Deutschland noch sechs Atomkraftwerke am Netz gewesen seien. Das sei das Ergebnis des massiven Ausbaus erneuerbarer Energien wie Wind und Sonne.
CDU/CSU: În der Fusionsforschung führend bleiben
Fabian Gramling (CDU/CSU) nutzte die Debatte, um die Ampelfraktionen, die als Aufbruchskoalition gestartet seien, verantwortlich zu machen für derzeitige historische Rezession: Industrie wandere ab, Investitionen blieben aus, Stellen würden abgebaut – das könne könne man nicht schönreden mit dem Verweis auf 60 Prozent Anteil Erneuerbarer in der Stromversorgung.
Ja, die Union habe gemeinsam mit der FDP einst den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen – aber unter der Voraussetzung, dass es das Gas als Brückenenergie gebe. Das sei heute nicht mehr der Fall. Für ein Wiederhochfahren der alten Meiler sei es aber zu spät jetzt, sagte Gramling, fügte aber hinzu, die Union bleibe technologieoffen und wolle, dass Deutschland in der Fusionsforschung führend bleibe.
SPD: Energiewende schreitet voran
Helmut Kleebank (SPD) stellte fest, die Energiewende schreite voran und mache so in Rede stehenden Anträge der AfD überflüssig. Alle spürten die Auswirkungen des Klimawandels, ob es die Landwirte seien, die Ahrtalopfer oder vulnerable Gruppen wie Kinder und ältere Menschen.
Den menschengemachten Klimawandel und seine Folgen zu verneinen, sei eine ungeheure Arroganz gegenüber den Betroffenen, sagte Kleebank. Die angebliche Renaissance der Atomkraft weltweit sei ein Märchen – das Gegenteil sei der Fall, es würden weniger Atomkraftwerke neu gebaut als vom Netz gingen.
AfD: Vernichtung der Lebensgrundlage
Karsten Hilse (AfD) rechnete mit der Ampelpolitik ab. Die „dümmste Politik der Welt“ zeige Wirkung, sagte er und verwies auf eine Vielzahl von Unternehmen in Schwierigkeiten, die gezwungen seien, in großer Zahl Stellen zu streichen. Der „Ruinator“, Wirtschaftsminister Robert Habeck, fahre durch das Land und mache alles platt.
Hilse sagte, in der Politik der Bundesregierung erkenne er die „vorsätzliche Vernichtung der Lebensgrundlage des deutschen Volkes“.
Konrad Stockmeier (FDP) reagierte darauf mit der Bemerkung, die AfD-Politiker führten gern das Wort von der Souveränität Deutschlands im Munde, tatsächlich sei es aber so, dass die AfD – insbesondere im Energiesektor - gegen die Interessen Deutschlands agiere. So sei es angezeigt, nicht russische Gasröhren wieder zu öffnen, sondern zum Beispiel alles zu fördern ,was in Deutschland selbst möglich sei, also Erneuerbare, Geothermie, Wasserstoff – und, wenn der Markt das ohne staatliche Förderung hergebe, auch Atomkraft.
Linke will Gewinne abschöpfen
Ralph Lenkert von der Gruppe Die Linke warf der AfD vor, sie kämpfe mit ihrer Politik praktisch für die Profite der Ölmultis. Die Linke hingegen wolle deren Gewinne abschöpfen.
Klaus Ernst von der Gruppe BSW schlug der Bundesregierung vor, die Sanktionen gegen Russland aufzuheben – die Realität zeige, dass sie Russland nicht wirklich träfen, Deutschland aber massiv schadeten. Der AfD riet er, so lange nicht mehr über eine die Rückkehr zur Atomkraft zu reden, bis sie eine Lösung für die Endlagerung des strahlenden Mülls habe.
Erster Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion will die Energieversorgung Deutschlands grundlegend anders organisieren. In ihrem Antrag (20/8874) fordern die Abgeordneten unter anderem, in möglichen Rohstoffsektoren Rahmenbedingungen einer heimischen Förderung zu schaffen. Verlangt wird zudem, den sogenannten Kohleausstieg, soweit möglich, sofort zu beenden und den Weiterbetrieb der vorhandenen Kohlekraftwerke zu unterstützen. Die AfD will des Weiteren das Atomgesetz derart ändern, „dass ein Weiterbetrieb der im April 2023 und im Dezember 2021 abgeschalteten Kernkraftwerksblöcke rechtlich und wirtschaftlich möglich ist“.
Außerdem solle die Regierung darauf hinwirken, alle Zahlungen und Begünstigungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für Anlagen zur Erzeugung von Elektrizität aus so genannten erneuerbaren Energien, die neu oder erneut in Betrieb genommen werden, vollständig und ersatzlos zu streichen und eine Gesetzesänderung vorzulegen, in der das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) schnellstmöglich vollständig und ersatzlos entfällt.
Zweiter Antrag der AfD
In ihrem zweiten Antrag (20/13230) fordert die AfD-Fraktion die Bundesregierung unter anderem auf, darauf hinzuwirken, dass sämtliche Maßnahmen zur Verteuerung von Kohlendioxidemissionen sowie Förderungen sogenannter erneuerbarer Energien unterlassen oder eingestellt werden. Zugleich solle die Regierung langfristig auf eine nachhaltig sichere und kostengünstige Energiebereitstellung, soweit möglich sogar unterhalb des Kostenniveaus heutiger Großanlagen (gerechnet ohne CO2-Bepreisung), hinwirken.
Durch Bürokratieabbau und Technologieoffenheit sollen darüber hinaus Anpassungen der gesamten Infrastruktur, der Wirtschaft und der Naturräume an klimatische Änderungen gefördert werden. Die Laufzeitbeschränkungen und Strommengeneinspeisebegrenzung auch bestehender Kernkraftwerke sollen dem Antrag zufolge durch entsprechende Änderung des Atomgesetzes aufgehoben und deren Weiterbetrieb bei drohender, ernster Netzinstabilität notfalls auch staatlich gewährleistet werden.
Ebenso wird verlangt, dass sich die Regierung für einen Ausbau der Kerntechnik, vor allem von Hochtemperatur-Flüssigbrennstoff-Kernreaktoren und der Kernfusion einsetzt. Die Herstellung „synthetischer“ Betriebs- und Kraftstoffe wie Wasserstoff will die Fraktion durch Nutzung der Kernenergie als Strategie zur langfristigen Verfügbarkeit anerkannt sehen.
Dritter Antrag der AfD
Ein Moratorium für den Rückbau abgeschalteter Atomkraftwerke verlangt die AfD-Fraktion in einem gleichnamigen Antrag (20/13231). Konkret fordern die Abgeordneten die Bundesregierung auf, alle abgeschalteten Kernkraftwerke, die wieder in Betrieb genommen werden können, zu reaktivieren. Dazu sollen in Abstimmung mit den zuständigen Landesregierungen die Rückbaugenehmigungen widerrufen und die Betreiber aufgefordert werden, Pläne für eine schnellstmögliche Wiederinbetriebnahme zu erstellen. Laufzeit- und Einspeisebegrenzungen sowie das Verbot der gewerblichen Erzeugung von Elektrizität durch Atomkraftwerke müssten zudem durch eine entsprechende Änderung des Atomgesetzes aufgehoben werden, um die Produktion „kostengünstiger Energie zu ermöglichen“, schreiben die Abgeordneten.
Die Abschaltung der letzten drei verbliebenen Atomkraftwerke Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2 zum 15. April 2023 sei „energiewirtschaftlich falsch“ gewesen, heißt es in dem Antrag. Eine Energieversorgung allein aus Sonne und Wind sei unwirtschaftlich und führe wegen des Flächenverbrauchs „zu Konflikten mit dem Natur-, Landschafts- und Denkmalschutz und dem Schutz der menschlichen Gesundheit“. (mis/hau/sas/vom/10.10.2024)