Die Unionsfraktion setzt sich für eine härtere Gangart gegenüber dem Regime im Iran ein, ist aber am Donnerstag, 25. April 2024, im Bundestag mit zwei Vorlagen zur Iranpolitik gescheitert. Ihre Anträge (20/5214, 20/8407), die unter anderem auf ein umfassenderes EU-Sanktionspaket und die Listung der iranischen Revolutionsgarden zielten, fanden bei den übrigen Fraktionen keine Mehrheit. Zur Abstimmung lagen den Abgeordneten Beschlussempfehlungen des Auswärtigen Ausschusses vor (20/5898, 20/10112).
Union fordert Umdenken in der Iranpolitik
Dr. Johann David Wadephul (CDU/CSU) verwies auf die Angriffe von Hisbollah und der Hamas auf Israel mit Raketen und Terroranschlägen, „finanziell und materiell unterstützt, gefüttert und ausgerüstet“ vom Iran. Es gebe kein anderes Land, das sich so schädlich gegen die freiheitliche und regelbasierte internationale Ordnung stelle.
„Wann ist die Bundesregierung endlich bereit, den wahren Charakter dieses Regimes im Iran zu erkennen und Schlüsse daraus zu ziehen?“ fragte Wadephul. Deutschland sei immer noch der größte Handelspartner der EU mit dem Iran, die Revolutionsgarden seien noch immer nicht als Terrororganisation gelistet, das „Islamische Zentrum“ in Hamburg als Einfallstor des Regimes immer noch nicht verboten. Die Bundesregierung stecke mit ihrer Iranpolitik in einer „Sackgasse“.
SPD: Irans Regime hat keine Zukunft
Dr. Nils Schmid (SPD) konterte diese Kritik: Weder wäre die Listung der Revolutionsgarden der „Sargnagel“ für das Regime in Teheran, noch hänge dessen Überleben am Handel mit Deutschland. Um ein iranisches Atomprogramm zu verhindern, bleibe Diplomatie das Mittel der Wahl. „Was wäre denn die Alternative, um eine iranische Atombombe zu verhindern?“
Ein Schlüssel für die Stabilität der Region sei überdies die Stärkung der Staatlichkeit der arabischen Nachbarn. Der Iran sei „nicht aus sich selbst heraus so attraktiv und mächtig“, dass er Einfluss gewonnen habe über Proxies wie Hisbollah, Hamas oder Huthis, sagte Schmid. Klar sei, dass das Regime reformunfähig sei und auch keine Zukunft habe, „weil es die Unterstützung der Bevölkerung endgültig verloren hat“.
Grüne: Destabilisierungsfaktor im Nahen Osten
Auch Lamya Kaddor (Bündnis 90/Die Grünen) argumentierte, dass „dieses Regime nach innen wie nach außen schlägt, weil es jegliche Legitimation“ verloren habe. Es sei auf die Feindschaft gegen Israel ebenso angewiesen wie auf die Unterdrückung der eigenen Bevölkerung. Erstmals habe das Regime Mitte April Israel direkt mit Raketen angegriffen und damit offenbart, wie ernst man es mit der Zerstörung des Staates Israel meint. „Iran ist der zentrale Destabilisierungsfaktor im Nahen Osten.“
Den Vorwurf der Zahnlosigkeit der Iran-Politik wies Kaddor zurück: Es habe seit 2022 zehn Sanktionspakete gegen den Iran, Einbestellungen des iranischen Botschafters und die Befassung im UN-Menschenrechtsrat gegeben. Diese Bundesregierung habe den „Kuschelkurs“ und die „Gutgläubigkeit beim ‚Wandel durch Handel‘“ beendet.
AfD kritisiert „Schaufensterforderungen“
Beatrix von Storch (AfD) warf der Union „Schaufensterforderungen“ vor. Sie habe 15 Jahre lang nichts gegen die Hisbollah unternommen und sich erst 2020 zur Forderung eines „Betätigungsverbots“ der Organisation in Deutschland aufraffen können. Union und Koalition wollten nach eigenem Bekunden die iranische Revolutionsbewegung intensiv unterstützen, während es ihnen nicht mal gelinge, iranische Oppositionselle in Deutschland vor den Einschüchterungen des iranischen Geheimdienstes zu schützen.
All das offenbare ein Grundproblem: „Sie fordern die Weltenrettung, die Demokratisierung“ in Weltgegenden, in denen Deutschland „nicht den leisesten Einfluss“ habe. „Sie spielen die große Weltpolitik.“
FDP für neue Iran-Strategie in der EU
Für Renata Alt (FDP) markieren die iranischen Raketenangriffe auf Israel ebenso eine Zeitenwende wie der Angriff Russlands auf die Ukraine. Auch der Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023, der größte Massenmord an Juden seit der Shoa, sei ohne Unterstützung des Irans nicht möglich gewesen.
Es habe bereits seit 2011 immer wieder Sanktionen der EU gegen den Iran gegeben. „Das Problem ist, dass Iran diese umgeht und dabei Unterstützung erhält.“ Mehr als die Hälfte der iranischen Exporte gingen nach China und in die Türkei, die wichtigsten Importeure seien China, die Vereinigten Arabischen Emirate und Brasilien. Es brauche dringend eine neue Iran-Strategie in der gesamten EU: „Gegen Irans Aggression und sein Raketenprogramm müssen wir stärker vorgehen“, sagte Alt.
Erster Antrag der CDU/CSU
In ihrem ersten Antrag (20/5214) forderte die Unionsfraktion die Bundesregierung auf, ein umfassendes Sanktionspaket gegen den Iran zu entwerfen und im Rahmen der Europäischen Union auf den Weg zu bringen. „Es muss Ziel europäischer Politik sein, dem iranischen Regime die Unterdrückung des eigenen Volkes so weit wie möglich zu erschweren“, so die Abgeordneten. Davon sei die EU in der Sanktionspolitik noch weit entfernt. „Statt öffentlicher Empörung auf Twitter muss die Bundesregierung endlich eine entschlossene Vorreiterrolle innerhalb der EU einnehmen.“
Die Abgeordneten forderten die Bundesregierung darüber hinaus auf, sich für eine EU-weite Listung der sogenannten Revolutionsgarden als terroristische Vereinigung einzusetzen. Mitglieder der Revolutionsgarden und weiterer Sicherheitsdienste des Regimes sollten mit Einreisesperren und dem Einfrieren von Vermögenswerten belegt werden. Bei Personensanktionen gegen den Iran seien ähnliche Dimensionen zu erreichen wie sie Kanada und die USA mit ihren Sanktionen bereits auf den Weg gebracht hätten.
Die EU-Sanktionen sollten nach Ansicht der Antragsteller auf alle Personen und Organe des iranischen Regimes ausgeweitet werden, die mit der Unterdrückung der aktuellen Proteste, inklusive der Verhängung und Vollstreckung von Todesurteilen, befasst oder an diesen beteiligt seien. Die Sanktionen sollten sich zudem auch auf „iranische Proxy-Organisationen in der Region, namentlich Hisbollah, Palästinensischer Islamischer Jihad, al-Baqir-Brigade, Fatemiyoun-Brigade, Kata'ib Hezbollah und die Houthis“ erstrecken, um Ausweichmöglichkeiten für den Sanktionsdruck auf den Iran zu schließen.
Weitere Forderungen zielten unter anderem auf Handelssanktionen, auf die Erschwerung der Finanzierung der Revolutionsgarden und einen restriktiveren Umgang mit Technologietransfers sowie auf die Schließung des „,Islamischen Zentrums Hamburg' als Drehscheibe der Operationen des islamischen Regimes des Iran in Deutschland“.
Zweiter Antrag der CDU/CSU
In ihrem zweiten Antrag (20/8407) forderte die Unionsfraktion die Bundesregierung zu einem entschiedeneren Kurs gegenüber dem Iran auf. „Ein Jahr ist es her, dass Jina Mahsa Amini von den Schergen des Islamischen Regimes brutal ermordet wurde, weil sie ihr Kopftuch nach Auffassung der sogenannten Sittenwächter falsch trug“, so die Abgeordneten. „Trotz vollmundiger Versprechungen zu Beginn der Proteste im Iran hat es die Bundesregierung in den vergangenen zwölf Monaten nicht geschafft, ihre Iranpolitik an die neuen Realitäten im Land anzupassen.“
Auch in diesem Antrag wurde die Regierung aufgefordert, sich in der EU für eine EU-weite Listung der sogenannten Revolutionsgarden als terroristische Vereinigung einzusetzen. Die EU-Sanktionen auf alle Personen und Organe des iranischen Regimes ausgeweitet werden, die mit der Unterdrückung der aktuellen Proteste, inklusive der Verhängung und Vollstreckung von Todesurteilen, befasst oder an diesen beteiligt sind. Außerdem sollte die Bundesregierung eine Strategie entwerfen, wie eine atomare Bewaffnung des Irans noch verhindert werden kann, „die über die aktuellen ziellosen, erratischen Einzelgespräche hinausgeht und Instrumente der Proliferationskontrolle und Sanktionierung berücksichtigt“. (vom/ahe/25.04.2024)