Regierung plant Neustrukturierung des Bundespolizeigesetzes
Der Bundestag hat am am Donnerstag, 14. März 2024, erstmals einen Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Neustrukturierung des Bundespolizeigesetzes“ (20/10406) beraten. Außerdem wurde ein Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Bundespolizei in Grenzregionen wirksam entlasten“ (20/10616) diskutiert. Im Anschluss an die Debatte wurden die Vorlagen zur weiteren Beratung an den federführenden Innenausschuss überwiesen.
Ministerin: Sicherheitsüberprüfung für Polizeibewerber
Der Gesetzentwurf enthält laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eine gute Balance zwischen neuen erforderlichen Befugnissen für die Bundespolizei und Transparenz für die Bevölkerung. „Beides brauchen wir für eine moderne Sicherheitsbehörde“, sagte Faeser zu Beginn der Debatte. Der technische Fortschritt werde genutzt, um Kriminalität künftig noch effektiver zu bekämpfen. Die Sicherheitsbehörden dürften schließlich nicht schlechter aufgestellt sein „als ihr kriminelles Gegenüber“.
Das neue Gesetz werde aber auch zu mehr Bürgernähe und Transparenz beitragen, betonte die Ministerin. Künftig werde „noch besser“ sichergestellt, dass nur „verfassungstreue Männer und Frauen“ in den Polizeidienst kommen. Daher würden alle, die sich neue bewerben, konsequent einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen. Wenn die Bundespolizei an Bahnhöfen, Flughäfen oder in Zügen Befragungen durchführt, um unerlaubte Einreisen zu verhindern, so Faeser weiter, könnten sich die befragten Personen künftig Kontrollquittungen ausstellen lassen. „Racial Profiling ist und bleibt in Recht und Praxis der Bundespolizei ausgeschlossen“, machte die Bundesinnenministerin deutlich.
Union: Gesetz wird Polizei behindern
Andrea Lindholz (CDU/CSU) hält den Gesetzentwurf hingegen nicht für zeitgemäß. Er führe außerdem dazu, dass die Bundespolizisten in ihrer Arbeit behindert würden. Lindholz wies daraufhin, dass die Ministerin immer wieder „zurecht“ betone, wie wichtig der Kampf gegen Schleuserkriminalität sei. Dennoch werde es der Bundespolizei nicht erlaubt, zur Abwehr lebensgefährdender Schleusungen auf Messengerdienste zuzugreifen. Hier gebe es einen Widerspruch zwischen Reden und Handeln.
Die Einführung der individuellen Kennzeichnungspflicht zeigt aus Sicht der Unionsabgeordneten ein tiefes Misstrauen der Bundesregierung gegenüber der Bundespolizei und behindere deren Arbeit. Begründet werde dies „scheinheilig“ mit Bürgernähe und Transparenz. „Tatsächlich sehen sie aber in jedem Bundespolizisten einen potenziellen Anwender rechtswidriger Gewalt“, sagte Lindholz. Wenn künftig jeder Bundespolizist bei jeder Personenkontrolle verpflichtet werde, auf Wunsch eine Kontrollquittung auszustellen, werde das die Arbeit der Bundespolizei im Alltag massiv beeinträchtigen, prognostizierte sie. Folge dessen werde sein, dass insgesamt weniger kontrolliert werden könne.
Grüne: Kontrollquittung ist keine Erfindung der Ampel
Dr. Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) wies die Kritik zurück. Eine anonymisierbare Kennzeichnung gebe es bereits in vielen Bundesländern. „Damit gehen wir einen wichtigen Schritt, um polizeiliches Handeln transparenter und nachvollziehbarer zu machen“, sagte Mihalic. Das sei nicht nur ein wichtiger bürgerrechtlicher Erfolg, „sondern im Kern auch eine positive Entwicklung für Polizistinnen und Polizisten“. Fehler im Einsatz würden sich so nicht auf unbeteiligte Kollegen auswirken, sondern könnten individuell zugeordnet werden. Von einem Misstrauensvotum oder einem Generalverdacht gegen die Polizei könne also nicht die Rede sein, betonte die Grünenabgeordnete.
Die Kontrollquittung sei im Übrigen „keine neue verrückte Erfindung der Ampel“. Sie sei vielmehr eine praxistaugliche Lösung, die anderenorts längst Alltag sei. Das sorge für Transparenz, erhöhe die Rechtssicherheit für die Bürger und schaffe zugleich Handlungssicherheit für die Polizei, sagte Mihalic.
AfD: Polizei wird der Lächerlichkeit preisgegeben
Aus Sicht von Steffen Janich (AfD) erschwert die Neuregelung hingegen den Arbeitsalltag der Bundespolizei. Im Gesetz finde sich die Vorgabe, dass die Polizei respektvoll und diskriminierungsfrei handeln solle. „Das deutsche Volk will aber eine Polizei, die nach Recht und Gesetz arbeitet. Es will keine Polizei, die die Fantasien linker Identitätspolitik umsetzen muss“, sagte er. Nicht Polizeibeamte müssten Respekt vor Straftätern lernen, „sondern Straftäter müssen endlich wieder den Respekt vor unserer Polizei lernen“.
Mit der Verpflichtung aller Bundespolizisten, allen in einem Zug zu kontrollierenden Personen eine Bescheinigung über die polizeiliche Maßnahme und deren Grund in Papierform auszustellen, gebe die Innenministerin die Polizei gänzlich der Lächerlichkeit preis, befand Janich. Das sei völlig inakzeptabel.
FDP: Klarheit für ein Verbot von Racial Profiling
Mit dem Gesetzentwurf setze die Ampel um, woran die Vorgängerregierung gescheitert sei, sagte Manuel Höferlin (FDP). Es werde ein Paradigmenwechsel vorangetrieben. Freiheit und Sicherheit würden nicht gegeneinander ausgespielt. „Stattdessen stärken wir beides. Das ist pragmatische und angewandte Sicherheits- und Innenpolitik“, sagte der FDP-Abgeordnete. Mit modernen Eingriffsbefugnissen könne die Bundespolizei ihre Arbeit an Bahnhöfen und Flughäfen besser erledigen. Gleichzeitig werde unmissverständlich Klarheit für ein Verbot von Racial Profiling geschaffen.
Dazu werde die Personenkontrolle durch die Kontrollquittungen für alle Seiten rechtssicher ausgestaltet. Bei der Polizei in Bremen werde das schon seit geraumer Zeit so praktiziert. „Die Polizisten dort können damit bestens umgehen“, sagte Höferlin.
SPD verweist auf EU-Ausland
Dorothee Martin (SPD) verteidigte den Gesetzentwurf ebenfalls. Mit ihm werde den aktuellen Entwicklungen Rechnung getragen. Die Bundespolizei erhalte nun die notwendigen Befugnisse, um den Bedrohungen unserer Zeit tatsächlich begegnen zu können. „Wir machen die Bundespolizei fit für die Zukunft“, sagte die SPD-Abgeordnete. Auch Martin sieht in der Kennzeichnungspflicht kein Misstrauen gegenüber der Polizei. Das Gegenteil sei der Fall, sagte sie. Im Übrigen sei es gängige Praxis in vielen EU-Ländern wie auch in den meisten Bundesländern, „auch in den CDU-geführten“, betonte Martin.
Martina Renner (Gruppe Die Linke) sieht durch den Gesetzentwurf Grundprobleme nicht gelöst. „Immer noch ist die Bundespolizei im Kern eine Grenzschutzpolizei“, sagte sie. Damit bleibe sie „im Kern ein Instrument der Politik, die meint, man müsste Flucht und Geflohenen zuerst mit Kontrolle und Abschreckung begegnen“. Die Polizei müsse jedoch zuerst der öffentlichen Sicherheit dienen und dürfe nicht Instrument einer repressiven Migrationspolitik sein, sagte Renner.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Das geltende Bundespolizeigesetz, das zum überwiegenden Teil noch aus dem Jahr 1994 stamme und bisher nur in einzelnen Vorschriften angepasst worden sei, bedürfe einer umfassenden Neubearbeitung, einschließlich Neustrukturierung, schreibt die Bundesregierung. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht das Bundeskriminalamtgesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärt, weshalb vergleichbare Vorschriften des Bundespolizeigesetzes angepasst werden müssten.
Ziel der Neuregelung ist es laut Regierung auch, die Bundespolizei im Bereich der Gefahrenabwehr mit neuen Befugnissen auszustatten, die für ihre Aufgabenerledigung notwendig seien. Nach der aktuellen Rechtslage sei eine Sicherheitsüberprüfung innerhalb der Bundespolizei nur in bestimmten Fällen möglich. Da sie als Sicherheitsbehörde ein wichtiger Eckpfeiler in der Sicherheitsarchitektur Deutschlands sei, müsse aber verhindert werden, „dass extremistische Personen versuchen, für die Bundespolizei tätig zu werden, um dann von innen heraus die effektive Aufgabenerfüllung der Bundespolizei zu behindern oder zu gefährden“, heißt es in der Gesetzesbegründung. Vorgesehen sei daher, den Kreis der zu überprüfenden Personen erheblich auszuweiten, wofür im Gesetz eine Rechtsgrundlage geschaffen werde.
Legitimations- und Kennzeichnungspflicht
Zur Unterstreichung der Bedeutung von Bürgernähe und Transparenz der Bundespolizei solle für die Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten der Bundespolizei die Legitimations- und Kennzeichnungspflicht eingeführt werden, heißt es weiter. Die Regelung solle auch der leichteren Aufklärbarkeit von Straftaten oder Dienstpflichtverletzungen von uniformierten Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten dienen.
Die Möglichkeit der Identifizierung gewährleiste zudem, „dass die rechtmäßig handelnden Beamtinnen und Beamten von der Einbeziehung in Ermittlungen verschont bleiben“.
Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion dringt darauf, die Bundespolizei in Grenzregionen zu entlasten. Vielerorts seien die Dienststellen der Bundespolizei in Grenznähe in personeller Hinsicht überlastet, schreibt die Fraktion in einem Antrag (20/10616). Danach binden das Aufgreifen und die Registrierung illegal eingereister Asylantragstellern „übermäßig polizeiliche Kapazitäten, die an anderer Stelle fehlen“. Die Bundesregierung wird in dem Antrag aufgefordert, die grenznahen Dienststellen der Bundespolizei, die „ einer überdurchschnittlichen Arbeitsbelastung in Folge der fortdauernden illegalen Migration nach Deutschland besonders ausgesetzt sind“, durch eine Erhöhung des Stellenplanes personell zu entlasten und dauerhaft zusätzliche Bundespolizeibeamte in diese Dienststellen zu versetzen.
Ferner fordert die Fraktion unter anderem, Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in der Nähe der deutsch-tschechischen und der deutsch-polnischen Grenze gemeinsam mit der Bundespolizei im Erfassungsdienst einzusetzen. Diese Bamf-Mitarbeiter sollen nach dem Willen der Fraktion die Ersterhebungen von Daten zu illegal Eingereisten inklusive erkennungsdienstlicher Maßnahmen durchführen, damit diese Aufgaben „nicht länger vorrangig von den Dienststellen der Bundespolizei ausgeübt werden müssen“. (hau/sto/14.03.2024)